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ÖPP: Hand in Hand Erfolgsmodelle schaffen

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Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre sind gerade im Abfallbereich und für die Stadtreinigung etliche sogenannte institutionalisierte öffentlich-private Partnerschaften (IÖPPs) abgeschlossen worden. Bei IÖPPs handelt es sich um eine Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Sektor auf der Grundlage gesellschaftsrechtlicher Strukturen, insbesondere im Bereich der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur.

Da diese Strukturen aus vergaberechtlichen Gründen typischerweise auf 15 bis 25 Jahre angelegt sind, stellt sich nun regelmäßig die Frage, wie der betreffende Bereich nach dem Ende der Kooperation neu strukturiert werden kann. Vor dieser Frage standen zum Beispiel in den Jahren 2018/2019 die Stadt Frankfurt am Main mit ihrer 51-prozentigen Tochtergesellschaft Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) und im Jahr 2020 die Landeshauptstadt Düsseldorf mit ihrer (mittelbaren) Minderheitsbeteiligung an der AWISTA Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung mbH.

Info

Sie wollen mehr über das Frankfurter Modell wissen? Die DNK-Redaktion veranstaltet gemeinsam mit der Kanzlei Görg am 5. Juli 2023 ein Webinar, in dem der Leiter des Frankfurter Umweltamts Peter Dommermuth über das Projekt berichtet. Hier geht es zur Anmeldung.

Strategischer Partner für Kommunen

Eine Möglichkeit der Neustrukturierung ist, die der Kooperation zugrundeliegenden Leistungsverträge – etwa zur Abfallsammlung und -entsorgung – neu auszuschreiben. Alternativ zur Ausschreibung der Leistung kommt aber auch eine Ausschreibung auf Gesellschaftsebene in Betracht.

Die Kommune sucht sich dabei einen neuen strategischen privaten Partner, indem sie beispielsweise den Minderheitsanteil von 49 Prozent an der bestehenden IÖPP-Gesellschaft in den Wettbewerb stellt. Gegenstand dieser europaweiten Ausschreibung ist damit die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils, also ein „Share Deal“. Die neuen Leistungsverträge, die der Transaktion zugrunde liegen, werden im Vorfeld des Vergabeverfahrens unter Wahrung preisrechtlicher Vorgaben abgeschlossen und machen damit den auszuschreibenden Gesellschaftsanteil werthaltig.

Ausschreibung der Anteile

Die Vorteile der Ausschreibung auf Gesellschaftsebene liegen auf der Hand: Sie ermöglicht eine langfristige Kontinuität der bestehenden IÖPP-Gesellschaft als (teil-)kommunales Unternehmen und verschafft der Kommune damit im Ergebnis Planungssicherheit in einem wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge. Während ein Ausschreibungsturnus bei Leistungsverträgen seine Grenze meist bei Vertragsdauern zwischen vier und sechs Jahren findet, kann eine gesellschaftsrechtliche Kooperation insbesondere aufgrund ihrer vergleichsweise langen Amortisationsdauer auch nach den Vorgaben der EU regelmäßig für 20 bis 25 Jahre abgeschlossen werden.

Der in der IÖPP-Gesellschaft geschaffene Unternehmenswert bleibt daher langfristig stabil – genauso wie die Gebühren für die Bürgerinnen und Bürger. Auch für die Sicherheit der Arbeitsplätze bietet diese Konstruktion erhebliche Vorteile gegenüber der Ausschreibung auf Leistungsebene.

Entscheidender Einfluss für öffentliche Hand

Ein weiterer Vorzug dieser Modellvariante besteht darin, dass die öffentliche Hand ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung so gestalten kann, dass ihr ein deutlicher Einfluss auf das operative Geschäft zukommt, ohne dass der für den Erfolg der IÖPP-Gesellschaft ebenso maßgebliche unternehmerische Spielraum des privaten Partners verlorengeht.

Dabei kann die Kommune auch auf einen Know-how-Transfer in die Gesellschaft hinwirken, etwa um den betreffenden Sektor perspektivisch zu rekommunalisieren. Die Ausgestaltung der kommunalen Einflussmöglichkeiten sowie der unternehmerischen Spielräume des Privaten erfolgt typischerweise in einem Konsortialvertrag, der zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Partner zustande kommt, sobald der Zuschlag erteilt ist.

