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Gleichwertige Lebensverhältnisse: Ansätze und Strategien

Die Bundesregierung hat im Sommer 2018 die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ eingesetzt. Sie soll Antworten finden auf Fragen, die die regionale Ungleichheit zwischen den Lebenschancen der Menschen betreffen. Ihr Auftrag wird durch schwierige Rahmenbedingungen begleitet: Teile der Bevölkerung wenden sich vom öffentlichen Gemeinwesen ab und stellen seine Fähigkeit infrage, grundlegende gesellschaftliche Probleme zu lösen. Zugleich werden die ungleich verteilten Wirkungen von Klimawandel, Urbanisierung und Digitalisierung als „glokale“ Megatrends spürbarer. Sie erfordern eine grundlegende Neuausrichtung – eine Transformation – der Daseinsvorsorge in den Städten und ihren Regionen.

Das Handeln der kommunalen Akteure der Daseinsvorsorge – der Politik, Verwaltung und ihrer Beteiligungsunternehmen – muss an inklusiven Wachstumszielen ausgerichtet werden: auf eine Entwicklung, die allen Bevölkerungsteilen zugutekommt, Lebenschancen fair verteilt, Transparenz und Partizipation im Gemeinwesen ermöglicht. Auf dem Symposium diskutierten die Teilnehmer mit dem Stadt-Umland-Verhältnis, Open Government und volkswirtschaftlichen Themen Konzepte und Stellschrauben an der Schnittstelle von Finanzen, Stadtentwicklung und Governance.

Hebel für Kommunen

Eine adäquate Verkehrsinfrastruktur, eine effiziente Nutzung von Flächen für die Gewerbeentwicklung und Bildungsangebote sind klassische Stellschrauben kommunaler Entwicklung. Aber auch die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Angehörigenpflege mit dem Beruf sind inklusive Ansatzpunkte – ebenso wie die Schaffung einer zukunftsfähigen Wirtschaftsstruktur mit günstigen Rahmenbedingungen für Gründer. Diese zahlreichen Beispiele verdeutlichen, dass Kommunen Hebel haben, die Transformation zu gestalten und die breite Bevölkerung durch eine inklusive Politik teilhaben zu lassen.

Wir werden heute über den Weg zur „grünen Null“ sprechen, über die Zukunft und den Weg dorthin, der viele Risiken, finanzieller und nichtfinanzieller Art, meistern muss: glokale Risiken fordern globales Denken und lokales Handeln. Nie waren die Chancen dafür so gut wie heute, in dieser vernetzten Welt!

Gabriele C. Klug (Stadtkämmerin a. D. der Stadt Köln)

Auch das Stadt-Umland-Verhältnis stellt einen Ansatzpunkt inklusiver Politik dar. Sowohl zwischen einzelnen Regionen als auch auf der Ebene von Stadtquartieren sind schon auf kleinem Raum auseinanderlaufende Entwicklungspfade erkennbar. Das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft konzentriert sich in den Städten und führt dort zu spürbaren Folgen für den Klimaschutz und eine nachhaltige Flächennutzung. Schon in den erweiterten Stadtregionen sind die Tendenzen jedoch entgegengesetzt: Die Bevölkerung nimmt ab und altert vielerorts, während fundamentale Leistungen der Daseinsvorsorge sich weiter verknappen.

Es gibt somit viel Potenzial, um die unterschiedlichen Problemlagen in Städten und auf dem Land durch Abstimmung und Kooperation zu adressieren. Ziel muss sein, die Daseinsvorsorge mit Hilfe koproduktiver Lösungen in den Stadtregionen effizienter zu gestalten und Daseinsvorsorgeleistungen vor allem für die Infrastruktur gemeinsam zu entwickeln. Metropolregionen können hierzu beitragen. Die Kommission des Bundes muss die Lösungen aus den Stadtregionen als Ausgangspunkte begreifen.

„Open Government“ auf kommunaler Ebene

Kommunen wie auch Bund und Länder sind heute mehr denn je angehalten, ihre Entscheidungsprozesse durch Kooperation und Partizipation zu öffnen. Dies gilt insbesondere für die Zivilgesellschaft. „Open Government“ ist in diesem Zusammenhang eine Strategie, die sich als Governance-Prinzip zunehmend international und auch bis auf die kommunale Ebene verankert. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die in Person von Dr. Martin Forst mit einer Key Note auf dem Symposium ihr Konzept vorstellte, definiert Open Government als „eine Governance-Kultur, die die Leitprinzipen Transparenz, Integrität, Rechenschaftspflicht und Stakeholder-Partizipation zur Unterstützung von Demokratie und inklusivem Wachstum fördert“.

Die kommunale Ebene nimmt als bürgernahste eine besondere Verantwortung ein, die Vorteile von Transparenz- und Partizipationsstrategien wie Open Government für eine inklusivere Entwicklung zu erproben und zu etablieren. Nirgendwo sonst sind die Wirkungen politischer Entscheidungen so deutlich spürbar, was besonders die kommunalen Infrastrukturen und ihre Bedeutung im täglichen Leben betrifft. Daher dürften Partizipationsprozesse gerade in den Städten und auf der kommunalen Ebene insgesamt auf den größten Widerhall treffen und dazu beitragen, Akzeptanz und Vertrauen in die öffentlichen Institutionen zurückzugewinnen. Sie schaffen zudem die Voraussetzung dafür, dass Kommunen das Wissen der Bürger – als Nutzer kommunaler Leistungen – nutzen und so ihre Leistungen effizienter und effektiver erbringen können.

