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Ratingagentur S&P knöpft sich Großstädte vor

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Die Bonität deutscher Kommunen variiert stark, gleichzeitig würden aber alle deutsche Kommunen ein Investmentgrade-Rating erhalten. Dies sind zwei zentrale Aussagen eines neuen Berichts der Ratingagentur Standard&Poor‘s (S&P).

 

Die neue S&P-Analyse knöpft sich insbesondere die Städte Essen, Frankfurt/Main, Köln, Leipzig, Nürnberg und München vor. Als Ratingkriterien zieht S&P „institutionelle Rahmenbedingungen“, „Wirtschaftsstruktur“, „Finanzmanagement“, „Haushaltsflexibilität“, „Haushaltsentwicklung“, „Schuldenstand“, „Liquiditätsprofil“ sowie „Eventualverbindlichkeiten“ heran.

 

Ausgangspunkt der Analyse sind die institutionellen Rahmenbedingungen. Diese stuft S&P für alle untersuchten Städte bzw. deren Bundesländer als „vorhersehbar“ (NRW) über „sehr vorhersehbar“ (Hessen) bis „höchst vorhersehbar“ (Bayern und Sachsen) ein.

Wahrscheinlich keine Liquiditätsengpässe

Die individuelle Bewertung der untersuchten Städte schwankt zwischen „relativ schwach“ (Essen) und „sehr stark“ (München). Zu Liquiditätsengpässen wird es nach Ansicht von S&Ps wahrscheinlich nirgendwo kommen: Alle Städte hätten einen guten Zugang zum Bankensektor.

 

Die sehr gute Bewertung von München basiert – abgesehen von dem sehr guten institutionellen Rahmen – auf dem starken Wirtschaftsprofil, dem niedrigen Schuldenstand sowie dem dicken Liquiditätspolster der bayerischen Landeshauptstadt. Positiv bewertete S&P auch Münchens Finanzmanagement. So würden Einnahmen und Ausgaben umsichtig verwaltet, was in den hohen Haushaltsüberschüssen der letzten Jahre erkennbar sei. In Bezug auf Liquidität und Schulden würde München einen „nachhaltigen Managementansatz“ verfolgen.

Nürnberg im Rating-Mittelfeld

Die bayerische Stadt Nürnberg landet – trotz sehr gutem institutionellem Rahmen – im Mittelfeld der untersuchten Städte. So ließen Haushaltsentwicklung und der – investitionsbedingt – recht hohe Schuldenstand auf Verbesserungspotential beim Management schließen. Besondere Sorge bereiten S&P die hohen Eventualverbindlichkeiten der Stadt Nürnberg. So hätte die (freiwillig, Anm. der Redaktion) doppisch buchende Stadt kaum Rückstellungen gebildet. Insbesondere vom Flughafen und der Messe gingen Risiken für den städtischen Haushalt aus.

 

Nürnbergs Stadtkämmerer Harry Riedel (SPD) kommentiert gegenüber DNK, dass zwar Vieles an der Analyse nachvollziehbar sei, der Bericht aber die Problematik externer Ratings „auf wunderbare Weise“ zeige: „Den Städten, die aufgrund sprudelnder Gewerbesteuereinnahmen eine gute Haushaltsentwicklung aufweisen, wird ein gutes, sparsames Finanzmanagement attestiert, den anderen Verbesserungsbedarf unterstellt. Das ist offensichtlicher Unsinn, weil der Erfolg des jeweiligen Finanzmanagements eben auch an den externen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gemessen werden müsste.“ Dies zeige sich schon allein bei einem Vergleich von Nürnberg und München.‎

Essen: Klieve kritisiert Rating-Qualität

Die vergleichsweise schlechte Bewertung der Ruhrmetropole Essen begründet S&P mit dem hohen Schuldenstand, der kurzfristigen Finanzierung und der geringen Haushaltsflexibilität, welche mit einem niedrigen Investitionsniveau verbunden ist. Essens Stadtkämmerer Lars Martin Klieve (CDU) bestreitet zwar weder die hohe Verschuldung noch die strukturelle Schwäche der Stadt. Gleichwohl sagte er gegenüber DNK, dass sich „einige irrige Angaben“ in der Untersuchung befänden. So würde S&P reiche Städte mit einem guten Finanzmanagement und einer guten Liquiditätslage und schwache Städte mit einem schlechten Finanzmanagement und einer schlechten Liquiditätslage gleichsetzen. Essen hätte einen ausgezeichneten Zugang zum Kapitalmarkt, außerdem sei über vier Fünftel des Kreditvolumens zinsgesichert. Auch würde der Stärkungspakt NRW doch erkennen lassen, wie sehr dem Land an der finanziellen Genesung der Kommunen gelegen sei. Klieves Fazit: „Die oftmals während der Finanzkrise bemängelte unzureichende Qualität der Aussagen von Ratingunternehmen wird hier wieder einmal aufs Neue demonstriert.“

 

Standard&Poor’s versucht seit Jahren im deutschen Kommunalmarkt Fuß zu fassen. Bislang wehren sich die Kommunen erfolgreich gegen externe Ratings, welche aus der Sicht der allermeisten Kämmerer zu insgesamt schlechteren Finanzierungskonditionen führen könnten. Sollten sich Banken allerdings weiter zurückziehen und alternative Finanzinstrumente weiter an Bedeutung gewinnen, könnten Kommunen langfristig evt. um ein Rating nicht herum kommen: Insbesondere ausländische Investoren tun sich mit der Einschätzung der föderalen Haftungsstrukturen schwer, ein Rating würde sicherlich helfen, weitere Investorengruppen zu erschließen. 

 

k.schlueter(*)derneuekaemmerer(.)de