In der vergangenen Woche hatte die BaFin wegen möglicher Bilanzmanipulationen alle Konten des deutschen Arms der Greensill Bank eingefroren. Kurz darauf wurde bekannt, dass die australisch-britische Muttergesellschaft Greensill Capital Insolvenz angemeldet hat. Dasselbe Schicksal droht nun der deutschen Greensill Bank. Diese entstand 2014 nach der Übernahme der Bremer Nordfinanz durch den australischen Geschäftsmann Lex Greensill. Der Öffentlichkeit präsentierte sie sich seitdem als Bremer Traditionshaus.
Von der Schließung betroffen sind laut derzeitigem Stand Einlagen von 3,6 Milliarden Euro – darunter auch kommunale Gelder. Das Problem der Kommunen: Seit die Privatbanken im Oktober 2017 ihre Einlagensicherung reformiert haben, sind öffentliche Anlagen bei ihnen nicht mehr geschützt. Im Fall der Greensill Bank sollen sich diese ungedeckten Einlagen auf eine halbe Milliarde Euro summieren.
Monheim und Eschborn besonders betroffen
Seit dem Moratorium der BaFin haben immer mehr Kommunen offenbart, dass sie Geld bei dem strauchelnden Finanzinstitut angelegt hatten. Gut zwei Dutzend Städte, Gemeinden und Kreise aller Größenordnungen sind bislang an die die Öffentlichkeit gegangen, weil sie den Verlust ihrer Einlagen fürchten.
Die höchsten Beträge im Feuer haben aktuellen Informationen dieser Redaktion zufolge die einnahmestarken Städte Monheim am Rhein (Festgelder in Höhe von 38 Millionen Euro) und die Stadt Eschborn mit 35 Millionen Euro, die sie kurz- und mittelfristig bei Greensill angelegt hat. Auch die Länderebene ist betroffen: Der Freistaat Thüringen hatte 50 Millionen Euro bei Greensill investiert.
Greensill: Ausweg im Niedrigzinsumfeld
Besonders bitter dürfte für viele Kommunen sein, dass sie erst in den vergangenen Monaten Geld bei Greensill angelegt hatten. Das einhellige Motiv: Die Bank lockte mit attraktiven Zinsen in Zeiten, in denen Kommunen für ihre Guthaben vielerorts Negativzinsen zahlen müssen. Für Kämmerinnen und Kämmerer wohlhabenderer Kommunen ein Dilemma: Sollen sie weiter zusehen, wie die öffentlichen Einlagen durch Strafzinsen schrumpfen – oder aber ins Risiko gehen und ohne zusätzliche Absicherung auf Rendite setzen?
Antworten auf diese Frage gibt es ganz unterschiedliche – und das nicht erst seit dem Moratorium der BaFin. Der Frankfurter Stadtkämmerer Uwe Becker etwa bevorzugt seit der Reform 2017 klar Anlagen bei Sparkassen sowie Volks- und Genossenschaftsbanken. Privatbanken kämen nur noch in den obersten Bonitätsklassen in Frage, sagt er. „Die Krise des Bremer Bankhauses Greensill zeigt einmal mehr, dass wir als Kommunen mehrfach vorsichtig mit den uns anvertrauten Steuergeldern umgehen müssen. Ich bin froh, dass wir bereits vor Jahren den zuvor doch deutlich spekulativeren Kurs verlassen haben und im letzten Jahrzehnt mit unserer konservativen Anlagepolitik sicher durch die Höhen und Tiefen der Finanzmärkte gesegelt sind“, so Becker weiter.
Osnabrück: Auf Rating verlassen
Anders zum Beispiel Osnabrück: 14 Millionen Euro hat die Stadt bei Greensill angelegt. „Aufgrund des sehr guten Ratings dieser Bank mussten wir von einer sehr sicheren Anlageform ausgehen. Gegen aktiven Betrug, der nur mit einer großen kriminellen Energie begangen werden kann, ist kein ordentlicher Kaufmann gefeit“, erklärt Kämmerer Thomas Fillep in einem Statement und greift zugleich die BaFin an: Hätte die Aufsicht die Kommunen über die Sonderprüfung bei Greensill informiert, die die Ungereimtheiten in der Bilanz aufgedeckt hat, hätte die Stadt Osnabrück nicht noch im vergangenen November „11,5 Millionen Euro eingelegt, sondern unser Engagement selbstverständlich zurückgefahren.“.
Die BaFin wiederum weist diesen Vorwurf zurück. Ein Sprecher teilte gegenüber der Gießener Allgemeinen mit, dass die Behörde schon aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht nicht früher über die Sonderprüfung bei Greensill habe informieren dürfen.
Formell dürften die Einlagen bei Greensill in den meisten Fällen ohnehin zulässig gewesen sein – ob sie ökonomisch und politisch vertretbar waren, steht auf einem anderen Blatt. Denn: Einlagen bei Privatbanken sind zwar nicht per se spekulativ – das hat zum Beispiel das Land Hessen im Frühsommer 2018 in einem Anwendungserlass klargestellt. Dennoch hatte zu diesem Zeitpunkt die breite Mehrheit der Kämmerinnen und Kämmerer schon entschieden, keine kommunalen Gelder mehr bei privaten Finanzinstituten unterzubringen – DNK berichtete. Im Fall von Greensill hätte neben den ungewöhnlich guten Zinskonditionen auch der eher unbekannte Name Finanzexperten aufhorchen lassen können.
Ansprüche gegen die BaFin?
Viele betroffene Kommunen prüfen nun, ob sie sich auf dem Rechtsweg wenigstens einen Teil ihrer Einlagen zurückholen können. Ein Adressat für Schadensersatzansprüche könnte dabei die BaFin selbst sein. Grundsätzlich sei eine Haftung der Behörde gegenüber Geldanlegern möglich, meint Anwalt Stephan Bausch von der Kanzlei Luther: „Im Falle eklatanter Amtspflichtverletzungen mit Drittbezug, erst recht bei Amtsmissbrauch, haftet auch die BaFin gegenüber Kommunen oder anderen Sparern.“
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