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Amtsfluencerin

Der öffentliche Dienst muss attraktiver werden! So lautete zum Jahresende die Forderung des dbb, bezogen auf den öffentlichen Dienst der Länder und vor dem Hintergrund der laufenden Tarifverhandlungen. Aber auch davon losgelöst gilt die Forderung als allgemeines Ziel, denn Arbeitsverdichtung und Personalmangel machen der öffentlichen Verwaltung zu schaffen. Einer Erhebung des dbb nach fehlen dem Staat mehr als 500.000 Beschäftigte.  

„Wenn überall gute Leute fehlen, muss der öffentliche Dienst attraktiver werden, um sie zu halten und neue zu gewinnen“, sagte dbb-Tarifchef Volker Geyer am 6. November im Zusammenhang mit der ergebnislosen zweiten Runde der Tarifverhandlungen. Dass eine attraktive Bezahlung zu den zentralen Faktoren bei der Berufswahl zählt, steht außer Frage. Das Image des Arbeitgebers und das der Tätigkeit spielen aber auch eine wichtige Rolle, und der öffentliche Dienst hat unter Vorurteilen und Klischees zu leiden.

Mit zahlreichen Kampagnen versucht der Staat seit längerem dagegenzuhalten. Bislang ist der große Erfolg jedoch ausgeblieben. Nun gibt es Grund zur Hoffnung – ausgerechnet aus Neukölln: Über Social Media verbreitet sich ein liebevoll überspitztes Bild vom Alltag auf dem Amt. 220.000 Follower hat die sich selbst als „Amtsfluencerin“ bezeichnende „Conny from the block“ bei Instagram, mehr als 80.000 bei TikTok. Ihre Videos wurden bereits mehrere Millionen Mal geklickt.

„Da bin ick nicht zuständig, Mausi“

Mit Berliner Schnauze, Stimmenverzerrern und Filtern parodiert sie in kurzen Videos Alltagssituationen und Behördenwahnsinn. Conny ist einer von sechs Charakteren, die allesamt in einer Berliner Behörde angesiedelt sind. „Da bin ick nicht zuständig, Mausi“, lautet nicht nur ein klischeehafter Ausspruch der Kunstfiguren, sondern auch das jüngst veröffentlichte Buch der Schöpferin von Conny, die ihre wahre Identität zwar nicht preisgibt, aber öffentlich über ihre Vita spricht.

In einem MDR-Fernsehinterview berichtet sie, dass sie als Recruiterin für Nachwuchskräfte in einer Berliner Behörde tätig war – im Beamtenstatus. „Conny from the block“ entstand in der Coronazeit – als Hobby. Sie habe nie vorgehabt, Satire zu machen. Aber als Verlage auf sie zukamen und sie anfing, das Buch zu schreiben, sei sie zunächst in Teilzeit gegangen und habe sich schließlich entlassen lassen – mit einem weinenden Auge. Unterm Strich mache sie aber immer noch das Gleiche wie vorher: Personalgewinnung. Mit dem, was sie jetzt mache, erreiche sie nur hunderttausendfach mehr Menschen als vorher. „Menschen bewerben sich wegen meines Profils in Behörden, nachweislich“, sagt die „Amtsfluencerin“.

Flurfunk aus deutschen Behörden

Neben ihren Social-Media-Kanälen, dem Buch und Lesungen hat „Conny from the block“ auch einen eigenen Podcast. Unter dem Titel „Amtlich! Flurfunk aus deutschen Behörden“ spricht sie mit wahren Menschen über ungewöhnliche Jobs und den Alltag im öffentlichen Dienst.

Auf die Frage, wie sie sich ihren Erfolg erklärt, antwortet die Schöpferin von „Conny from the block“ im MDR: „Es gibt noch nicht so viel zum Thema Amt und Behörde. Da spricht fast niemand drüber, und wenn, dann nur negativ.“ Conny hingegen hebt in ihren Beiträgen die Bedeutung von Behörden hervor, die Wichtigkeit der Jobs im öffentlichen Dienst, den Zusammenhalt unter Kollegen und die Vorteile öffentlicher Arbeitgeber beispielsweise beim Thema Work-Life-Balance. Daran sollten sich moderne Arbeitgeber orientieren – wenn es darum geht, Menschen für Behörden zu gewinnen.

v.wilke@derneuekaemmerer.de

Info

Dieser Beitrag ist zuerst in der Ausgabe 4/2023 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier geht es zur Newsletteranmeldung.

Vanessa Wilke ist gemeinsam mit Sarah Döbeling Chefredakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster arbeitete Vanessa Wilke als freie Journalistin beim Handelsblatt, bis sie 2003 ihr Volontariat bei FINANCE begann. Dort entwickelte sie im Jahr 2004 die Zeitung „Der Neue Kämmerer“ sowie den „Deutschen Kämmerertag“ und leitete anschließend die Redaktion. 2017 begann sie mit der Entwicklung von „OBM – Zeitung für Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister“. 2020 folgte die Weiterentwicklung dieses Themenfelds in der Plattform #stadtvonmorgen, die seitdem ebenfalls zu ihrem Verantwortungsbereich zählt.