Es klingt paradox: Kommunen, die Zinsänderungsrisiken absichern wollen, können aufgrund der Negativzinsphase plötzlich ein unbegrenztes Zinsänderungsrisiko in den Büchern haben. Diese Woche hat sich der Deutsche Städtetag zu diesem Problem positioniert. In einem DNK vorliegenden Schreiben an seine Mitglieder findet der Städtetag ungewöhnlich deutliche Worte, sogar eine Klage gegen unkooperative Banken wird explizit erwogen.
Bei dem Streit geht es um die sogenannten synthetischen Festzinskredite. Rund 52 Milliarden Euro meist variabel verzinste Kassenkredite haben die Kommunen in ihren Büchern. Viele Kämmerer haben das Zinsänderungsrisiko durch Payer Swaps abgesichert – eigentlich eine sinnvolle und von den Spitzenverbänden empfohlene Maßnahme.
Zum Problem wird dieses Vorgehen, wenn Banken die aktuellen Negativzinsen nicht an die Kommunen weitergeben, also einen Floor bei 0 Prozent einziehen. Denn dann gleichen sich die variablen Zahlungsströme aus Kredit und Swap nicht mehr aus, die Kommune hat ein theoretisch unbegrenztes Zinsrisiko in ihren Büchern. Dabei gehen Banken bisher – dies hat eine Umfrage des Städtetags unter seinen Mitglieder ergeben – sehr unterschiedlich mit diesem Problem um. Sogar einzelne Institute behandeln unterschiedliche kommunale Kunden verschieden.
Wie der Städtetag in seinem Schreiben weiter ausführt, sind die aus der Negativzinssituation resultierenden Zahlungen für den Einzelfall zwar vielleicht überschaubar, die Gefahr sei aber trotzdem ernst zu nehmen. Mit der gestrigen Entscheidung der EZB, die Geldpolitik weiter zu lockern, wird sich die Situation außerdem weiter verschärfen.
Zinssicherung trotz Negativzinsen?
Angesichts dieser Situation empfiehlt der Städtetag seinen Mitglieder nun eine Konfrontation mit den Banken – und zwar in einem dreischrittigen Eskalationsprozess. In einem ersten Schritt sollen die Städte im Gespräch mit den Banken eine gemeinsame Lösung suchen, wie die beabsichtigte Zinssicherungsfunktion des Payerswaps auch bei Negativzinsen gewährleistet werden kann.
Gelingt es Kommune und Bank nicht, eine einvernehmliche Lösung zu finden, empfiehlt der Städtetag – in einem zweiten Schritt – die negativen Zinsen aus dem Payerswap einzubehalten. Der Städtetag sieht dieses Vorgehen immer dann gerechtfertigt, wenn die Banken im dazugehörigen Kreditgeschäft die negativen Zinsen nicht an die Kommune auszahlen. Dieses Vorgehen seitens der Kommunen könnte – Schritt 3 – zu einer „abschließenden, juristischen Lösung des Problems“ führen, sprich eine Mitgliedsstadt würde eine vom Städtetag begleitete Musterklage gegen eine unkooperative Bank führen.
Risiken des Städtetag-Vorstoßes
Das vom Städtetag skizzierte Vorgehen ist aus zwei Gründen allerdings durchaus mit Risiken verbunden. Erstens sind die Kommunen angesichts der hohen Verschuldung der kommunalen Ebene, auf die Banken als Finanzierungspartner angewiesen. Dabei ist bereits jetzt zu beobachten, dass sich diverse Institute – angesichts neuer EU-Vorgaben – aus dem Kommunalgeschäft zurückziehen, bzw. dieses reduzieren. Eine gerichtliche Konfrontation mit den Finanzdienstleistern könnte diesen Rückzug beschleunigen.
Zweitens besteht ein politisches Risiko: Zahlreiche Kommunen haben mit komplexen Fremdwährungsswaps in den letzten Jahren immense Verluste eingefahren. Zwar unterscheiden sich die komplexen Fremdwährungs- von den einfachen Zinssicherungsswaps in ihrer Risikostruktur sehr deutlich. Ob dies allerdings jeder Stadtrat und jeder Landtagsabgeordneter versteht, darf bezweifelt werden. Insofern kann öffentlich ausgetragener Streit um „theoretisch unbegrenzte Risiken“ von Swaps auch dazu führen, dass die eigentlich sinnvollen Zinssicherungsswaps mit den komplexen, hochspekulativen Währungsswaps in einen Topf geworfen würden. Im schlimmsten Fall könnten Kämmerer variable Kassenkredite nicht mehr absichern – bei Kassenkrediten in Höhe von 52 Milliarden Euro eine tickende Zeitbombe.
k.schlueter(*)derneuekaemmerer(.)de
Leserkommentar von Clemens Stoffers, Leiter Vermögens- und Schuldenmanagement, Stadt Essen
Sehr geehrte Frau Schlüter,
die von Ihnen gewählte Überschrift zu diesem Artikel entspricht nach meiner Lesart nicht der Empfehlung des Städtetages. Der Städtetag empfiehlt den Kommunen das Gespräch mit den Banken, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Sollte sich hier kein Ergebnis finden lassen, dann erst könnte es als ultima ratio zu der von beiden Seiten nicht gewünschten Konfrontation kommen.
Die Risiken des Städtetag-Vorstoßes halte ich für überschaubar. Die Banken sind und bleiben Finanzierungs p a r t n e r der Kommunen. Die sich für die Zinssicherung ergebenden Konsequenzen aus den Negativzinsen sind unerfreulich und belasten die Kommunen. Da das sicherlich nicht im Sinne unserer Partner sein kann und zudem Lösungsmöglichkeiten zur Behebung des Problems vorhanden sind, sollte eine nachhaltige Zusammenarbeit durch den Wunsch nach einer einvernehmlichen Lösung nicht gestört werden.
Auch das politische Risiko sollte sich nach den bisherigen Diskussionen und der von vielen Stellen erfolgten Aufklärung in Sachen Zinssicherungsswaps nicht als solches erweisen. Das „theoretisch unbegrenzte Risiko“ erwächst doch nur dann, wenn der Wunsch der Kommune nach Zinssicherheit durch die Produktgestaltung der Banken nicht richtig umgesetzt worden ist. Das kann behoben werden. Wirtschaftlich ist das Risiko so hoch, wie sich der Zins in die negative Richtung entwickeln kann. Welche Sätze können denn hier erwartet werden?
In dem Beitrag „Trügerische Sicherheit“ vom 03.03.2016 wird durch den BVÖZ bereits auf dieses nach oben ungedeckte Zinsänderungsrisiko hingewiesen. An früherer Stelle stellt der BVÖZ die Vorzüge eines Receiver-Swaps dar, um Wertänderungsrisiken im Portfolio zu begrenzen. Gerade dieses Instrument nimmt einem Festzinskredit doch die Zinssicherheit und schafft ein echtes nach oben unbegrenztes Zinszahlungsrisiko. Der Zweck einer Argumentation heiligt nicht immer die Mittel.
Zusammenfassend bleibt mir die Hoffnung, dass durch einen unvoreingenommenen Umgang mit dem Thema sowohl die langjährigen Beziehungen zu den Banken als auch der sinnvolle Einsatz von Zinssicherungsderivaten trotz der aktuellen Marktentwicklungen beibehalten werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Stoffers