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Verschuldete Kommunen sind selbst schuld an ihrer Finanzmisere, weil sie das Geld der Steuerzahler zuvor mit vollen Händen ausgegeben haben? Kommunen, die an der Steuerschraube drehen, werden für Bürger und Unternehmen noch unattraktiver und schaufeln sich so ihr eigenes Grab? Im DNK-Blog stellt Manfred Busch, ehemaliger Stadtkämmerer von Bochum, gängige Thesen wie diese auf den Prüfstand. Vieles, was oftmals unhinterfragt als objektiv und wahr hingenommen wird, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als interessengeleitet, ist Busch überzeugt.
Der Bund, einige Länder und etliche Kommunen haben in der Vergangenheit – in Analogie zum Vorgehen in der Privatwirtschaft – beträchtliche Zahlungen in zum Teil privatwirtschaftliche „Pensionsfonds“ geleistet, die am Kapitalmarkt auch in Aktien und Fondsanteile investieren. Diese „Kapitaldeckung“ soll bei den Beamtenpensionen „mehr Sicherheit für die Betroffenen“ schaffen …
Heute – 10 Jahre nach der Finanzmarktkrise 2008/2009 – wirkt diese Begründung obsolet. Schließlich mussten die USA den größten, AAA-gerateten Versicherungskonzern AIG retten und die Bundesrepublik zum Beispiel die Commerzbank – nicht umgekehrt. In einer Marktwirtschaft geht Sicherheit vom Staat und seiner Zentralbank als „lender of the last resort“ aus – nicht von Wirtschaftsunternehmen. Und: Seit 10 Jahren gehen die privatwirtschaftlichen Erträge in den Keller – früher selbstverständliche Renditeniveaus lassen sich heute nur noch mit erheblichen Risiken erzielen.
Ein Refinanzierungsrisiko bestand und besteht weder für die Kredite noch für die Pensionen.
Staaten besitzen eine höhere Kreditwürdigkeit als die in ihnen beheimateten Unternehmen – diese Einschätzung teilen natürlich auch die Finanzmärkte. Selbst Griechenland, Portugal, Italien und Spanien haben immer noch Ratings, von denen ihre Unternehmen nur träumen können. Alle Gebietskörperschaften – inzwischen auch etliche Städte – platzieren regelmäßig Anleihen am Kapitalmarkt und legen gegenüber den Gläubigern dar, dass sie aufgrund des Haftungsverbunds (beinahe) die Bonität der Bundesrepublik Deutschland besitzen, an die keine privatwirtschaftliche Einrichtung herankommt. Ein Refinanzierungsrisiko bestand und besteht weder für die Kredite noch für die Pensionen.
Sicher bleibt sicher
Die selbst herbeigeführte Diskussion über eine angeblich fehlende Kreditwürdigkeit – nichts anderes ist die Infragestellung der Beamtenpensionen – diskreditiert diesen Refinanzierungsweg ohne jegliche Not. Die kreditfinanzierte Dotierung von Pensionsfonds kann die Sicherheit von Pensionszahlungen nicht erhöhen – sicher bleibt sicher.
Die Beschäftigten und Pensionsberechtigten haben zwar Teile ihrer Besoldungserhöhungen in die Dotierung von Pensionsfonds fiktiv „eingebracht“– aber weder erleiden sie Nachteile, falls ein Pensionsfonds schlecht wirtschaftet, noch haben sie Vorteile, wenn hohe Erträge – ohne Materialisierung des damit verbundenen Risikos – erwirtschaftet werden. Ihre Pensionsansprüche sind und bleiben (anders als beispielsweise Renten aus einer betrieblichen Altersversorgung) gesetzlich festgelegt – ob mit oder ohne Pensionsfonds. Entsprechend gibt es das in § 7 des NRW-Pensionsfondsgesetzes angekündigte Gesetz zu „Beginn, Höhe und Dauer der Ablieferung des Sondervermögens“ (noch) nicht. Es braucht auch niemand, denn schon die heutigen Pensionszahlungen erfolgen völlig unabhängig hiervon – wie eh und je – direkt aus dem Landeshaushalt.
Wozu also einen Pensionsfonds gründen, wenn die eigene Bonität außer Frage steht?
