Kommunen sind die „Nahtstellen“ Europas. Wichtige Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene scheinen bisweilen aber weit von der lokalen Lebensrealität entfernt zu sein. Darauf machen Oberbürgermeister aus drei Grenzregionen aufmerksam.

Deutsche Grenzstädte sprechen sich für mehr Pragmatismus in der europäischen Zusammenarbeit aus. Zudem seien die Städte und Kommunen als konkrete Handlungsebene für Europa maßgeblich. Darauf weisen die Oberbürgermeister Frank Mentrup aus Karlsruhe, Uwe Conradt aus Saarbrücken und Octavian Ursu aus Görlitz in einem gemeinsamen Videointerview mit den Fachmedien „Der Neue Kämmerer“ und „OBM-Zeitung“ hin.

Kommunen teils „viel weiter als Brüssel“

Insbesondere in den Grenzregionen zeige sich die europäische Integration. Mit Blick auf den Eurodistrikt SaarMoselle spricht Conradt von einem „grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Kulturraum“. Es gebe mannigfaltige Verflechtungen über die deutsch-französische Grenze hinweg. Dies wird auch in Görlitz an der deutsch-polnischen Grenze deutlich: Dort tagen sogar die Lokalparlamente von Görlitz und ihrer polnischen Schwesterstadt gemeinsam. Auf der kommunalen Ebene sei man, was die europäische Integration betrifft, bisweilen „viel weiter als in Brüssel“, so Ursu.

Gleichzeitig seien die Kommunen ein Indikator dafür, was den europäischen Integrationsprozess behindere. Oft scheiterten pragmatische Lösungen für die Menschen vor Ort an nationalstaatlichen Differenzen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Zuletzt sorgten etwa die Grenzkontrollen und -schließungen, die aufgrund der Coronapandemie vorgenommen wurden, für gravierende Einschnitte in die lokalen Lebenswelten. Diese hätten das Zusammenleben der Menschen, das Pendeln zur Arbeit und das Leben vieler Familien in den gemeinsamen Region massiv und unverhältnismäßig hoch belastet, so Mentrup.

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Offene Grenzen sind „absolut systemrelevant“

Für die Grenzregionen seien offene Grenzen „absolut systemrelevant“ – gerade im Kampf gegen die Pandemie, unterstreicht Conradt. Dies gelte nicht zuletzt für die medizinische Infrastruktur, die beispielsweise auf grenzüberschreitend pendelnde Mitarbeiter angewiesen sei. Dass es in der Coronakrise zu Grenzschließungen gekommen sei, käme einem „Totalausfall in Brüssel“ und einem dortigen „Tiefschlaf“ gleich, der selbst überzeugte Europäer erschrocken habe, kritisiert Conradt. Die Entscheidung der Bundesregierung, Grenzen zu schließen, sei „ein Schock“ gewesen.

Die europäische Realität in den Grenzregionen habe die nationalen Barrieren längst überholt, so Ursu. In diesem Geist fordert Mentrup nicht zuletzt im Hinblick auf den Kampf gegen Corona einen integrierten Blick auf Europa. Dabei seien nationale Grenzen in Europa „nicht anders zu bewerten als die einer Stadt oder eines Landkreises“, sagt Mentrup. Aber: „Diese Denkweise ist in Brüssel und in Berlin überhaupt noch nicht verankert.“

Kommunen und Grenzregionen als Vorbild

In den Grenzregionen werde eine solche Denkweise allerdings vorgelebt. Selbst wenn die Städte beim Ringen um pragmatische Lösungen vor Ort immer wieder an bürokratische Hürden auf nationalstaatlicher Ebene stießen. Diese Hemmnisse gelte es zu überwinden, so Mentrup. „Uns standen die nationalen Ebenen im Wege“, sagt Ursu angesichts der regionalen Anstrengungen im Kampf gegen Corona.

Dabei könnten die grenzüberschreitenden Erfahrungen der Kommunen doch Vorbild für ein stärkeres Zusammenwachsen in Europa sein. Mentrup verweist auf den zuletzt zwischen der deutschen und der französischen Regierung geschlossenen „Aachener Vertrag“. Demnach sollten Grenzregionen die Rolle eines „Experimentierraums“ einnehmen und Modelle für eine stärkere europäische Vernetzung entwickeln.

Ohnehin bildeten die Kommunen und vor allem die Grenzregionen ein Fundament der europäischen Idee. Sie seien die „Nahstellen“ Europas, sagt Conradt. Umso wichtiger sei deren Repräsentanz in den Entscheidungsprozessen der EU. Doch auch hier gebe es Defizite: Es gelte, die Prinzipien der Multilevel Governance in Europa stärker zu verankern, so Mentrup. Ohnehin seien die deutschen Kommunen im Ausschuss der Regionen auf EU-Ebene bislang keineswegs ausreichend repräsentiert.

a.erb(*)derneuekaemmerer(.)de

Info

Das vollständige Interview mit den drei Oberbürgermeistern ist hier abrufbar.

Mehr zum Thema finden Sie auch auf der DNK-Themenseite Stadt von Morgen.

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