Hochwertige Standards festschreiben

Dieser Vertrag kann auch die Spielräume der IÖPP-Gesellschaft im gewerblichen Geschäft oder bei Drittgeschäften konkretisieren und weitere Regelungen treffen, die sich auf die Gewinnerwartungen der IÖPP-Gesellschaft und damit den Mittelzufluss in den kommunalen Haushalt auswirken.

Zudem können die Parteien hier qualitativ hochwertige Standards bei der Leistungserbringung festschreiben, deren Entwicklung beispielsweise anhand von ESG-Aspekten den privaten Unternehmen im Wettbewerb um den Gesellschaftsanteil vorgegeben werden kann. Nicht zuletzt besteht bei dieser Ausschreibungsvariante die Chance, vom Sieger des Vergabeverfahrens einen nennenswerten Kaufpreis für den Gesellschaftsanteil zu generieren.

Das „Frankfurter Modell“

Die bisherige Praxis hat belegt, dass der Markt das beschriebene Modell gut annimmt und es auch – wenngleich rechtlich komplex – handhabbar ist. Umgesetzt wurde es beispielsweise im „Frankfurter Modell“, mit dem die Stadt Frankfurt am Main in einem pilothaften Vergabeverfahren im Jahr 2019 49 Prozent der Anteile an der FES ausgeschrieben und im September 2020 durch Zuschlagserteilung erfolgreich abgeschlossen hat.

In weiteren Fällen hängt die Realisierung des beschriebenen Modells davon ab, wie die Endschaftsregelungen – also die Vorgaben für die Fortsetzung oder das Ende – der bisherigen (auslaufenden) IÖPP-Kooperation ausgestaltet sind. Hat die öffentliche Hand demnach Zugriff auf die Gesellschaftsanteile des privaten Partners, lassen sich die Voraussetzungen für eine Neuausschreibung des Gesellschaftsanteils vergleichsweise zügig schaffen. Anderenfalls muss die Kommune die Modalitäten erst mit dem privaten Partner im Einzelnen aushandeln.

IÖPP-Modell übertragbar

Für den Fall, dass bislang keine IÖPP-Gesellschaft besteht, kann die öffentliche Hand die dargestellte Modellvariante dafür nutzen, eine neue IÖPP-Struktur aufzubauen. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass die öffentliche Hand zunächst eine Gesellschaft gründet und der künftige private Partner die für die Leistungserbringung erforderlichen Assets mitbringt. Ebenso sind Fälle denkbar, in denen die öffentliche Hand aus einer vorangegangenen Kooperation Zugriff auf solche Assets hat, die eine neue IÖPP-Gesellschaft im Vorfeld der Ausschreibung übernimmt.

Das für den Abfallsektor beschriebene IÖPP-Modell kann dem Grunde nach auch auf andere Sektoren übertragen werden, in denen – insbesondere aufgrund vergaberechtlicher Bindungen – zeitlich begrenzte IÖPP-Strukturen existieren. Typische Anwendungsfälle sind etwa staatliche Daseinsvorsorgeleistungen im Verkehrs- oder Wasserversorgungssektor oder auf dem Gebiet des Rettungswesens.

hhofmann@goerg.de

Info

Dr. Heiko Hofmann und Dr. Matthias Menke sind Partner der Kanzlei Görg mit Schwerpunkt im Vergabe- bzw. Gesellschaftsrecht.

Dieser Gastbeitrag ist erstmals im März 2023 an dieser Stelle erschienen. Im Vorfeld des Webinars zu institutionalisierten ÖPP am 5. Juli 2023 veröffentlichen wir ihn hier erneut.

Dr. Sarah Döbeling

Dr. Sarah Döbeling ist gemeinsam mit Vanessa Wilke Chefredakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Sarah Döbeling hat Rechtswissenschaften in Kiel studiert und zu einem konzernrechtlichen Thema promoviert. Im Anschluss an ihr Volontariat bei der F.A.Z. BUSINESS MEDIA GmbH war sie bis 2015 Redakteurin des Magazins „FINANCE“ und verantwortete zudem redaktionell die Bereiche Recht und Compliance innerhalb von F.A.Z. BUSINESS MEDIA. Nach weiteren Stationen beim Deutschen Fachverlag und in einer insolvenzrechtlich ausgerichteten Kanzlei kehrte Sarah Döbeling im September 2017 in die F.A.Z.-Verlagsgruppe zurück und leitet seitdem die Redaktion der Zeitung „Der Neue Kämmerer“.