Rund 700 Millionen Euro betragen die Kassenkredite der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz. Bis Ende 2022 sollen sie getilgt sein. Der Grund dafür, warum Mainz die Schulden plötzlich mit einem Schlag zurückführen kann, ist Corona. Denn die Pandemie sorgt für einen unverhofften Geldsegen. Während andere Städte unter Gewerbesteuereinbrüchen ächzen, verbucht Mainz als Standort des Impfstoffherstellers Biontech ein saftiges Gewerbesteuerplus von über einer Milliarde Euro.
Mainz: Jahresüberschuss von 1,09 Milliarden Euro
Ursprünglich rechnete die Stadt 2020 angesichts der aufziehenden Coronakrise wieder einmal mit einem Haushaltsdefizit. Zwischenzeitlich stabilisierten sich die Finanzen zwar etwas. „Die stärksten Befürchtungen, was die Einbrüche bei der Gewerbesteuer angeht, sind nicht eingetreten“, sagt der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling. Die letzten Prognosen gingen sogar von einem Jahresüberschuss im zweistelligen Millionenbereich aus. Doch umso mehr überraschen nun die tatsächlichen Zahlen: Der laufende Haushalt für 2021 schließt mit einem Jahresüberschuss von 1,09 Milliarden Euro ab.
Auch für 2022 erwartet Mainz ein sattes Plus: 490,8 Millionen Euro sollen es sein. Möglich wird der Geldsegen durch den Erfolg der ansässigen Pharmaindustrie in der Coronakrise und insbesondere die dadurch gestiegenen Einnahmen bei der Gewerbesteuer. Dies macht die bislang eher klamme Stadt zum Profiteur von Corona. Das Geld möchte sie insbesondere zum Schuldenabbau und für Investitionen in ihre Zukunft verwenden. Die Liquiditätskredite wolle man „auf Null fahren“, sagt Ebling. Damit spare die Stadt jährlich Zinsen in Höhe von rund 30 Millionen Euro. „Wir verfolgen eine nachhaltige Haushaltspolitik.“
Investitionen in die Infrastruktur und das Standortprofil
Den Geldsegen will die Stadt dazu nutzen, sich „neue Handlungsspielräume zu schaffen“, wie der Oberbürgermeister es nennt. Dabei denkt er an Investitionen in die urbane Infrastruktur und in die Stadtentwicklung. Die Stadt wolle „in Werte investieren“, sagt Ebling und meint damit Grund und Boden. So möchte sich die Kommune in Zeiten steigender Mieten mehr wohnraumpolitischen Einfluss sichern. Zudem denkt Ebling an Investitionen in nachhaltige Mobilität.
Darüber hinaus schärft die Stadt ihr Standortprofil. Anfang November präsentierte Ebling bei einer Pressekonferenz große Pläne dafür. In Mainz soll ein Biotechnologie-Campus entstehen. Dafür stellt die Stadt eine Fläche von 30 Hektar bereit. In zehn Jahren erwartet sie im Campusumfeld 5.000 Arbeitsplätze und will zu einem global führenden Standort in der Krebs- und Altersforschung werden. Ebling sieht das Fundament dafür gelegt: Er blickt auf „eine jahrelange Aufbauarbeit auf Basis einer intensiven Grundlagenforschung“ zurück.
Biotech-Campus: Stadt will „Gelingensfaktoren“ forcieren
Dies habe freilich die Stadt alleine nicht zu verantworten. Die Standortprofilierung hänge mit der Strategie des Landes Rheinland-Pfalz zusammen, das mit der Universität und der Universitätsmedizin vor Ort entsprechende Akzente gesetzt habe. Hinzu kämen ansässige Unternehmen der Pharmabranche. „Unser Ziel ist es, das Netz von Forschungsinfrastruktur und Wissenschaft am Standort enger zu knüpfen“, erklärt Ebling. „Der Standort wird umso interessanter, je qualitativ hochwertiger das Geflecht aus Forschung und Unternehmen vor Ort ist.“
In diesem Sinne wolle die Stadt die „Gelingensfaktoren“ für die weitere Standortprofilierung forcieren. Etwa soll eine internationale Schule aufgebaut werden. Ebling spricht davon, die Rahmenbedingungen für Ausgründungen zu verbessern. Außerdem gründet die Stadt eine neue Gesellschaft: einen „One-Stop-Shop“ als einheitlichen Ansprechpartner für Unternehmen, die am Standort ansässig sind oder sich in Mainz ansiedeln wollen.
Jahresüberschuss: Mainz senkt Gewerbesteuer
Begünstigend auf die Standortentwicklung soll sich die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes auswirken. Möglich wird auch dies durch den diesjährigen Milliarden-Überschuss im städtischen Haushalt. Der Hebesatz sinkt von 440 auf 310 Punkte. Rechnerisch bedeutet dies im Jahr 2022 eine Entlastung der örtlichen Wirtschaft in Höhe von 351,6 Millionen Euro. Auf diese Weise möchte die Stadt als Biotech- und Wirtschaftsstandort zusätzlich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.
Die aktuellen Erfolge von Biontech bei der Impfstofflieferung hätten das internationale Augenmerk verstärkt auf Mainz gelenkt, meint Ebling. Im Kontext der städtischen Biotech-Strategie erwartet er demnach privatwirtschaftliche Investitionen in der Größenordnung von einer Milliarde Euro in zehn Jahren. Die sollen in Baumaßnahmen, in neue Laborflächen oder in die Forschungsinfrastruktur fließen. Eblings Einschätzung erscheint realistisch: Zuletzt kündigte allein Biontech an, eine Summe in dieser Größenordnung investieren zu wollen.