Herr Magin, was ist ein digitaler Zwilling?
Digitale Zwillinge sind digitale Repräsentanzen von Dingen aus der realen Welt. Sie eignen sich gut dazu, Dinge digital zu entwickeln und auszuprobieren, bevor sie in der Praxis risikobehaftet umgesetzt werden. Die Ausgangsbasis für einen digitalen Zwilling kann beispielsweise ein vorhandenes Geoinformationssystem oder aber ein digitales Abbild der Verkehrsinfrastruktur sein.
Wo sehen Sie die wichtigsten Anwendungsfelder für digitale Zwillinge?
Es gibt 73 vom Bund als sogenannte Modellprojekte „Smart Cities“ geförderte Kommunen. Wenn man sich deren Anwendungsfälle im Bereich digitale Zwillinge anschaut und sie übereinanderlegt, dann ist der Verkehr bzw. die Mobilität ein essentielles Thema. Die Themen Energie und Klima begegnen einem auch immer wieder, genauso wie der digitale Innenstadtzwilling.
Wie sieht der digitale Zwilling technisch aus?
Klassischerweise gehört zu einem digitalen Zwilling eine Datenplattform, auf der Sensordaten, Mobilitätsdaten und Umweltdaten zusammenlaufen, um basierend darauf Szenarien zu simulieren oder Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel kann man sich fragen: Wie ist denn der voraussichtliche Energieverbrauch eines Quartiers oder einer Kommune im nächsten Sommer unter der Annahme, dass es wieder ein so heißer Sommer wie in den vergangenen drei Jahren wird? Man könnte den digitalen Zwilling auch zur Antragstellung und Bearbeitung von Bauanträgen nutzen. Im System wird dann die Bauverordnung hinterlegt und der Bauantrag kann mit Hilfe des digitalen Zwillings komplett digital eingereicht werden. Der digitale Zwilling trifft dann schon eine Vorentscheidung, ob dieser Bauantrag genehmigungspflichtig ist. Dann könnte der digitale Zwilling die Mitarbeiter der Genehmigungsstelle mit einem 3-D-Modell unterstützen, das basierend auf den eingereichten Plänen automatisch erstellt wird.
Für wen ist der digitale Zwilling gedacht?
Der digitale Zwilling ist für verschiedene Zielgruppen unterschiedlich erlebbar. Das, was vielleicht für Mitarbeiter des Bauamts relevant ist, ist nicht notwendigerweise das, was den Bürger betrifft. Entsprechend kann der digitale Zwilling verschieden gestaltet sein und von den jeweiligen Nutzergruppen unterschiedlich genutzt oder „erlebt“ werden. Da geht es etwa auch um das Thema Bürgerbeteiligung, bei der die Bürger immer stärker in die Prozesse innerhalb der Kommune involviert werden. Dafür gibt es verschiedene Formate und Beteiligungsportale, in die der digitale Zwilling integriert werden kann. Die Bürger könnten dann mit seiner digitalen Hilfe Vorschläge und Ideen einreichen, die nahe an der realen Lebenswelt sind.
Macht es Sinn, den digitalen Zwilling auch auf dem Land einzuführen?
Der digitale Zwilling macht sowohl in Städten als auch in Regionen Sinn. Für einen ländlich geprägten Raum könnte beispielsweise die Abbildung dezentraler Energieerzeugung relevant sein, weil hier im Vergleich zur Großstadt deutlich mehr PV-Anlagen in Privathaushalten Energie erzeugen. In der Stadt könnte er demgegenüber eher ein integriertes Energiekonzept, in dem E-Mobilität eine tragende Rolle spielt, abbilden. Das heißt: Die Anwendungsfälle ähneln sich zwar, können sich aber signifikant unterscheiden.
Auf welcher staatlichen Ebene sollte ein digitaler Zwilling zur Verfügung gestellt werden?
Wir denken ja oft noch in Silos, sowohl innerhalb der Kommune über die verschiedenen Fachbereiche hinweg als auch zwischen der kommunalen Ebene und der des Landes. Wenn ich auf Landesebene einen digitalen Zwilling habe, dann liegen im Idealfall die Mobilitätsdaten einer Stadt und der umliegenden Region in einer gemeinsamen Datenplattform. Dabei müsste die Daten für die Beteiligten individuell nutzbar sein. Man könnte auf Landesebene eine gewisse Basisinfrastruktur bereitstellen, auf der Kommunen individuell ihre Anwendungsfälle entwickeln.
Sollten Bund und Land die Kommunen beim Aufbau digitaler Zwillinge unterstützen?
Die Kostenfrage wird immer wichtiger. Im Augenblick haben die vom Bund geförderten Kommunen den Vorteil, dass sie mehrere Millionen Euro an Fördergeldern erhalten. Anschließend stellt sich aber die Frage: Wie können der digitale Zwilling, die Datenplattform und deren Anwendungen nach der Förderperiode weiter finanziert und damit verstetigt werden? Im Falle einer gemeinsamen Infrastruktur könnte man auch die Finanzierung zusammen stemmen und entsprechende Skaleneffekte erreichen. Da kommt dann die Frage nach dem Geschäftsmodell ins Spiel: Kann sich das Angebot langfristig vielleicht sogar selbst finanzieren? Welche Vorteile ziehen ortsansässige Unternehmen aus dem digitalen Zwilling? Oder man kommt zu der Entscheidung, dass der digitale Zwilling eine öffentlich-staatliche Infrastruktur bildet, entsprechend frei zugänglich sein muss und demnach auch mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren ist. Da stellt sich die Frage nach der Förderung durch Bund und Länder.