Am vergangenen Freitag hat das Landgericht Dortmund zwei außergewöhnliche Urteile gefällt. Im Rechtsstreit zwischen der West-LB Nachfolgegesellschaft Erste Abwicklungsanstalt (EAA) mit der Stadt Bergkamen einerseits und dem Kreis Unna andererseits stufte es mehrere Zinsswapverträge als sittenwidrig und damit nichtig ein. „Diese Geschäfte verstoßen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen“, so das Gericht. Das Urteil ist ein Novum, denn bisherige Entscheidungen, die im Ergebnis zugunsten der Kommunen ausfielen, sind in der Regel lediglich durch ein Beratungsverschulden der Bank begründet worden. Damit müssen die Verträge rückabgewickelt werden. Die Stadt Bergkamen und der Landkreis Unna hatten das Argument der Sittenwidrigkeit selbst vorgebracht. „Dass dies nun in erster Instanz anerkannt worden ist, macht es weiteren betroffenen Kommunen in Zukunft leichter, da sie in Zukunft nicht mehr ein Beratungsverschulden beweisen müssen, sondern nur noch die sittenwidrige Produktstruktur der Verträge“, sagt Rechtsanwalt Dr. Jochen Weck, der die beiden NRW-Kommunen vor Gericht vertritt.
Doch für die beiden Kommunen hat das Urteil auch einen erheblichen Nachteil. Denn das Gericht sah eine „doppelte“ Sittenwidrigkeit vorliegen. Sprich: Nicht nur die Bank, sondern auch die Kommunen stehen in der Verantwortung. Das hat zur Folge, dass zwar zukünftige Zahlungen wegfallen, bereits geleistete aber nicht zurückerstattet werden.
Diese doppelte Sittenwidrigkeit birgt Risiken für alle Kämmerer, in deren Kommune ähnliche Swapverträge vorliegen: Denn jetzt, nachdem ein Gericht die Sittenwidrigkeit der Verträge festgestellt hat, dürfen aus ähnlichen Verträgen resultierende Zahlungsforderungen nicht einfach so weiter beglichen werden. Tut dies ein Kämmerer dennoch, könnte ihm die Staatsanwaltschaft auf die Pelle rücken. Das zumindest meint Rechtsanwalt Weck. „Sobald das Urteil öffentlich ist, könnte Kämmerern, die aus vergleichbaren Verträgen resultierende Zahlungen weiterhin leisten, der Vorwurf der Untreue gemacht werden“, so Weck. „Kämmerer, die in der Vergangenheit ähnliche Verträge abgeschlossen haben, sollten diese daher prüfen lassen.“