Die Stadt Bochum hat mitten in der Pandemie eine Anleihe emittiert – mit einem Volumen von 250 Millionen Euro noch dazu die größte, die je eine einzelne Kommune aufgelegt hat. Wieso haben Sie ausgerechnet diesen Zeitpunkt gewählt?
Eva-Maria Hubbert: Wir haben in der Kämmerei ein Expertenteam, das die verschiedenen Kapitalmarktinstrumente sehr gut kennt und regelmäßig evaluiert. Nach dem Erfolg der bundesländerübergreifenden Städteanleihe im Herbst 2018 haben wir in unserem Team frühzeitig entschieden, nochmals eine Anleihe aufzulegen, insgesamt unsere vierte. Wir haben gehofft, so eine günstigere Finanzierung zu bekommen als bei einem klassischen Darlehen.
Frank Zillmann: Außerdem wollen wir regelmäßig am Kapitalmarkt auftreten. Die Anleihe ist ein adäquates Mittel, um bei Investoren im Gespräch zu bleiben. Die Platzierung hatten wir schon 2019 vorbereitet. Dann hat die Coronakrise das Verfahren aber ausgebremst und uns gezwungen, die Anleihestruktur umzubauen und den Zeitplan anzupassen. Nachdem es zu Beginn der Krise Liquiditätsengpässe bei Bankkrediten gegeben hatte, haben wir uns entschieden, das Verfahren fortzusetzen, allerdings in dem Bewusstsein, es vielleicht doch noch mal verschieben oder anhalten zu müssen.
Wäre ein Schuldschein keine Alternative gewesen?
Frank Zillmann: Schuldscheine sind vom Volumen her eher kleiner. Wir wollten mindestens 150 Millionen Euro aufnehmen, das wäre vielleicht noch gegangen. Aber man erreicht mit einem Schuldschein nicht so ein breites Publikum wie mit einer Anleihe.
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Haben Sie gezielt neue Investorengruppen angesprochen?
Frank Zillmann: Wir konnten mit der Anleihe Investoren aus dem Ausland, Förderbanken und Sparkassen erreichen, die sich beim Schuldschein nicht sofort angesprochen fühlen würden.
Eva-Maria Hubbert: Außerdem können Banken die Anleihe – anders als einen Schuldschein – als langfristiges Hinterlegungsinstrument bei der Europäischen Zentralbank nutzen, um sich zu refinanzieren.
Für die Stadt Bochum war es die vierte Emission einer Anleihe, nach einer eigenen Anleihe 2016 sowie der Beteiligung an der zweiten NRW-Gemeinschaftsanleihe 2015 und der ersten bundesländerübergreifenden Städteanleihe 2018. Hat sich der Prozess beim aktuellen Bond von den bisherigen unterschieden?
Frank Zillmann: Wir hatten ursprünglich einen Floater auf Euribor-Basis geplant. Diesen Plan haben wir aber schon im Frühstadium verworfen und sind auf eine langfristige Zinsbindung gegangen, weil das Zinsniveau niedrig war. Wegen Corona haben wir eigentlich nur am Zeitablauf geschraubt und außerdem Flexibilität für das Verfahren vorgehalten. Besonders schwierig war, dass wir zum Ende der Platzierung die Laufzeit möglichst lange nach oben offenhalten wollten – also nicht zehn Jahre als festes Ziel setzen, sondern eventuell aufgrund des niedrigen Zinsniveaus auch auf elf, zwölf oder 13 Jahre gehen, weil die Rendite der Anleihe sonst unter Umständen ins Minus gerutscht wäre.
Inwiefern hat die Krise die Emission sonst beeinträchtigt?
Eva-Maria Hubbert: Wir waren anfangs besorgt, weil die erste Welle im Frühjahr zu erhöhter Volatilität an den Zinsmärkten geführt hat. Seitdem hat sich der Kapitalmarkt aber wieder entspannt – sowohl bei den Zinsen als auch bei der Nachfrage.
Frank Zillmann: Wir hatten Glück, dass wir mit der Anleihe erst in die zweite Welle hineingekommen sind. Wären wir im April unterwegs gewesen, wäre die Platzierung deutlich schwieriger gewesen. In der ersten Welle gab es starke Irritationen im Interbankenmarkt, ähnlich wie in Zeiten der Finanzkrise.
Wie zufrieden waren Sie jetzt mit dem Interesse der Investoren?
Eva-Maria Hubbert: Sehr zufrieden. Wir waren vorher gar nicht sicher, ob wir 250 Millionen Euro einsammeln können. Am Ende hätten wir sogar 400 Millionen Euro aufnehmen können. Das hat uns das Vertrauen der Investoren in die Anleihe und in die Stadt Bochum gezeigt. Kommunen sind dem Grunde nach insolvenzfest, aber es gibt trotzdem Unterschiede. Die Nachfrage hat uns gezeigt, dass Bochum auf einem guten Weg und die Haushaltslage sicher ist. Auch die Wirtschaftskraft verbessert sich immer weiter.
Frank Zillmann: Wir können insbesondere auch deshalb zufrieden sein, weil die EU, der Bund und die Länder mit der zweiten Coronawelle viele Angebote für die Refinanzierung von Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht haben. Das sättigt die Investorennachfrage.
Also ist alles rund gelaufen? Man kann sich kaum vorstellen, dass es hinter den Kulissen nirgendwo gehakt hat.
Eva-Maria Hubbert: Natürlich ist eine Anleihe erheblich aufwendiger als ein Schuldschein oder ein Kredit. Aber der Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Frank Zillmann: Es war ja mittlerweile auch das vierte Verfahren in dieser Form. In diesem Fall ist aber wirklich alles rund gelaufen. Wir hatten keinerlei Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Konsortium oder den Investoren. Am Ende mussten wir den Marktauftritt nur noch um einen Tag verschieben, weil der Ausgang der US-Wahl lange unklar war. Aber das war eine äußere Störung, die sich sonst nicht weiter ausgewirkt hat.
Ist die Kommunalanleihe ein reines Erfolgsprodukt, auch in konjunkturell äußert schwierigen Zeiten?
Frank Zillmann: Uns hat die Transaktion gezeigt, dass Investoren ein großes Interesse an kommunalen Schuldtiteln haben. Wir können Kommunen, die diesen Weg bisher noch nicht gegangen sind, deshalb nur dazu ermutigen, zum Beispiel zusammen mit anderen Kommunen in Form einer Gemeinschaftsanleihe. Dann ist es leichter, das Verfahren zu lernen. Das gilt auch für Kommunen außerhalb von Nordrhein-Westfalen: Wir sollten uns die Hände reichen und so etwas gemeinsam durchexerzieren. Für uns als Kommunen ist es generell wichtig, dass wir uns angesichts der zunehmenden Bankenregulierung weitere Finanzierungsquellen erschließen.
Info
Dieses Interview ist zuerst in der Ausgabe 4/2020 der Zeitung Der Neue Kämmerer erschienen.
Aktuelle News zu kommunalen Anleihen und Schuldscheinen finden Sie auf der DNK-Themenseite Alternative Finanzierungen.