„Das Geld besorgt zu haben, ist die einfache Aufgabe, die Arbeit beginnt jetzt“, sagte der Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, einer der Hauptredner, auf dem 8. Baden-Württembergischen Kämmerertag (BWKT) am vergangenen Dienstag in der L-Bank in Stuttgart. Er sieht demnach das kürzlich beschlossene Sondervermögen nicht als Blanko-Scheck, sondern als komplexe strategische Herausforderung für den deutschen Föderalismus und auch für deutsche Kommunen. Denn die Zahlen sprächen eine deutliche Sprache: Nur 20 Prozent des milliardenschweren Finanzpakets seien für Länder und Kommunen vorgesehen.
Außerdem trügen Kommunen 25 Prozent aller staatlichen Aufgaben, erhielten aber nur 14 Prozent der Steuereinnahmen, betonte Stefan Breiter, Bürgermeister der Stadt Freiburg beim BWKT vor den mehr als 200 Teilnehmern. So ließe sich der Investitionsstau in den Kommunen, der derzeit bei 186 Milliarden Euro läge, nicht beheben. „Kommunen sind das Rückgrat des Gemeinwesens“, sagte er. Diese müssten als lebenswerte Orte erhalten werden. Dabei seien die Kommunen immer ge- und teilweise sogar überfordert mit ihren Aufgaben und den zur Verfügung stehenden Mitteln.
Es brauche zusätzlich eine klare Finanzierung, mit nachhaltigen Finanzierungsmodellen, außerdem Planungssicherheit für Kommunen durch langfristige Förderprogramme für langfristige Projekte wie Wohnungsbau und Digitalisierung.
Investitionen in deutsche Zukunftsbranchen
„Das Geld sollte nicht nur in Beton und Panzer gehen“, betonte Bayaz. Er plädierte auch für Investitionen in neue Militärtechnologie, Forschung, Entwicklung und Bildung. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen Deutschland momentan stehe, seien komplex. Deutschland zeige seit fünf Jahren eine Wachstumsschwäche. Geopolitische Spannungen und Handelskonflikte verschärften die Situation.
Bayaz betonte vorrangig die Auswirkungen der möglichen Zölle der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump gegen die Europäische Union. „Es kommt darauf an, ob die US-Regierung jetzt sagt ‚Wir machen 20 Prozent auf alles‘ oder ob es bei einzelnen Zöllen bleibt.“ Besonders sei das für eine exportabhängige Region wie Baden-Württemberg ein Problem, erklärte der Minister. „Auch darauf sollten wir uns gefasst machen,“ zeigte er sich überzeugt.
Kommunen brauchen klar definierte Aufgaben
Bayaz‘ Vision für den Einsatz des Sondervermögens geht über finanzielle Aspekte hinaus. „Das Geld ist der Schmierstoff“, sagte er, „aber nach einer verteidigungspolitischen und finanzpolitischen Zeitenwende braucht es auch eine mentale Zeitenwende.“ Diese Transformation erfordere mehr als Budgets – sie brauche strategisches Denken und klar definierte föderale Aufgaben.
Ohne Reformdruck in der Verwaltung könne der Einsatz des Sondervermögens für Infrastruktur andere Probleme mit sich bringen. Die oftmals ineffizienten Planungsinstrumente und Prozesse in Ländern und Kommunen könnten zu steigenden Ausgaberesten führen, gleichzeitig drohten exponentielle Preissteigerungen bei Infrastrukturprojekten.
Eine finanzföderalistische Zeitenwende
Bayaz‘ Lösung: Eine klare Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, die er als „Bürokratieabbau mit der Heckenschere“ beschrieb. Man müsse nicht direkt die Kettensäge ansetzen, aber mit der Nagelfeile zu arbeiten, sei ebenso wenig der richtige Ansatz. Ein Zitat des früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble präge hier seine Perspektive: „Die Bedrohung der Demokratie geht nicht von den extremen Rändern aus, sondern von einer Bequemlichkeit der Mitte.“ Auf Reformen zu verzichten, sei daher keine Option.
„Es gibt noch einige Anstrengungen, die nötig sind, um den Klimaschutz auf die Straße oder auf den Radweg zu bringen“, sagte Henrik Scheller vom Deutschen Institut für Urbanistik dazu. Eine unzureichend klare Aufgabenverteilung sei gerade ein großes Problem im Hinblick auf Klimaschutz. Formal fühle sich oft niemand für den Klimaschutz zuständig, da es lediglich eine freiwillige Aufgabe der Kommunen sei. Diese müssten allerdings erheblich investieren, um lebenswerte Orte zu bleiben.
Die kommunale Selbstverwaltung müsse zudem gestärkt werden. „Wir brauchen weniger Kontrolle und Berichtspflichten“, zeigte sich Breiter überzeugt. Dabei waren sich die Redner einig. Durch das Bereitstellen des Sondervermögens habe aber der Reformdruck abgenommen, sagte Landesfinanzminister Bayaz. Daher würden die echten Herausforderungen erst jetzt beginnen.
Die Mittel müssten nun strategisch, gezielt und zukunftsorientiert eingesetzt werden. „Die Mitte muss zusammenstehen und ihren Beitrag zur Transformation leisten“, lautete sein Appell an die kommunalen Vertreter im Raum.