Staaten sollten sich heute nicht die Frage stellen: Was kosten Maßnahmen zur Umsetzung von Open Government? Vielmehr sollten sie sich fragen: Was kostet es uns, wenn wir es nicht tun?

Martin Forst (OECD)

Auch die Stadt Köln hat mit einem Open-Data-Portal, dem Bürgerhaushalt und weiteren Instrumenten bereits eingehende Erfahrungen mit Bausteinen des Open Government gesammelt. So ist sie „Modellkommune Open Government“ im gleichnamigen Projekt des Bundesministeriums des Innern.

Digitalisierung als Motor der Transformation

Die Bedingungen für inklusives Wachstum sind gut. Hierzu kann auch die Digitalisierung beitragen. Sie ist einerseits ein Motor der Transformation, der mit ökologischen und sozialen Risiken behaftet ist. Andererseits kann sie zugleich Mittel sein, um die Transformation aktiv und inklusiv zu gestalten.

Inklusives Wachstum erfordert hohe Investitionen und eine verantwortungsvolle Umsetzung im Sinne aktiver, starker Akteure der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie Jens Libbe (Deutsches Institut für Urbanistik, Difu) betonte. So müssen etwa Smart City-Konzepte ihr Potenzial in dienender Funktion für die Daseinsvorsorge in Städten und Regionen entfalten.

Was aber sind die Instrumente des Finanzbereichs, um inklusives Wachstum dauerhaft zu unterstützen und die notwendigen Ressourcen zuverlässig bereitzustellen? Welche Methoden helfen, um für nachhaltige Finanzen zu sorgen?

Die Verantwortung des Finanzbereichs liegt darin, Ressourcen langfristig und verlässlich bereitzustellen und die Handlungsfähigkeit „in Zeiten der Transformation“ zu sichern. Diese Idee verbindet sich eng mit der Idee generationenübergreifender Gerechtigkeit – ein konstitutives Element einer verantwortlichen Finanzpolitik und einer jeden inklusiven Entwicklung.

Das „Kölner Tragfähigkeitskonzept“

Die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser nannte beispielhaft die Nachhaltigkeitsanleihe und die Ausschreibung eines nachhaltigen Aktienfonds für den landeseigenen Pensionsfonds als Instrumente, die die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes umsetzen und auch Ansatzpunkte für Kommunen sein könnten. Der Kölner „Nachhaltigkeitshaushalt“ verbindet Finanzressourcen aus dem Haushalt mit Nachhaltigkeitszielen wie den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Er misst die Nachhaltigkeitswirkung auf Produktebene und ermöglicht, diese zu monitoren.

Beim Symposium wurde erstmals ein generationenübergreifendes Finanz-Szenario für den „Konzern Stadt Köln“ vorgestellt. Michael Thöne (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, FiFo Köln) zeigte am Beispiel inklusiven Wachstums, wie Wirtschaftspolitik, teilhabeorientierte Daseinsvorsorge und finanzielle Nachhaltigkeit zusammenwirken können – aber auch wie Konnexitätsfragen und Bestandschulden es Kommunen strukturell erschweren können, ein öffentliches Vermögen samt einer zukunftsfähigen Infrastruktur für kommende Generationen zu erhalten. Grundlage war das doppische „Kölner Tragfähigkeitskonzepts“, das im Projekt „Leistungsfähige Infrastruktur generationengerecht finanziert“ von Difu und FiFo Köln entwickelt wurde.

Hier geht es also längst nicht mehr nur darum, Einnahmen und Ausgaben auszugleichen. Es geht darum, ich sage es mit meinen Worten: dass Köln enkelfähig wird.

Ursula Heinen-Esser (Umweltministerin des Landes Nordrhein-Westfalen)

Grundlagen für Vertrauen und Akzeptanz

Welche Strategien gibt es, die Transformation inklusiv zu gestalten? Wie kann das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und ihre Handlungsfähigkeit zurückgewonnen werden? Die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Zeiten urbaner Transformation erfordert langfristige Strategien und Konzepte. Inklusives Wachstum bildet ein Konzept, dass breite Teilhabe in der Bevölkerung und Partizipation vereint. Es sind Grundlagen für Vertrauen und Akzeptanz in das Gemeinwesen. Die Finanzpolitik kann – in übergreifender Verantwortung aller Verwaltungsebenen – zu inklusiver Entwicklung und gleichwertigen Lebensverhältnissen beitragen. Datenbasierte, methodisch fortschreibbare Instrumente zeigen, dass sie den Transformationsprozess inklusiv mit Blick auf die Finanzen und die kommenden Generationen als Denkrahmen aktiv begleiten können.

Max.Kuennemann(*)STADT-KOELN(.)DE

Max Künnemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Stabstelle des Dezernats Finanzen, Stadt Köln. Er leitet das Projekt „Leistungsfähige Infrastruktur generationengerecht finanziert“, das durch Stadtkämmerin a. D. Gabriele C. Klug initiiert wurde. Das Dezernat wird seit dem 24. Januar 2019 durch Stadtkämmerin Prof. Dr. Dörte Diemert geführt.

Info

Die ausführliche Online-Dokumentation des Symposiums ist auf www.stadt.koeln unter „Politik & Verwaltung“, „Stadtfinanzen“ abzurufen. An gleicher Stelle befinden sich die Abschlussberichte zum Projekt „Leistungsfähige Infrastruktur generationengerecht finanziert“ – einschließlich der langfristigen Finanz-Szenarien und den Forschungsergebnissen zu Konnexität (Q1 2019).