130 Milliarden Euro umfasst das Konjunkturpaket der Bundesregierung gegen die Coronakrise. Doch die erhoffte Altschuldenlösung bleibt aus. Das sorgt mancherorts für Enttäuschung. Beispiel: Pirmasens.

„Wie eine kalte Dusche wirken“ – wer auf der Webseite des Duden nach Synonymen für den Begriff „Desillusionieren“ sucht, findet diese Redewendung. Und so, wie eine kalte Dusche, muss das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket, das Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgestern in Berlin vorgestellt hatte, auf Markus Zwick (CDU) gewirkt haben. 

Zwick ist Oberbürgermeister der rheinland-pfälzischen Stadt Pirmasens. Was die Prokopfverschuldung angeht, ist die hochverschuldete Stadt eine Spitzenreiterin in Deutschland. Rund 10.000 Euro sind es pro Bürger. Etwa 40.000 Einwohner hat Pirmasens – und Liquiditätskredite in Höhe von rund 355 Millionen Euro. Die Zahlen treiben jedem Kämmerer Schweißperlen auf die Stirn.

Thema Altschulden wurde ausgeklammert

Mit den sich in der Coronakrise anbahnenden Hilfen für Kommunen hatte Zwick die berechtigte Hoffnung, dass sich auch das Altschuldenproblem der Stadt entschärfen könnte. Schließlich hatte Finanzminister Scholz seine Vorschläge zur Coronahilfe mit der Idee verknüpft, das Altschuldenproblem hochverschuldeter Städte zu lösen. Der Bund und die betroffenen Länder hätten deren Schulden hälftig übernommen, lautete der Vorschlag. Es wäre ein Befreiungsschlag für Städte wie Pirmasens gewesen. Doch über eine Altschuldenlösung steht im Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket keine Zeile.

Gestern äußerten sich Zwick und der Pirmasenser Finanzbürgermeister Michael Maas (CDU) bei einer Pressekonferenz zum Konjunkturpaket. „Wir begrüßen grundsätzlich das Konjunkturprogramm, das der Bund auf die Beine gestellt hat“, sagte Zwick diplomatisch. Es helfe den Kommunen, die Folgen der Coronakrise zu bewältigen. Dann folgte das Aber: „Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass das Thema Altschulden ausgeklammert wurde.“ 

Damit bleibe das Altschuldenproblem ungelöst. Am Grundproblem der Stadt und ihrer prekären Finanzsituation ändere sich nicht das geringste. Zwick weist darauf hin, dass die Stadt von Bund und Land stets neue Aufgaben zugewiesen bekomme, doch deren Finanzierung nicht gegeben sei. Die Stadt streitet deswegen auch rechtlich vor dem rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht für eine auskömmliche Finanzierung und die Einhaltung des Konnexitätsprinzips.

„Nur ein Tropfen auf den heißen Stein“

Das Konjunkturprogramm sieht unter anderem vor, dass Bund und Länder die Gewerbesteuerausfälle übernehmen, die sich in der Coronakrise für die Kommunen ergeben. Dies kostet den Bund rund 5,9 Milliarden Euro. Außerdem möchte der Bund seinen Anteil an den Kosten der Unterkunft grundsätzlich auf bis zu 75 Prozent erhöhen. Dies bedeutet Bundesmittel in Höhe von jährlich rund vier Milliarden Euro. Doch dies sei nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Zwick. Diese Einschätzung eines insgesamt 130 Milliarden Euro „schweren“ Programms ist erstaunlich. 

Doch bei den Kosten der Unterkunft verzeichne die Stadt eine Unterdeckung von 6,3 Millionen Euro. Die neue Regelung führe dazu, dass davon wohl 2,8 Millionen Euro aufgefangen würden. „Das ist ein Bruchteil dessen, was unseren Haushalt belastet“, rechnet Zwick. Allein das Defizit im Sozialbereich betrage einen zweistelligen Millionenbetrag, der durch die Coronakrise auf voraussichtlich 30 Millionen Euro anwachse.

Auch Finanz- und Baubürgermeister Maas warnt: Würde das Konjunkturpaket dazu führen, dass Kommunen gerade im Kita- oder Betreuungsbereich in Ausbauten und die Anhebung von Standards investierten, sei umso mehr zu befürchten, dass damit langfristig neue Kosten auf sie zukämen, was den Unterhalt und die personelle Ausstattung angeht. Außerdem befinde sich die Baubranche derzeit ohnehin in einer überhitzten Lage – setze man für die Konjunkturmaßnahmen also zu kurze Fristen, drohten zusätzliche Verteuerungen.

Appell an Bund und Länder zu Altschuldenlösung

Zwick hat sich schon früh für die Scholz-Idee ausgesprochen, die Coronahilfe mit einer Altschuldenlösung zu verknüpfen. Für ihn selbst war das ein Wagnis: Denn die Landes-SPD versuchte, aus den Forderungen des CDU-Oberbürgermeisters in der politischen Debatte mit der CDU um die Ideen von SPD-Bundesfinanzminister Scholz Kapital zu schlagen. Doch der Oberbürgermeister lässt sich vom politischen Schlagabtausch nicht beirren. Ihm geht es um die Sache.

„Derzeit besteht eine historisch einmalige Chance für eine Altschuldenlösung“, sagt Zwick. Das Zinsniveau sei auf einem Tiefstand. Steige es, bedeute dies nicht nur noch höhere Zinsbelastungen für Städte wie Pirmasens, sondern dies mache es auch „noch schwieriger, zu einem späteren Zeitpunkt eine Lösung für das Problem zu finden.“

Zwick sieht das Land in der Pflicht, für eine auskömmliche Finanzierung seiner Kommunen zu sorgen. Zudem appelliert er an den Bund, im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse weiter an einer Altschuldenlösung zu arbeiten. „Es wäre fatal, wenn man das Thema auf Bundesebene von der Agenda nehmen würde.“ Die Hoffnung stirbt auch in Pirmasens zuletzt.

a.erb(*)derneuekaemmerer(.)de

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