Ausgabe 01/2023

Die Richtungsfrage

Verwässerung der Bilanzierungsregeln gefährdet die Ziele der Doppik. Die EPSAS könnten die Lösung sein.

Von Vanessa Wilke

Auf kommunaler Ebene galt Nordrhein-Westfalen als Vorreiter bei der Einführung der Doppik. Nun fällt nicht nur dieses Bundesland dadurch auf, dass es seine Bewertungsvorschriften zunehmend verwässert. Hat sich das betriebswirtschaftliche Steuerungssystem für die öffentliche Hand nach rund 20 Jahren Praxis nicht bewährt?

Mit großer Begeisterung engagierten sich Kämmerer zu Beginn des Jahrtausends für die Einführung von Doppik oder erweiterter Kameralistik. Die Informationen der kaufmännischen Buchführung sollten Politik und Verwaltung erheblichen Nutzen bringen, vor allem Transparenz schaffen, eine ressourcenorientierte Steuerung ermöglichen sowie für eine realitätsnahe Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sorgen.

Zwar hat das doppische Rechnungswesen inzwischen zweifellos Früchte getragen. Rund 20 Jahre nach seiner Einführung macht sich allerdings auch Ernüchterung breit, denn die ursprüngliche Idee, die gewonnenen Daten zu Steuerungszwecken zu verwenden, scheint auf dem Weg aufgegeben worden zu sein.

Euphorie über die Einführung der Doppik ist verflogen

Zudem haben die Länder damit begonnen, auf unterschiedliche Weise ihre Bewertungsvorschriften so zu verwässern, dass sie die Neuverschuldung verschleiern. Einst wurde die Doppik als Instrument beworben, das in finanziell schwierigen Zeiten effizientes Wirtschaften fördern könne. Nun sieht es so aus, als würde der Glaube daran leiden – ausgerechnet in Krisenzeiten, ausgerechnet, wenn das Geld knapp wird. „Die Eingriffe in das ursprünglich doppische Haushaltsrecht drehen wieder in Richtung Kameralistik“, bestätigt Ekkehard Grunwald, Kämmerer der Stadt Recklinghausen. Die anfängliche Euphorie über die Einführung der Doppik habe spürbar nachgelassen. Eine Ursache dafür bestehe darin, dass die Euphorie in der Kommunalpolitik nicht immer, auf Landesebene nur wenig und auf Bundesebene gar keinen Widerhall gefunden habe.

Auch Frank Gensler, Kämmerer der Stadt Neuss, betrachtet die aktuellen Entwicklungen als Anlass zur Trauer für Doppik-Fans wie ihn. Das größte Versäumnis sieht er darin, dass die Doppik nicht zu Ende entwickelt worden sei. Seiner Meinung nach sei der kommunale Gesamtabschluss als Kernelement der Reform des öffentlichen doppischen Haushalts- und Rechnungswesens unverzichtbar. Aufgrund der Tatsache, dass es keine Gesamtkonzernplanung gebe, könne der Gesamtabschluss jedoch nicht zu Steuerungszwecken verwendet werden. Damit sei sein Zweck unklar, sein Wert aus kaufmännischer Sicht nur begrenzt. Es wäre wichtig, die Konzernplanung damit zu verknüpfen. „Der Gesetzgeber müsste an das Ergebnis des Gesamtabschlusses auch Rechtsfolgen anknüpfen“, fordert der Neusser Stadtkämmerer. „Aber jetzt scheint er eher den Rückwärtsgang eingelegt zu haben.“ Zu aufwendig, zu wenig aktuell, zu wenig nutzerorientiert – das scheinen die primären Schwächen des Gesamtabschlusses zu sein.

Sinn und Unsinn kommunaler Gesamtabschlüsse

Ralf Weeke, Kaufmännischer Betriebsleiter der Technischen Betriebe Solingen, beschäftigt sich in seinem Gastbeitrag auf Seite 10 mit dem Sinn und Unsinn kommunaler Gesamtabschlüsse und kommt zu dem Ergebnis, dass sie in ihrer jetzigen Form wirklichkeitsfremd und nutzlos seien. Gleichzeitig gibt er die Idee hinter dem Gesamtabschluss nicht auf und schreibt: „Stellt sicher, dass er auf wenige wesentliche Informationen konzentriert wird, dass er zügig erstellt werden kann, und vor allem: Wertet ihn auf! Macht ihn zur wesentlichen Grundlage für Haushaltsgenehmigungen und geht noch einen Schritt weiter: Macht ihn auch zur wesentlichen Grundlage im System des kommunalen Finanzausgleichs.“ Auch Frank Gensler ruft dazu auf, mehr aus der Doppik zu machen. Die Konzernsicht fehle, und der Einzelabschluss des Kernhaushalts allein sei nicht aussagekräftig. Gleichzeitig sieht er eine naheliegende Lösung: „In den EPSAS ist alles geregelt und ganz nebenbei wären sogar Vergleiche mit Kommunen in europäischen Nachbarländern möglich. Aber leider neigt Deutschland dazu, an der Kleinstaaterei festzuhalten.“

v.wilke@derneuekaemmerer.de

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