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„Unsere Treue wurde zuletzt nicht immer belohnt“

Herr Klieve, im vergangenen Jahr hat RWE der Stadt Essen noch eine Dividende in Höhe von rund 19 Millionen Euro gezahlt, für 2015 hatten Sie 9 Millionen Euro eingeplant. Am Mittwoch hat der RWE-Vorstand nun die Empfehlung abgegeben, für 2015 gar keine Dividenden zu zahlen. Sie äußerten sich "schockiert". War die Empfehlung für Sie wirklich so eine Überraschung? Immerhin werden Sie ja mit diesem für Essen so wichtigen Unternehmen auf höchster Ebene eng verdrahtet sein …

 

Tatsächlich erfuhr ich von dem Vorschlag des Vorstands durch einen Journalisten. Eine ad-hoc Meldung muss allen Marktteilnehmern zugleich zugänglich gemacht werden. Daher kann ich keine Vorabinformation erwarten. Allerdings habe ich es als keinen freundlichen Akt empfunden, dass RWE den Kommunen erst Stunden später Unterlagen zuleitet, die mir zwischenzeitlich längst von einer Agentur weitergeleitet worden waren.

RWE steht unter massivem wirtschaftlichen Druck, für 2015 kündigte der Konzern ein leicht negatives Nettoergebnis an. Ist es angesichts dieser Situation aus Unternehmenssicht nicht richtig, die Finanzkraft über eine Aussetzung der Dividendenzahlung zu stärken?

 

Das negative Ergebnis ist massiv durch eine Wertberechtigung über 2,1 Milliarden Euro für den konventionellen Kraftwerkspark beeinflusst. Hierfür hat kein Eurocent das Unternehmen verlassen. Liquidität für eine Dividende wäre also durchaus gegeben.

Die Hauptversammlung (HV) tagt am 20. April, normalerweise folgt diese dem Dividendenvorschlag des Vorstandes. Inwieweit haben Sie Hoffnung, dass sich an der Entscheidung noch etwas ändern könnte?

 

In Anbetracht der regelmäßigen Präsenz kommen die kommunalen Anteilseigner einer HV-Mehrheit schon recht nahe. Wenn also die kommunale Aktionärsfamilie sich in dieser Frage einig ist, sehe ich durchaus Möglichkeiten, einen Antrag auf Dividendenzahlung durchzusetzen. Ich räume allerdings ein, dass dies unüblich wäre. Es war aber auch unüblich, dass der Vorstand alleine, also ohne den Aufsichtsrat, einen Dividendenvorschlag in die Öffentlichkeit trägt.

Sie haben erst vor wenigen Wochen aufgrund der hohen Aufwendungen für die Flüchtlingsunterbringung in teuren Zeltstädten einen Nachtragshaushalt einbringen müssen – und zwar den ersten seit 30 Jahren. Dieser soll kommenden Mittwoch im Rat verabschiedet werden. Werden Sie den Nachtragshaushalt nun noch einmal aufmachen? Und falls ja: Haben Sie schon eine Vorstellung, wie Sie die gut 9 Millionen Euro kompensieren wollen?

 

Wenn ich 9 Millionen Euro Verbesserungen gesehen hätte, so wären die in den jüngst vorgelegten Nachtragshaushalt eingebaut worden, mit dem ich mich an äußerste Grenzen gelegt habe. Mit dem Nachtrag haben wir das Defizit von 3,4 Millionen Euro um das Zehnfache auf 37 Millionen Euro erhöhen müssen. Das wirft uns weit zurück auf dem Weg zum Haushaltsausgleich, den wir gemäß Stärkungspaktgesetz im nächsten Jahr vorlegen müssen. Gerade das macht einen Wegfall der Dividende jetzt so kritisch, denn normalerweise würden 9 Millionen Euro einen 2,5 Milliarden-Haushalt nicht aus der Balance bringen.

Auch für 2016 Jahr hat der RWE-Vorstand bereits sehr magere Gewinne angekündigt. Klingt nicht so, als ob er vorhat, die Dividende dann gleich wieder hochzufahren. Wie gehen Sie damit haushalterisch um?

