Die Europäische Zentralbank lockert ihre Geldpolitik noch weiter. Kritiker sprechen von einer „geldpolitischen Irrfahrt“ und warnen vor der Destabilisierung der Finanzmärkte.

Paukenschlag in Frankfurt am Main: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Kurs nochmals verschärft. Im Kampf gegen die aus EZB-Sicht zu niedrige Inflation wurde der Leitzins erstmals auf 0 Prozent gesetzt. Zugleich verschärfen die Währungshüter rund um EZB-Chef Mario Draghi den Strafzins für Banken. Statt 0,3 Prozent müssen Banken künftig 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Guthaben über Nacht bei der Notenbank parken.

 

Zudem weitet die EZB ihr Kaufprogramm für Staatsanleihen und andere Wertpapiere aus. Statt 60 Milliarden Euro will die Notenbank 80 Milliarden Euro pro Monat ausgeben – und erstmals auch Unternehmensanleihen erwerben. Ab Juni wird die EZB den Banken im Euroraum weitere zielgerichtete Langfristkredite mit vier Jahren Laufzeit anbieten  – mit negativen Zinsen. Mit diesen Maßnahmen will die EZB die Banken dazu bringen, mehr Kredite zu vergeben. Die Wirtschaft soll angekurbelt und der Preisverfall gestoppt werden.

Deutsche Bankenlobby läuft Sturm gegen EZB

Während der DAX kurzzeitig anzog – wenn auch nicht so stark wie bei früheren geldpolitischen Lockerungen der EZB –, sehen sich die Banken in ihren Befürchtungen bestätigt. „Die Zinsentscheidung der EZB verstärkt den Abwärtsstrudel für die Sparer. Langfristige Altersvorsorgekonzepte werden ebenso entwertet, und  zinsabhängige Institute werden in risikoreichere Geschäfte gedrängt“, sagt Liane Buchholz, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken.

 

Es sei absolut unnötig, die deutsche Kreditwirtschaft zu einer umfangreichen Kreditvergabe zu nötigen, die Kreditversorgung funktioniere bestens. „Für die Kreditvergabe der Banken ist die weitere Lockerung der Geldpolitik eher schädlich. Denn der Liquiditäts-Tsunami sorgt für höchst volatile Märkte, und der Handlungsspielraum wird damit weiter eingeengt“, sagt Buchholz. Die Banklobbyistin rechnet damit, dass es wegen der „geldpolitischen Irrfahrt“ der EZB auf lange Sicht zu einer Destabilisierung des Finanzsystems kommen könnte. Der Bundesverband deutscher Banken bezeichnete die neuen EZB-Maßnahmen als „vollkommen unnötig“.

Sparkassen verlangen von EZB „Politik der ruhigen Hand“

Auch die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe kritisieren die EZB-Geldpolitik scharf. Die expansiven Maßnahmen der EZB seien in der Vergangenheit weitgehend ohne realwirtschaftliche Effekte geblieben. Die Politik der Notenbank könne sogar ins Gegenteil umschlagen: „Vor allem leistet die EZB mit übereilten geldpolitischen Maßnahmen einer Krisenstimmung und damit einem weiteren Vertrauensverlust im Euroraum Vorschub“, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier. „Die Glaubwürdigkeit der Notenbank droht Schaden zu nehmen, wenn sie permanent trotz höchstem Aktionismus ihre eigenen Ziele verfehlt.“ Gerade in Zeiten nervöser Finanzmärkte sollte die EZB sich um eine „Politik der ruhigen Hand“ bemühen. 

 

Ein Dorn im Auge ist den Experten der Sparkassen vor allem die von der EZB vorgenommene Ausdehnung der Negativzinsen. „Damit entstehen bereits heute neue Risiken und enorme Nebenwirkungen für Banken und Finanzmärkte, die mit Blick auf die Finanzmarktstabilität kritisch sind“, so Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba, die das gemeinsame Positionspapier der Chefvolkswirte mit vorbereitet hatte.

 

In der Tat scheint sich das negative Zinsumfeld auszuweiten. Die Berlin Hyp hat in dieser Woche einen Pfandbrief über 500 Millionen Euro herausgegeben, die mit 0 Prozent verzinst wird – ein Novum in der Geschichte des deutschen Finanzmarkts. Wegen der hohen Nachfrage sank die Emissionsrendite am Ende auf minus 0,162 Prozent. Investoren, die das Papier drei Jahre lang halten, verlieren also Geld, statt von Zinszahlungen zu profitieren.

 

a.mohl(*)derneuekaemmerer(.)de

 

 

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