Beim Schreiben der letzten Runde für die letzte Ausgabe des Jahres 2024 ist Weihnachten nicht mehr fern. Mit dem Beginn der besinnlichsten Jahreszeit mehren sich Zeitungsberichte über bald bevorstehende Weihnachtsmärkte. Wie jedes Jahr werden damit allerorten Weihnachtsbäume auf den zentralen Plätzen der Kommunen aufgestellt – wie auch im niedersächsischen Delmenhorst nahe Bremen.
Dort ziert jedes Jahr ein großer Weihnachtsbaum, zumeist eine Nordmanntanne, den Rathausplatz. Damit markiert der Baum nicht nur den Beginn der Adventszeit, sondern auch ziemlich die Mitte des alljährlichen Weihnachtsmarktes. So viel zur Tradition. Doch in diesem Jahr war die Tanne, laut Lokalpresse, mit 13 Metern Höhe mutmaßlich die größte, die die Stadt jemals aufstellen ließ, nach nur drei Stunden wieder weg – entsorgt. Gegenüber dem „Delmenhorster Kreisblatt“ teilte die Stadtverwaltung mit: „Beim Aufstellen des Baumes wurde festgestellt, dass er den Qualitätsansprüchen der Stadt Delmenhorst nicht entspricht. Der hinzugezogene Lieferant des Baumes folgt der Einschätzung der Stadt Delmenhorst und will bis Montag einen Ersatzbaum in erwarteter Qualität bereitstellen.“
Eine schöne Bescherung! Allein der Aufbau des Weihnachtsbaumes sorgt für beträchtlichen Aufwand. Laut Zeitungsbericht leistete der städtische Baubetriebshof mit Unterstützung eines Privatunternehmens ganze Arbeit, drei Arbeitsfahrzeuge waren vor Ort, „fast ein Dutzend Menschen legten Hand an“. Immerhin, die neue Tanne wird laut Information des Fachdienstes Stadtgrün und Naturschutz für keine Mehrkosten bei der Stadt sorgen. Sie sei vom Lieferanten ausgetauscht worden, erklärte die Stadt gegenüber DNK.
Innere Werte des Weihnachtsbaumes?
War der Baum nicht standsicher, so dass er wieder entsorgt werden musste? Nein, allein auf die Optik wurde er reduziert: In mehreren Zeitungen hieß es übereinstimmend, der Baum sei einfach zu hässlich gewesen. Das sei auch vielen Bürgern aufgefallen. Zu hässlich? Auf einem in einer Zeitung veröffentlichten Foto war zu sehen, dass die unteren Astreihen tatsächlich etwas licht waren, insgesamt sah der Baum jedoch schön grün und gerade gewachsen aus. Hätte man nicht den Stamm etwas kürzen, die unteren Äste entfernen können, anstatt ihn kurzerhand zu entsorgen? Gerade an Weihnachten, dem Fest der Geburt Jesus, der laut biblischer Geschichte in einem Stall neben Ochs‘ und Esel geboren wurde, hätten Bürger und Stadt doch etwas mehr auf die inneren Werte setzen, Nächstenliebe und Barmherzigkeit für den Baum erübrigen können.
Hätte ein weniger perfekter Baum in Zeiten des Klimawandels nicht auch ein Sinnbild für die Natur sein können, die wir Menschen zunehmend rasant und besonders nachhaltig zerstören? Oder wäre nicht auch kein Weihnachtsbaum eine ernsthaft zu diskutierende Option gewesen? Stattdessen einfach den mutmaßlich größten Weihnachtsbaum, den die Stadt jemals hatte – wenn auch nur für drei Stunden –, gleich doppelt zu fällen und direkt wieder zu entsorgen, entbehrt jeder Logik. Ein Blick nach Italien zeigt, wo die Weihnachtsreise hingehen könnte. Dort wollte man eine 200 Jahre alte und 30 Meter hohe Rotfichte fällen, um sie als Weihnachtsbaum im Vatikan aufzustellen. Doch Widerstand regte sich bei den Bewohnern des Ortes, an dem der Baum jetzt (vielleicht) noch steht.
ak.meves@derneuekaemmerer.de
Info
Der Beitrag ist als „Letzte Runde“ zuerst in der aktuellen Zeitungsausgabe 4/2024 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier geht es zur Newsletteranmeldung.
Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.

