Die Grundsteuer abschaffen? Die Frage darf gestellt werden. Wer sie mit Ja beantwortet, wie jüngst an dieser Stelle Markus Kreuz, Stadtkämmerer von Hamm, dem ist der Applaus vieler privater Grundeigentümer sicher. Doch wäre dies im Sinne der Kommunen und des Gemeinwohls?

Die Grundsteuer ist prinzipiell eine sehr gute Steuer. Sie ist im Gegensatz zur Gewerbesteuer weitgehend immun gegen konjunkturelle Schwankungen. Damit sichert sie den Kommunen verlässliche und gut planbare Einnahmen, was auch Herr Kreuz anerkennt. Weil Grundstücke in den Grundbüchern vollständig erfasst sind und weder versteckt noch ins Ausland transferiert werden können, gibt es keine Probleme mit Steuerhinterziehung oder Steuerflucht.

Befremdlich ist die Frage von Herrn Kreuz, warum Kommunen gegenüber Privatpersonen und Unternehmen „bessergestellt“ sein sollen, indem sie „sichere“ Steuern erheben dürfen. Ich meine, die Antwort liegt auf der Hand: Städte und Gemeinden stellen Infrastruktur und öffentliche Güter bereit und unterhalten sie zu unser aller Nutzen; sie betreiben öffentliche Daseinsvorsorge. Um dies zuverlässig zu gewährleisten, ist ein Höchstmaß an Einnahmesicherheit geboten.

Dr. Ulrich Kriese ist Co-Sprecher der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“, die sich für eine Reform der Grundsteuer in eine Bodenwertsteuer einsetzt.

Grundsteuer-Alternativen überzeugen nicht

Herr Kreuz nennt zwei Alternativen zur Grundsteuer, die vergleichsweise einfach umzusetzen wären: Ein kommunales Zuschlagsrecht auf die Einkommensteuer und einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer beziehungsweise zu deren Gunsten eine Erhöhung der Umsatzsteuer um 1,5 Prozentpunkte. Beide Vorschläge können nicht überzeugen.

Im Vergleich mit den anderen OECD-Ländern erhebt Deutschland bereits recht hohe Steuern und Sozialabgaben auf Arbeitseinkommen. Ein kommunales Zuschlagsrecht auf die Einkommensteuer würde den Produktionsfaktor Arbeit noch stärker belasten und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands schwächen.

Das Geheimnis von Herrn Kreuz bleibt es, auf welche Weise eine höhere Einkommensteuer dabei helfen soll, die Immobilienspekulation zu verhindern. „Spekulation“ ist zunächst einmal eine bloße Erwartungshaltung, die nicht besteuert werden kann. Sie zielt stark auf Vermögenszuwächse, etwa indem Bauland oder leerstehende Häuser über Jahre ungenutzt gelassen werden. Vermögenszuwächse aber werden von der Einkommensteuer, solange es nicht zu einer Veräußerung kommt, gar nicht erfasst.

Leichtes Spiel für Spekulanten

Und wo die Einkommensteuer spürbare Wirkung entfalten könnte, etwa im Fall einer Veräußerung, macht es unser Gesetzgeber dem Spekulanten bisher recht einfach, einer Besteuerung zu entgehen; wie überhaupt in Deutschland das Halten und Bewirtschaften von Immobilien steuerlich privilegiert ist. Der Beitrag von Steuern auf Grundbesitz zum Gesamtsteueraufkommen beispielsweise beläuft sich hierzulande gerade mal auf rund 1 Prozent. Demgegenüber spielt die Besteuerung von Grundbesitz etwa in den angelsächsischen Ländern mit 6 bis 10 Prozent zum Gesamtaufkommen eine viel größere Rolle.

Die kommunale Finanzhoheit ist ein hohes Gut, das ein Kämmerer verteidigen und, wo immer möglich, ausbauen, bei dem er jedenfalls nicht dessen Beschneidung propagieren sollte!

