Prof. Dr. Löhr, viele Kommunen haben in den 1990ern und 2000ern ihre Grundstücke verkauft. Bei den jetzt explodierenden Immobilienpreisen kaufen sie diese teuer zurück. Ist das wirklich sinnvoll?
Grundsätzlich ja. Denn Kommunen müssen die Steuerungshoheit über den Immobilienmarkt wiedergewinnen. Das geht am besten, wenn sie eine Grundstücksreserve haben. Wichtig ist hier aber, dass die Strategie nachhaltig ist, es darf sich nicht um ein Strohfeuer handeln. Der jetzige Zeitpunkt ist aber tatsächlich denkbar schlecht, die Preise sind sehr hoch. Kommunen dürfen auf keinen Fall alles, was auf den Markt kommt, auf Gedeih und Verderb kaufen. Finanziell sinnvoll sind Grundstücks- und Immobilienkäufe nur bei einer langfristig angelegten Strategie.
Welche Möglichkeiten gibt es, die explodierenden Boden- und Immobilienpreise unter Kontrolle zu bringen?
Verschiedene. Hier gibt es das Erbbaurecht, das vor allem für Gebiete mit hohem Bodenpreisniveau eine Alternative ist. Bei dieser Variante werden Immobilien auf Grundstücken gebaut, die weiterhin der Stadt gehören. Für die Nutzung zahlt der Bewohner oder Investor einen Erbbauzins. Städte wenden dieses System aber oft nicht gut an, machen es unattraktiv. Bei Erbbauzinsen von 4 Prozent rechnet sich eine Investition bei der jetzigen Kapitalmarktsituation kaum. Das ist auch angesichts des Ausfallrisikos viel zu viel – das Risiko ist nur wenig höher als bei einer Bundesanleihe. So etwas geht am Markt vorbei, dennoch sehe ich das leider immer wieder. Beide Seiten müssen ihren Spaß haben – Kommunen wie Investoren.
Ein großes Problem der Städte sind auch die sogenannten unbeplanten Innenbereiche. Können Sie darauf näher eingehen?
Gerne. In den unbeplanten Innenbereichen ist das einzige Erfordernis, dass sich die Immobilie in die Umgebung einfügt. Die Gemeinde kann keine weitergehenden Auflagen machen. Sie kann beispielsweise nicht sagen, dass sich ein Investor an durch den Bau entstehenden Infrastrukturkosten beteiligen oder dass ein bestimmter Teil der Wohnungen Sozialbindungen haben soll. Der Gesetzgeber arbeitet daran, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändert. Allerdings soll diese Änderung bis 2024 befristet sein, eine Entfristung erscheint mir hier wünschenswert.
Ländliche Kommunen: Bodenfonds eine Möglichkeit
Welche Möglichkeiten haben ländlich gelegene Kommunen, den Kauf von Boden zu finanzieren?
Hier sind die Preissteigerungen kein ganz so großes Problem. Ländliche Kommunen können Bodenfonds aufbauen, um Investitionen zu finanzieren. Es wird auch stark über revolvierende Bodenfonds diskutiert. Hiermit können Kommunen systematisch ein Sondervermögen aufbauen. Aus dem Verkauf von Grundstücken kann dann der Kauf von weiterem Boden finanziert werden.
Die Stadt Ulm hat einen solchen Bodenfonds schon länger im Einsatz.
Richtig. Der Stadt gehört gut ein Drittel der Flächen. Sie steuert über die Vergabe von Grundstücken. Die Stadt Ulm sagt: ,Wir geben dir ein Grundstück, knüpfen das aber an bestimmte Bedingungen.‘ Es gibt beispielsweise ein Wiederkaufsrecht mit Preislimitierung. Dadurch wurde spekulative Dynamik aus dem Markt genommen. Die Stadt boomt, die Immobilienpreise steigen aber weniger stark als anderswo.
Was würden Sie Kommunen raten, um Immobilienpreise wieder sinken zu lassen? Das Ulmer Modell?
Auch in Ulm ist nicht alles Gold, was glänzt. Am besten ist ein Bündel an langfristig ausgelegten Maßnahmen, die zusammen wirken. Ich bin auch ein großer Fan einer Bodenwertsteuer, da man hiermit den Boden teilweise entkapitalisieren kann. Vor allem Spekulanten schreckt eine solche Abgabe ab, da ein spekulatives Halten sich nicht mehr lohnt. Man könnte so Druck auf eine bessere Nutzung der Grundstücke machen.
Viele Kommunen müssen die Gürtel finanziell eng schnallen, teures Bauland und Wohnungen aufzukaufen ist für sie nicht möglich. Das gilt noch vielmehr in Zeiten wie diesen.
Das stimmt. Eine Stadt oder Gemeinde muss das Geld hierfür schlicht und ergreifend haben. Hier muss auch die Kommunalaufsicht einsichtig sein. Wenn Schulden etwa aufgenommen werden, um Grundstücke zu kaufen, dann könnten für solche Investitionen weniger strenge Maßstäbe angelegt werden. Die Aufsicht in Rheinland-Pfalz lässt in dieser Hinsicht bereits mit sich sprechen, allerdings kann sie keine Gesetze ignorieren oder gar ändern. Hier müssen die Regierungen der jeweiligen Bundesländer tätig werden, um den Kommunen den nötigen Spielraum zu geben.

Privat

Prof. Dr. Dirk Löhr ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor für Steuerlehre sowie Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld. Zu seiner besonderen Expertise gehört die Grundstückswertermittlung.