Rund zwei Drittel der deutschen Unternehmen fühlen sich regelmäßig von Mängeln in der Infrastruktur in ihrer Geschäftstätigkeit behindert. 16 Prozent sprechen sogar von einer „deutlichen Beeinträchtigung“. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Trotz boomender Konjunktur und einer Vielzahl von Förderprogrammen für kommunale Investitionen hat sich die Situation seit der letzten Umfrage im Jahr 2013 noch einmal deutlich verschlechtert. Damals sahen sich „nur“ 58 Prozent der Firmen durch marode Infrastruktur beeinträchtigt. 10 Prozent gaben seinerzeit an, stark unter Infrastrukturproblemen zu leiden.
Das größte Ärgernis für die Unternehmen sind demnach marode Straßen und Brücken. Rund drei Viertel der Befragten klagen über längere Transportzeiten, die aufgrund der Holperpisten in Kauf genommen werden müssen. Aber auch im Bereich der Kommunikationsnetze liegt laut Studie einiges im Argen. 28 Prozent der Unternehmen fühlen sich dadurch „deutlich beeinträchtigt“, 44 Prozent „gering beeinträchtigt“. Interessant. In Ostdeutschland gaben fast 70 Prozent der Befragten an, durch eine mangelhafte Kommunikationsinfrastruktur ausgebremst zu werden. Noch mehr sind es mit 75 Prozent ausgerechnet in einem vergleichsweise wohlhabenden Bundesland wie Baden-Württemberg.
Fachkräftemangel verhindert Investitionen
Die Autoren der Studie äußern sich auch zu den Ursachen der von den Unternehmen beschriebenen Infrastrukturmängel. „Bei den Straßennetzen wird deutlich, dass die in der Umfrage genannten Probleme über viele Jahre hinweg durch eine Unterfinanzierung aufgebaut wurden“, heißt es dort. Derzeit fehle es allerdings weniger an Geld. Vielmehr gebe es zu wenige qualifizierte Fachkräfte in den Bauverwaltungen der Kommunen. Die versuchten zwar gegenzusteuern, allerdings sei der Markt leergefegt. Zudem würden Bauingenieure in der freien Wirtschaft deutlich bessere Konditionen vorfinden als im kommunalen Bereich, stellt die Studie fest. „Sollen die Probleme mittelfristig gelöst werden, muss vor allem die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für Bauingenieure spürbar verbessert werden“, fordern die Autoren.
KfW: Von Frankreich lernen
Das kürzlich vorgestellte KfW-Kommunalpanel 2018 hatte den Investitionsstau der Kommunen in Deutschland auf knapp 159 Milliarden Euro beziffert. Fast zwei Drittel der Kommunen in Deutschland haben demnach insgesamt einen nennenswerten oder sogar gravierenden Investitionsrückstand. Eine aktuelle Studie von KfW Research vergleicht den Investitionsrückstand der Kommunen in Deutschland und Frankreich. Eines der zentralen Ergebnisse der Untersuchung: Auch in einem internationalen Vergleich melden mit 36 Prozent überdurchschnittlich viele deutsche Kommunen einen signifikanten Investitionsrückstand. Hingegen beträgt der Anteil in Frankreich mit 17 Prozent nur rund die Hälfte des europäischen Durchschnitts von 33 Prozent.
Mehr Föderalismus wagen?
Ist der französische Zentralismus dem deutschen Föderalismus also überlegen? Nein, sagt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. „Wir können aber von Frankreich lernen, dass mehr bereitgestellte Mittel auch zu einer besseren öffentlichen Infrastruktur führen. Das ist eine Frage politischer Prioritäten und nicht des politischen Systems.“
Französische Kommunen hätten in den vergangenen Jahren schlichtweg mehr Geld in ihre Infrastruktur investiert als deutsche. Grundsätzlich sei gerade ein föderaler Staat wie Deutschland geeignet, passgenaue Lösungen für die Herausforderungen vor Ort zu finden. „Wir brauchen eine stärkere föderale Kultur. Nur wenn wir den Kommunen Freiheiten geben, auf die Herausforderungen selbstständig reagieren zu können, nutzen wir die Potenziale unseres dezentralen Staatsaufbaus sinnvoll. Das setzt aber einen klaren Aufgabenzuschnitt und eine aufgabengerechte Finanzausstattung voraus, an der es vielerorts noch mangelt“, sagt Zeuner.
a.mohl(*)derneuekaemmerer(.)de