 

Für mich steht zur Stunde nicht einmal fest, ob wir diese Ankündigung im Nachtragshaushalt abbilden. Wenn wir beispielsweise jetzt im vorauseilendem Gehorsam – also bevor das durch den Beschluss der Hauptversammlung amtlich ist – zur Kompensation die Grundsteuer erhöhen würden, dürften wir das in den nächsten Jahren gar nicht rückgängig machen. Außerdem könnte das den Eindruck erwecken, dass wir uns mit der Dividendenstreichung abgefunden hätten. Der Erwartung in Richtung Hauptversammlung auf einen Dividendenbeschluss würde das nicht eben Nachdruck verleihen.

Nicht nur Sie scheinen von der RWE-Ankündigung überrascht worden zu sein: Der Aktienkurs brach gestern zwischenzeitlich um über 10 Prozent ein, derzeit liegt er knapp unter 11 Euro. Im Jahresabschluss 2014 der Stadt Essen ist die Aktie  – nach massiven Abschreibungen in 2013/2014 – noch mit 25,65 Euro bewertet. Wird eine weitere Wertkorrektur in 2015 notwendig sein? Und: Wie hoch wäre der Abschreibungsbedarf, wenn Sie auf den aktuellen Kurs abschreiben müssten?

 

Der Jahresabschluss per 31.12.2015 wird gegenwärtig erstellt, allerdings ist bereits klar, dass in der städtischen Bilanz die RWE-Aktien nur mit dem Schlusskurs per Jahresultimo 2015, also 11,71 Euro bewertet werden. Die Differenz zu den oben genannten 25,65 Euro ginge entsprechend direkt zu Lasten unseres Eigenkapitals, das Jahresergebnis wird wegen der in der Gemeindehaushaltsverordnung vorgesehenen Buchung direkt gegen das Eigenkapital nicht tangiert. Betroffen sind jedenfalls 15.376.740 Aktien, auf jede dieser Aktien wären 13,94 abzuschreiben und mithin über 214 Millionen Euro.

Im Geschäftsbericht 2014 wird als Risiko auch die Bewertung der nicht börsennotierten RW Holding AG, welche weitere RWE-Aktien hält, genannt. Zum 31.12.2014 bewertete diese die RWE-Aktien noch mit 36,10 Euro. Ist dies angesichts der Wertentwicklung haltbar?

 

Unsere 3.384.490 RWH-Aktien sind in der vorgenannten Stückzahl gerade nicht enthalten. Über eine hier durchaus nicht unwahrscheinliche Wertberichtigung ist allerdings mangels eigenen Börsenkurses gesondert im Rahmen des Jahresabschlusses zu entscheiden.

Was bedeutet die Ende Dezember 2015 beschlossene Aufspaltung von RWE und die damit einhergehende Kapitalerhöhung für die gewerbesteuerliche Schachtel RWEB?

 

Die Schachtel bliebe zunächst unberührt. Der Anteil von über 15 Prozent an der RWE AG bliebe unverändert. Diese wiederum würde dann ursprünglich 100 bzw. dann 90 Prozent der Anteile an der neu zu gründenden Tochter – voraussichtlich in der Rechtsform einer SE – halten, in der Vertrieb, Erneuerbare und Netzgeschäft gebündelt werden sollen. Die Aussage steht, dass dauerhaft ein beherrschender Einfluss von mindestens 51 Prozent erhalten bleiben soll. Hieran wären die kommunalen Aktionäre allerdings nur mittelbar beteiligt. Unsere Dividende von RWE AG würde dann maßgeblich an der Ausschüttung, die der Holding ihrerseits zufließt, hängen. Ein Abführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen AG und SE wäre dabei für uns hilfreich. 

RWE scheint Ihnen in den letzten Jahren deutlich mehr Ärger als Freude zu bereiten. Als wir Ende 2013 sprachen, sagten Sie, dass ein Verkauf der RWE-Anteile für die Stadt Essen keine Option ist. Bleibt es dabei?

 

Die Stadt Essen ist ein sehr treuer Partner des Unternehmens. Unsere Beteiligung daran ist so alt wie RWE selbst, also weit über hundert Jahre. Zudem sind wir in vielfältiger Weise mit einander verbunden z.B. als Standortkommune des Konzernsitzes, als großer Arbeitgeber in Essen, als gemeinsame Gesellschafter unserer Stadtwerke. Da wiegt ein Verkauf naturgemäß schwerer als anderenorts. Die Treue wurde aber zuletzt nicht immer belohnt.

 

k.schlueter(*)derneuekaemmerer(.)de