Mehrere Thüringer Landkreise erwägen, gegen säumige Kommunen per Zwangsvollstreckung vorzugehen – manche tun dies sogar schon. Oft geht es dabei um zum Teil erhebliche Außenstände im Bereich der Kreis- bzw. Schulumlage. So wurde 2013 gegenüber acht Gemeinden eine Zulassungsverfügung für den jeweiligen Landkreis erlassen, gegen vier weitere Gemeinden wurden Zulassungsverfügungen beantragt, heißt es vom Thüringer Landesverwaltungsamt, das die Zwangsvollstreckung genehmigen muss.
Die Situation in Thüringen beunruhigt Kämmerer und Kommunalfinanzierer deutschlandweit, auf dem diesjährigen Deutschen Kämmerertag in Berlin wurde das Thema intensiv diskutiert – oft in kleinen Kreisen oder hinter vorgehaltener Hand, schließlich steckt ein veritabler Tabubruch dahinter. Offen verärgert über Thüringen ist Würzburgs Stadtkämmerer Christian Schuchardt: „Die Situation in Thüringen ist ein negatives Signal für die gesamte kommunale Szene. Bislang gibt es keine Zahlungsschwierigkeiten einer Kommune in Deutschland, diese historische Tatsache darf auch für die Zukunft nicht gefährdet werden.“ Auch wenn es sich dabei um Vorgänge zwischen Gemeinden und ihren Landkreisen handelt, sei dies daher auch kein verwaltungsinterner Vorgang, findet Schuchardt und fordert: „Das Land Thüringen muss die Zahlungsfähigkeit seiner Kommunen anders wieder herstellen, vor allem durch eine bessere Finanzausstattung.“
“Keine Einstandspflicht”
Während also eine Woge des Unmuts über den Freistaat durch die kommunale Szene deutschlandweit schwappt und die kommunalen Spitzenverbände nicht müde werden, immer wieder auf die stabile föderale Haftungskette hinzuweisen, lehnt sich das Land Thüringen zurück. So sagte Hans-Jörg Kolbeck, Referatsleiter für Kommunalrecht und kommunale Finanzen beim Thüringer Landesverwaltungsamt, gegenüber der DNK-Redaktion, dass nach „Einzelfallprüfung und im Rahmen der verfügbaren Mittel“ notleidende Kommunen Zuweisungen aus dem Landesausgleichsstock erhalten könnten. Aber: „Eine gesetzliche Einstandspflicht des Freistaates Thüringen für eine zahlungsunfähige Kommune gibt es nicht.“
Wollen die verantwortlichen Kommunalfinanzierer am Ende aber nicht die Dummen sein, sollten sie sich zumindest bei den betroffenen Thüringer Kommunen die Situation zeitnah sehr genau anschauen, denn: „Soweit dieselben Vermögensgegenstände betroffen sind, hat der Gläubiger das Erstzugriffsrecht aus der Zulassungsverfügung, der zuerst die Vollstreckung aus der Zwangsvollfügung einleitet“, so Kolbeck. Heißt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Hinzu kommt, dass keine Pfändung von Vermögenswerten möglich ist, die für die Erfüllung von kommunalen Pflichtaufgaben notwendig ist. Das Rathaus kann also nicht gepfändet werden, offenen Forderungen, Gewinnanteile aus Beteiligungen oder auch der Erlös aus einer Zwangsversteigerung des – beispielsweise – kommunalen Waldes aber schon.
Finanzminister am Zug
Für die aktuelle Situation sieht der thüringische Gemeinde- und Städtebund vor allem den thüringischen Finanzminister in der Verantwortung: „Bei der Berechnung der Finanzausgleichsmasse hat sich das Land künstlich arm gerechnet. Das sieht man daran, dass das Land jetzt einen Überschuss von 421 Millionen Euro nicht zuletzt auf Kosten der Kommunen erzielt“, sagt Vorstandsmitglied Ralf Rusch. Auch für das Vertrauen in die Solidität der Kommunen insgesamt sei es sehr wichtig, dass die Landesregierung die Situation möglichst schnell kläre: „Wir fordern an dieser Stelle eine genaue Analyse der tatsächlichen Verhältnisse und dann gegebenfalls eine Nachbesserung des kommunalen Finanzausgleichs“, so Rusch.
Einer der betroffenen Kreise ist der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Insgesamt 3,1 Millionen Euro Kreis- um Schulumlage sind fünf Gemeinden aus diesem Kreis schuldig. „Die fünf Kommunen haben zum Teil seit über einem Jahr keine Kreis- und Schulumlage gezahlt. Erst als mein Vorgänger im April die Zulassung der Zwangsvollstreckung beantragt hat, kam Bewegung in die Sache“, berichtet Kreiskämmerer Ulf Ryschka. Mit der Zwangsvollstreckung im Nacken zeigen sich die betroffenen Bürgermeister inzwischen gesprächsbereit. Ryschka hat deshalb das Landesverwaltungsamt gebeten, zunächst keine Vollstreckungszulassung auszustellen. „Wir haben Gespräche mit den Bürgermeistern aller Gemeinden für Anfang Oktober vereinbart. Hier werden wir versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Denkbar sind beispielsweise Ratenzahlungen“, sagt Ryschka. „Nur wenn wir das Gefühl bekommen, dass keine Gesprächsbereitschaft und kein Lösungswille vorliegen, werden wir als ultima ratio auf die Zwangsvollstreckung zurückgreifen.“ Auch Ryschka betont aber, dass die Situation nicht ohne den Freistaat zu regeln sei, zu groß seien zum Teil die ausstehenden Summen. „Das Finanzministerium sollte die Situation in den betroffenen Gemeinden prüfen. Denkbar wäre, dass auch rückständige Kreisumlagen in die Bedarfszuweisung oder Überbrückungshilfe eingerechnet werden“, fordert Ryschka.