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Erster digitaler Gewerbesteuerbescheid in Rostock

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Ausgangspunkt war die Frage, welche Prozesse in der Finanzverwaltung prioritär digitalisiert werden müssten, um extern wie intern die größten Effizienzgewinne zu erzielen. Die Erhebung der Gewerbesteuer als datenintensives Massenverfahren mit großer wirtschaftlicher und fiskalischer Bedeutung stach dabei hervor. So kam es im Herbst 2021 zu der Entscheidung, Rostock als Testkommune aktiv am bundesweiten Projekt „Elektronischer Gewerbesteuerbescheid“ zu beteiligen.

Zunächst musste das örtlich genutzte Haushalts-, Kassen- und Rechnungssystem „proDoppik“ (kurz: HKR-System) softwareseitig angepasst werden, um den eingehenden Datensatz vom Finanzamt empfangen, einlesen, verarbeiten und als digitalen Gewerbesteuerbescheid in das elektronische Postfach des Unternehmens zustellen zu können. Dabei war Teamarbeit gefragt: Spiralförmig arbeiteten sich die Mitarbeitenden an die Lösungen heran. Systemische Anpassungen, die die Datenverarbeitungs- und Beratungsgesellschaft H&H durchführte, konnten sie auf der Testumgebung ausführlich testen. Der IT-Dienstleister baute das Feedback in die nächste Version ein, die dann erneut getestet wurde. Auf diese Weise entwickelten die Projektbeteiligten das HKR-System weiter, bis es den technischen Anforderungen entsprach.

Schlüsselerlebnisse

Das Testen hatte zwei Facetten, die ineinandergriffen. Erstens: das Testen der neuen Funktionalitäten des HKR-Systems, bis der digitale Gewerbesteuerbescheid bereit zum Versand war. Zweitens: die Zustellung des digitalen Gewerbesteuerbescheids an das Unternehmen (Anschluss an „Elster-Transfer“ im Ausgangskanal). Beim Testen hatten die Mitarbeitenden der Finanzverwaltung zahlreiche Schlüsselerlebnisse, zum Beispiel bei den richtigen Grundeinstellungen der Postbox. Ein besonderer Moment war außerdem, als der erste digitale Gewerbesteuerbescheid in die Sandbox einging. Die Sandbox ist eine Variante von „Elster-Transfer“, um die Anbindung des HKR-Systems an die „Elster-Transfer“-Anwendung im Testbetrieb erproben zu können.

Der Test der Zustellung eines ersten digitalen Bescheids an ein städtisches Unternehmen war ein weiteres Highlight: Die Kooperation im Stadtkonzern machte es möglich, einen echten digitalen Bescheid zu versenden, jedoch nur zu Testzwecken. Das brachte wertvolles Feedback – ohne jedes Risiko. Wäre der digitale Bescheid nicht rechtssicher angekommen, hätten keine Rechtsfolgen gedroht, da die Partner wussten, dass das Amt noch testete. Nach zwei Jahren Zusammenarbeit im Projekt konnte Mitte Dezember 2023 der erste digitale Gewerbesteuerbescheid im Echtbetrieb erfolgreich an ein Unternehmen zugestellt werden.

Erfolgsfaktoren

Die Verzahnung innerhalb der Stadtverwaltung war ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Den Grundstein hatte Amtsleiterin Anja Giese bereits vor Jahren gelegt, indem sie das Know-how für Steuern und IT in einer Abteilung zusammengeführt hatte. Operativ galt es dann, Kapazitäten freizuschaufeln, damit die Mitarbeitenden sich dem neuen Projekt widmen konnten. Das Kernteam bildeten Sachgebietsleiterin Kristina Schulz und IT-Anwendungsbetreuer Jan Walter. Eine Seite brachte das fachliche Wissen zur Gewerbesteuer mit, die andere Seite die IT-technischen Kompetenzen. Diese Bündelung des Sachverstands war Grundlage des Projekterfolgs.

Weiterhin waren Ausdauer und Intensität beim Testen erfolgsentscheidend: Anfangs täglich eine Stunde wurde zuletzt systematisch mehrere Wochen lang jeden Tag mehrstündig getestet. Dies erfolgte immer im Team, um etwaige Komplikationen aus verschiedenen Perspektiven beleuchten zu können. Wesentliche Arbeitserleichterung in Rostock war, dass „Elster-Transfer“ im Eingangskanal (Finanzamt an Kommune) schon angeschlossen war. Dies bereits vorab durchzuführen, ist empfehlenswert, denn so können die Kapazitäten zielgerichtet auf die Anbindung des HKR-Systems an „Elster-Transfer“ im Ausgangskanal fokussiert werden. Relevant für die digitale Steuerkommunikation ist hierbei der Unterschied zwischen „Mein Elster“ und „Elster-Transfer“. „Mein Elster“ ist ein Webdienst, verfügbar im Internet. „Elster-Transfer“ hingegen ist eine Software, die lokal oder auf dem Server installiert wird. Beide Anwendungen können digitale Grundlagenbescheide vom Finanzamt empfangen. Jedoch nur „Elster-Transfer“ ermöglicht es, Bescheide aus H&H proDoppik an den Steuerpflichtigen zu versenden (Rückkanal), ebenso den Zustell- und Abholstatus anzuzeigen.

Perspektive

Als Nächstes steht die systemische Rückmeldung an, die den Abrufstatus des Bescheids in das HKR-System zurückspiegelt. Ein weiteres großes Thema wird die Zerlegung sein. Hier wird Rostock beim länderübergreifenden Testen mit NRW mitwirken.
Da der Prozess derzeit noch von manuellen Schritten durchzogen ist, wird das Projekt auch zukünftig weiteren Einsatz erfordern, um den elektronischen Gewerbesteuerbescheid in möglichst naher Zukunft volldigital und flächendeckend einsetzen zu können.
Testszenarien sowie eine How-to-Anleitung mit Tipps und Tricks beim digitalen Gewerbesteuerbescheid stellt Rostock interessierten Kommunen gerne zur Verfügung.

Autor

Dr. Chris von Wrycz Rekowski ist Senator für Finanzen, Digitalisierung und Ordnung.
Kendra Schöne ist Leiterin der Abteilung Kommunale Steuern und Abgaben im Finanzverwaltungsamt. Beide arbeiten für die Hanse- und Universitätsstadt Rostock.
steuern@rostock.de

Info

Der Gastbeitrag ist zuerst in der aktuellen Ausgabe 1/2024 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier gelangen Sie zum E-Paper und hier zur Newsletteranmeldung.