Das Grundprinzip der Nachhaltigkeit ist ein strategischer Baustein des öffentlichen Handelns in öffentlichen Verwaltungen geworden. Mit den „Sustainable Development Goals“ (SDGs) haben die Vereinten Nationen im Jahr 2015 einen Orientierungspunkt mit 17 politischen Zielsetzungen für eine nachhaltige Entwicklung festgelegt.
Die SDGs haben sich dabei trotz hohem Abstraktionsgrad als Basis für Steuerungsinstrumente in öffentlichen Haushalten herauskristallisiert und berücksichtigen die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichermaßen: Umwelt, Soziales und Wirtschaft.
CSR als Eckpfeiler in der EU
In der EU hat sich als Eckpfeiler nachhaltigen unternehmerischen Handelns die „Corporate Social Responsibility“ (CSR) etabliert. Nach der Veröffentlichung der „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)“ im EU-Amtsblatt am 16. Dezember 2022 müssen alle großen Kapitalgesellschaften ab 2025 eine Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht veröffentlichen.
Da bei vielen verselbständigten Aufgabenbereichen laut den Vorschriften der Gemeindeordnungen oder Kommunalverfassungen die Finanzberichterstattung wie bei großen Kapitalgesellschaften zu erfolgen hat, sind viele Beteiligungen der öffentlichen Hand unabhängig von ihrer Größe nach dem jetzigen Regelungsstand somit ebenfalls zu einer entsprechenden Berichterstattung verpflichtet.
Der politische Druck wächst
Für die öffentliche Hand selbst besteht eine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht. Doch nicht nur der politische Druck zur Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in den Haushalten wird größer. Die regulatorischen Anforderungen der Kreditinstitute, bei der Kreditvergabe Nachhaltigkeitsaspekte einzubeziehen, bzw. die Emission grüner Anleihen der öffentlichen Hand selbst („Green Bonds“) verstärken die Bedeutung einer Nachhaltigkeitssteuerung beträchtlich.
Ob die SDGs der Vereinten Nationen langfristig als konzeptionelle Grundlage geeignet sind, ist jedoch angesichts der doch größeren Unterschiede zu der CSRD der EU fraglich. Letztere ist eher aus dem Blickwinkel von Investoren und der Finanzierung entwickelt worden.
Konkrete Kriterien für Kommunen
Viele öffentliche Verwaltungen haben nach den abstrakten SDG-Indikatoren der UN, die Institutionen wie etwa der Deutsche Städtetag und die Bertelsmann Stiftung spezifiziert haben, eigene Kriterien entwickelt und eine darauf aufbauende Berichterstattung festgelegt.
Unter Führung der Bertelsmann Stiftung sind auf Basis eines Internetportals (SDG-Portal.de) die Kennzahlen der Städte und Gemeinden teilweise eingepflegt worden und öffentlich abrufbar. Weiterhin hat das Land Baden-Württemberg schon 2015 einen Leitfaden zur Erstellung von kommunalen Nachhaltigkeitsberichten für die Kommunen entwickelt.
Wirkungen einbeziehen
Für die öffentliche Hand mit einer multiplen Zielstruktur, die nicht nur finanzieller Art ist, ergeben sich daraus erhebliche Herausforderungen bei der Steuerung und der Berichterstattung. Die Anforderungen sind jedoch nicht neu. Mit dem Neuen Steuerungsmodell (NSM) hat die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement ein solches Instrument der Steuerung entwickelt.
Die Anwendung des NSM wurde mit der Einführung der Doppik für die Kreise, Städte und Gemeinden grundsätzlich verpflichtend. Dabei sollen in einem produktorientierten Haushalt Ziele und Kennzahlen zur Steuerung festgelegt werden. Viele öffentliche Institutionen haben zur Steuerung auf Produktebene die SDG-Indikatoren eingepflegt und Kennzahlen gebildet. Die besondere Herausforderung ist dabei, die Wirkungen der öffentlichen Hand auf die Umwelt, Gesellschaft und Bürger mit in die Haushaltssteuerung einzubeziehen.
Akzeptanz des NSM schwindet
Die Akzeptanz des NSM zur Steuerung von Haushalten hat jedoch in den vergangenen Jahren nachgelassen. Gründe hierfür sind die Divergenz des politischen Handelns in Bezug auf die Anforderungen der Steuerung nach dem NSM sowie die Notwendigkeit der Steuerung aktueller Krisenlagen. Als vorteilhaft hat sich das NSM jedoch beispielsweise bei der sogenannten Outputsteuerung und darauf basierend bei der Abbildung und Steuerung operativer, nicht finanzieller Zielsetzungen im Produkthaushalt erwiesen.
Ein vollständiger Systemwechsel zur Steuerung von Haushalten weg vom NSM auch für Nachhaltigkeitsaspekte wäre jedoch mit besonderen Herausforderungen verbunden. Für die Steuerung der Nachhaltigkeit in den Haushalten sollten Kommunen das NSM eher konzeptionell weiterentwickeln: So können Kämmerer übergreifende strategische Ziele in den Vorberichten zu den Haushaltsplanungen darstellen und daraus operative Maßnahmen ableiten. Weiterhin sind die Messgrößen der Zielerreichung sowie die Auswirkungen auf die einzelnen Produkthaushalte abzubilden. Viele Städte und Gemeinden haben bereits eine Nachhaltigkeitssatzung beschlossen, die diesen Anforderungen in großen Teilen entspricht.
Keine festen Standards
Die Einbindung der Politik, insbesondere der Ausschüsse, stellt die öffentlichen Institutionen vor besondere Herausforderungen. Oft hängt die Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung aber von den handelnden Personen ab. Weiterhin stellt sich die Frage nach der Festlegung von Berichtsstandards bei nicht finanziellen Zielsetzungen.
Durch die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung und das deutsche Handelsrecht (beispielsweise § 289c des Handelsgesetzbuchs) ist die Berichterstattung zum Beispiel als zusätzliches Element des Lageberichts konkret ausgestaltet. In den öffentlichen Verwaltungen haben sich separate Berichte zur Nachhaltigkeit etabliert.
Verbindlichkeit Fehlanzeige
Letztlich stellt sich die Frage, wie verbindlich Nachhaltigkeitsaspekte in den öffentlichen Haushalten eingebunden werden können. Eher unverbindliche Vorgaben führen dazu, dass die Nachhaltigkeitssteuerung sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Eine Festlegung solcher Aspekte in den Vorschriften der Gemeindeordnung oder Kommunalverfassungen ist zurzeit aber nicht in Sicht.
andreas.juergens@bdo-concunia.de