Zusätzliche Kredite sind unnötig
„Ziel ist eine nachhaltige und generationengerechte Finanzierung der künftigen Versorgungsausgaben“, heißt es dazu beispielhaft in der Begründung zum Gesetzentwurf für einen NRW-Pensionsfonds. Steht dahinter die Sorge, die ansteigenden Pensionslasten könnten zukünftig gewissermaßen „aus dem Blick geraten“? Um der „generationengerechten“ Finanzierung näherzukommen, wäre der Ausweis von Pensionsrückstellungen, wie im doppischen Rechnungswesen üblich, hilfreich und ausreichend: In der Eröffnungsbilanz würden sie einem – hoffentlich noch positiven – Vermögen gegenüberstehen. In der jährlichen Erfolgsrechnung müsste die Zuführung zu den Pensionsrückstellungen aus den laufenden Erträgen finanziert werden. Es würde sichtbar, wie viel sich die jeweilige Gebietskörperschaft an neuen Krediten leisten kann, wenn so die späteren Pensionszahlungen in den Blick genommen werden. Einer zusätzlichen Kreditaufnahme zur Dotierung von Pensionsfonds bedürfte es dabei nicht.
Was treibt also hochverschuldete Gebietskörperschaften wirklich dazu, zusätzliche Kredite in erheblichen Größenordnungen aufnehmen, um überhaupt Zahlungen an Pensionsfonds (in cash) leisten zu können? Erscheinen spekulative Extra-Erträge aus der Anlage von kreditfinanzierten öffentlichen Geldern auf den privaten Finanzmärkten – im Windschatten eines „Pensionsfonds“ – vielleicht erforderlich, „um diesen Herausforderungen (steigender Versorgungslasten) auf Dauer entgegenzuwirken und für den Landeshaushalt tragfähig zu machen“, wie es in dem eben erwähnten Gesetzentwurf heißt?
Erhebliche Risiken
Dazu wäre Voraussetzung, dass die Kapitalanlageerträge wirklich oberhalb der zu zahlenden Kreditzinsen liegen, so dass sich insgesamt ein Mehrwert ergibt. Spätestens die Finanzmarktkrise hat gelehrt: „There is no free lunch“. Das höhere Risiko gegenüber zum Beispiel einem Bundesschatzbrief kann sich – muss sich nicht – in Ausfällen (z.B. AIG in den USA, IKB, Commerzbank und WestLB bei uns) materialisieren. Angesichts der ausgedehnten Niedrigzinsphase sind attraktive Anlagen nur außerhalb des sicheren Staatssektors und vor allem in Aktien möglich. Wenn man nur an die aktuellen Entwicklungen auf den Energiemärkten, in der Automobilindustrie und im Außenhandel (Brexit, Trump) denkt, sind konkrete erhebliche Risiken erkennbar.
Die kommunalrechtliche Bewertung eines solchen Verhaltens ist eindeutig: „Die Gemeinde soll daher kein Vermögen erwerben, um ihren Bestand zu vergrößern, um Erträge oder um Gewinne bei einer Veräußerung von Vermögensgegenständen zu erzielen“, stellt das Kommunalministerium NRW in seiner Handreichung zum NKHR fest. Kapitalanlagen auf Finanzmärkten sind – wenn überhaupt – nur aus Überschüssen zulässig: „Für eine Kapitalanlage für laufende Zwecke darf die Gemeinde nur eigene verfügbare Finanzmittel nutzen. Sie darf dafür keine Fremdmittel aufnehmen, z.B. Kredite zur Liquiditätssicherung.“Um Missverständnisse auszuschließen: § 89 der Gemeindeordnung NRW (Liquiditätsvorsorgepflicht) fordert die rechtzeitige Vorsorge für anstehende Zahlungen, die über einen ausgeglichenen Haushalt, im Falle der Haushaltssicherung über die rechtzeitige Aufnahme von Krediten gewährleistet wird – kein Argument für Pensionsfonds.
Etliche Bundesländer haben sich – aufgrund der niedrigen Erträge bzw. der zunehmenden Risiken – aus der Dotierung von „Pensionsfonds“ verabschiedet. Dies sollte offensiv kommuniziert werden und nicht nur „klammheimlich“ erfolgen. Nach Auflösung des Pensionsfonds beispielsweise in NRW läge die Verschuldung des Landes immerhin um 11,5 Milliarden Euro niedriger. Und die Transparenz stiege, weil die aktuellen Pensionsfonds nur einen Bruchteil der tatsächlichen Pensionsverpflichtungen widerspiegeln!
Der Appell geht an alle: Löst Eure Pensionsfonds auf und tilgt damit Schulden. Das ist das Beste, was für sichere Pensionszahlungen getan werden kann!
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Ab sofort bloggen Experten aus der kommunalen Familie auf DNK online zu aktuellen Trends und Themen.