Christian Schmetz, Kämmerer und Erster Stadtrat in Göttingen, spricht über die Aktualisierung der Anlagerichtlinie.

Herr Schmetz, was war der Auslöser für die Überarbeitung der Nachhaltigkeitskriterien in der Anlagerichtlinie der Stadt Göttingen?
Noch vor meiner Zeit als Kämmerer in Göttingen ist die Stadt 2017 mit den Nachhaltigkeitskriterien gestartet. Damals hatte man sich stark am Beispiel von Münster orientiert. Unsere Nachhaltigkeitskriterien der ersten Stunde waren allesamt in der Logik der Negativabgrenzung verfasst. Beispielsweise heißt es dort: „… keine Beteiligung an Unternehmen, die Kinderarbeit zulassen“. Gleiches gilt etwa auch für Atomenergie oder Fracking. Jetzt haben wir in unserem Paragraph 11 der Anlagerichtlinie das Aktive vorangestellt. Dort heißt es jetzt „Vorrangig setzt die Stadt Göttingen auf …“.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Nachhaltigkeit?
Mit dem Thema Green Finance beschäftige ich mich schon seit meiner Berliner Zeit. Ab 2009 war ich bei der BaFin und seit 2012 im Bundesfinanzministerium, 2013 bin ich in die Bundestagsfraktion von CDU/CSU gewechselt. Diesen Hintergrund habe ich 2018 mit nach Göttingen genommen. Außerdem engagiere ich mich als Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Städtetags in der Arbeitsgemeinschaft Sustainable Finance.

Noch sind „Weichmacher“ in der Anlagerichtlinie enthalten

Im Vergleich liest sich die aktualisierte Anlagerichtlinie teils schwammiger formuliert als die frühere Fassung. Beispielsweise heißt es jetzt „grundsätzlich anzustreben sind …“. Warum ist das so?
Diese Weichmacher in der Anlagerichtlinie haben ihre Gründe. Bei Produkten wie ETFs und Fonds ist es schwierig, in jedem Punkt den Nachhaltigkeitsnachweis zu erbringen. In der Kontrolle und Umsetzung sind wir so nie zu 100 Prozent auf der sicheren Seite. Dafür sind wir jetzt an vielen anderen Stellen deutlich konkreter, etwa bei Laufzeiten, Fristigkeiten oder der Renditeerwartung. Dort hatten wir vorher beispielsweise den Begriff „angemessen“ aufgenommen. Die Rückmeldungen vom Rechnungsprüfungsamt, unserer Sparkasse und Berater, die den Prozess eng begleitet haben, haben uns jetzt dazu bewogen, an diesen Stellen etwas forscher aufzutreten.

Wie werden sich die Anlagerichtlinie und die Investitionen der Stadt weiter entwickeln?
In zwei bis drei Jahren wird sicher das nächste Update nötig sein. Der Markt verändert sich schnell. Ich bin zuversichtlich, dass wir dann unseren Fokus noch stärker auf Nachhaltigkeit ausrichten können und dass einige der „Weichmacher“ verschwinden werden. Aber jetzt warten wir erst mal ab, was uns die EU-Taxonomie noch auferlegen wird. Der Zuspruch vom Rat der Stadt für die Änderung der Anlagerichtlinie war enorm, sie ist einstimmig beschlossen worden. Das ist ein großer Erfolg in einer sehr diskussionsfreudigen Stadt wie Göttingen.

ak.meves@derneuekaemmerer.de

Info

Das hier veröffentlichte Interview mit Göttingens Kämmerer Christian Schmetz ist zuerst in der aktuellen Zeitungsausgabe 4/2022 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier geht es zum Abo und hier zur Newsletter-Anmeldung.

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