Das Bundesfinanzministerium (BMF) um Olaf Scholz (SPD) will einen 57 Milliarden Euro großen Schutzschirm über den Kommunen aufspannen, um Städte und Gemeinden in der Coronakrise zu unterstützen. Das geht aus einem Konzeptpapier hervor, das auch der DNK-Redaktion vorliegt. Das BMF will mit dem Hilfsfonds zum einen den Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen abfedern.
Der andere weitaus hitziger diskutierte Teil sieht indes eine Übernahme der Altschulden von 2.000 Kommunen vor, die ein solch hohes Maß an Kassenkrediten angesammelt haben, dass sie diese Last nicht allein schultern können. Das BMF beziffert das Volumen auf rund 45 Milliarden Euro.
Kommunen: 45 Milliarden Euro Entlastung?
Bundesfinanzminister Scholz will die betroffenen Kommunen laut Konzeptpapier einmalig entlasten. Als übermäßig gelten die Schulden der Kommunen laut BMF dann, wenn Liquiditätskredite nicht für Investitionen oder Kommunalvermögen aufgenommen worden sind, sondern für eigene Zwecke. Zudem müssen sie einen Sockelbetrag von 100 Euro pro Einwohner überschreiten. Bereits angelaufene kommunale Entschuldungsprogramme wie beispielsweise in Niedersachsen, Hessen, Saarland und Brandenburg sollen ebenso wie die Stadtstaaten bei der Altschuldenhilfe berücksichtigt werden.
Der Bund will dem Konzeptpapier zufolge den hochverschuldeten Kommunen die Hälfte ihrer Verbindlichkeiten abnehmen, die andere Hälfte sollen die Länder tragen. Dabei will sich das BMF eines Tricks behelfen: Die Länder würden ihren Kommunen einem ersten Schritt die Altschulden abnehmen. Das geschieht in dem Wissen, dass der Bund wiederum in einem weiteren Schritt 50 Prozent dieser Schulden übernimmt.
Die gute Nachricht für Kämmerer: Der Bund will auf diese Weise 22,6 Milliarden Euro der Altschulden übernehmen. Zieht man den Anteil der Länder hinzu, ist dies in etwa jene Summe, die im Herbst 2019 in Aussicht gestellt wurde, als Scholz seine Pläne bezüglich des Schuldenschnitts erstmals publik gemacht hatte.
Die Hälfte der Altschulden soll der Bund übernehmen, die andere Hälfte die Länder.
Der damalige Vorstoß des BMF war allerdings im März dieses Jahres unter anderem am Widerstand des Koalitionspartners CDU/CSU gescheitert. Nachdem der erneute Versuchvon Scholz nun öffentlich wurde, positionierten sich wieder namhafte Unionspolitiker wie Bayerns Finanzminister Albert Füracker und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, um Widerstand gegen eine Altschuldenlösung anzukündigen.
Altschulden: Gesunde Skepsis angebracht
Entsprechend sollten Kämmerer den Scholz-Plan noch mit einer angemessenen Portion Argwohn zur Kenntnis nehmen. Denn um die Uraltverbindlichkeiten abzunehmen, braucht es einer Änderung des Grundgesetzes. Dafür ist Scholz auf die Hilfe des Koalitionspartner CDU/CSU angewiesen. Der Kabinettsbeschluss soll bis zur Sommerpause stehen, der Bundesrat könnte die Änderung dann im November durchwinken.
Scholz hat in sein Konzeptpapier eine interessante Klausel eingebaut, die den Widerstand aufweichen könnte: Alle Länder, in denen sich betroffene Kommunen befinden, hätten lediglich die Möglichkeit zur Teilnahme. Von Zwang ist keine Rede.
Gegner der Altschuldenlösung müssen sich also nicht beteiligen – es steht ihnen offen. Und wenn doch, müssten sie voraussichtlich nicht die Verbindlichkeiten von Kommunen anderer Bundesländer übernehmen. Denn nach DNK-Informationen müssten Länder ausschließlich die Schulden ihrer eigenen Kommunen begleichen.
Harte Verhandlungen stehen bevor
Durch die Optionsklausel dürfte es auch bei CDU/CSU Interessenskonflikte geben. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet etwa ist Unionspolitiker, seine Kommunen tragen aber gleichzeitig einen riesigen Schuldenberg vor sich her. Es ist eine einmalige Chance, die Städte und Gemeinden von dieser Last zu befreien. Das Angebot von Finanzminister Scholz könnte sich für Laschet als zu verlockend erweisen, als dass er es ablehnen könnte. Aber auch Gegnern wie Bouffier oder Füracker wird es schwer fallen, ihren Kommunen zu erklären, warum sie die Offerte des BMF nicht annehmen würden, wenn sie es durch das Kabinett und den Bundesrat schafft.
Bis zur Sommerpause stehen jetzt harte Verhandlungen an. Das Konzeptpapier wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit noch einmal abgeändert. Aber aufgrund der „Opt-in-Klausel“ scheint es derzeit unwahrscheinlich, dass sich ein unüberwindbarer Widerstand formiert.
Info
Korrektur: In einer früheren Version hieß es, die Altschuldenhilfe sei doppelt so groß wie noch im Herbst 2019 in Aussicht gestellt. Tatsächlich ist das Volumen in etwa gleich. Wir haben den Fehler korrigiert.
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