Ulrich Kriese, NABU

Eine ebenso wenig empfehlenswerte Alternative zur Grundsteuer ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Weil Geringverdiener den größten Teil ihres Einkommens für den Konsum ausgeben müssen und ihnen nichts oder nur wenig zum Sparen übrig bleibt, wären sie davon vergleichsweise stark betroffen. Auch sollten wir uns einmal fragen, ob die Mehrwertsteuer mit ihren inzwischen 19 Prozent nicht sowieso schon längst zu hoch ist. Bei ihrer Einführung, 1918, galt ein Steuersatz von gerade mal 0,5 Prozent. 50 Jahre später (1968) betrug er 10 Prozent, weitere 30 Jahre später (1998) 16 Prozent. Die EU schreibt heute 15 Prozent als Mindestsatz vor. Unser Nachbarland Schweiz zeigt, dass es auch anders geht. Der Normalsteuersatz beträgt dort milde 7,7 Prozent.

Gegen einen Umstieg von der Grundsteuer auf einen höheren Mehrwertsteueranteil spricht zudem, dass dadurch die finanzielle Abhängigkeit der Städte und Gemeinden vom Gesetzgeber und von dessen Goodwill weiter erhöht würde. Die kommunale Finanzhoheit ist ein hohes Gut, das ein Kämmerer verteidigen und, wo immer möglich, ausbauen, bei dem er jedenfalls nicht dessen Beschneidung propagieren sollte!

Keine Entlastung für Mieter

Völlig illusorisch ist die Vorstellung – und irreführend die Behauptung –, eine Abschaffung der Grundsteuer würde bei Mietern zu langfristigen Entlastungen führen. Die meisten Vermieter wüssten den gewonnenen Spielraum für sich zu nutzen. Die kurzfristige Entlastung bei den Nebenkosten würde früher oder später durch dauerhaft wirksame Mietsteigerungen zunichte gemacht.

Richtig ist aber die Kritik an den bisher von den Ländern und vom Bundesfinanzminister vorgelegten Vorschlägen zur Neuregelung der Grundsteuer. Sie sind allesamt zu bürokratisch, führten wiederum zu Ungleichbehandlungen und würden die Probleme vieler Städte wie etwa die Baulandknappheit und die hohen Grundstückspreise verstärken. Die Angst davor, dass auch eine neugeregelte Grundsteuer beklagt werden und womöglich irgendwann ebenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht landen könnte – unterstellt, der Gesetzgeber liefert dafür ausreichend Gründe –, kann nicht ernsthaft zu der Schlussfolgerung führen, es gar nicht erst mit einer verfassungsgemäßen Reform zu versuchen und die Grundsteuer sozusagen sicherheitshalber kurzerhand abzuschaffen.

Das Hauptproblem der bisherigen Reformbemühungen besteht im Festhalten an einer Besteuerung des aufstehenden Gebäudes. Warum nicht einmal auf die nahezu einhelligen Stimmen der Ökonomen und auf die Stimme der Vernunft hören? Eine Vereinfachung der Grundsteuer zu einer reinen Bodensteuer wäre ein echter Fortschritt. Die Grundsteuer würde zu einer neutralen, reinen Fiskalsteuer, gänzlich frei von negativen Externalitäten – eine bessere Steuer ist nicht denkbar. Staaten mit Bodenwertsteuer sind international hochgradig wettbewerbsfähig. Besteuert würden einzig die Bodenwerte – nicht Arbeit, nicht privat geschaffene Werte. Investitionen würden angeregt statt bestraft. Die Kommunen würden einen Teil der Bodenrenten – heute leistungslose Einkommen der privaten Grundeigentümer – abschöpfen und so endlich angemessen an den Werten partizipieren, die sie mit ihren Bereitstellungsleistungen schaffen und beständig sichern.

ulrich.kriese(*)nabu(.)de

Info

Dieser Kommentar ist erstmals in DNK 1/2019 erschienen. Er ist eine Replik auf den Gastbeitrag von Markus Kreuz aus DNK 4/2018, den wir ebenfalls auf dieser Seite veröffentlicht haben.

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