Herr Dr. Hopfe, Sie haben sich entschieden, Ende März in den Ruhestand zu gehen – nach einem langen Berufsleben und 18 Jahren bei der NRW.BANK – zunächst als Leiter der Abteilung Kundenbetreuung Öffentliche Kunden und seit 2016 als Leiter des Bereichs Förderberatung & Kundenbetreuung. Als Sie 2004 zur NRW.BANK kamen, ging es bei den Kommunen um die Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik. Heute geht es um Transformationsfelder wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wie schätzen Sie die aktuellen Herausforderungen ein?
Jede Zeit hat ihre spannenden Themen und Herausforderungen! Das Thema Nachhaltigkeit halte ich für sehr wichtig – vor allem aus Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Nun geht es darum, wie die Kommunen ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen können. Da genügt es keinesfalls, Nachhaltigkeitsprojekte nur daraufhin zu prüfen, wie sie finanziert werden können. Ein solcher Blick wäre zu kurz. Vielmehr geht es darum, neben der betriebswirtschaftlichen auch die gesellschaftliche Rendite zu erfassen. Dazu gehört auch die Betrachtung, in welchen Bereichen Förderprogramme eine wichtige Rolle spielen können. Was diesen Teil der Bewertung angeht, stehen wir noch ganz am Anfang. Aber wir arbeiten daran, und ich bin sehr gespannt, was beispielsweise die Studie „Nachhaltigkeitshaushalt und Nachhaltigkeitsrendite“, die das Difu aktuell im Verbund mit acht Städten und der NRW.BANK durchführt, ergibt.
Inwiefern könnten alternative Finanzierungskonzepte bei Nachhaltigkeitsprojekten zum Tragen kommen?
Vieles, was als „koproduktive“ und generationengerechte Finanzierung bezeichnet wird, halte ich für sehr interessant. Das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut an der Universität zu Köln hat zum Beispiel gemeinsam mit dem Difu und im Auftrag der Stadt Köln Instrumente zur Infrastrukturbedarfsschätzung sowie ein Tragfähigkeitskonzept entwickelt. Bei der Frage der entsprechenden Finanzierung denke ich nicht nur an ÖPP-Projekte, sondern auch an die Möglichkeit für Bürger, sich für ihre Kommune und den Staat einzubringen. Auf diese Weise können die Kommunen noch einiges voranbringen. Genossenschaftliche Modelle oder die Fonds bei Stadtwerken zur Finanzierung von nachhaltigen Energieprojekten sind hier nur einige Beispiele.
Mit ihren Vorgaben zur Taxonomie definiert die EU Kriterien und Standards nachhaltiger Investitionen. Werden die Gestaltungsspielräume der Kommunen darüber eingeengt?
Die möglichen Auswirkungen der Taxonomie sind nicht zu unterschätzen. Über das geplante Green-Asset-Ratio könnte sich für die großen Kreditgeber plötzlich die Frage stellen, für welches Projekt sie ihre Mittel zur Verfügung stellen und auch zu welchem Preis. Beim Kommunalkredit musste bislang niemand Auskunft über die projektmäßige Verwendung der Gelder geben. Kurzfristig ist dies auch nicht vorgesehen. Ändert sich das aber zukünftig, könnten die daraus gewonnenen Informationen plötzlich auch für die Beihilfekontrolle interessant sein. Außerdem wird dadurch das sogenannte Nonaffektationsprinzip, also das Gesamtdeckungsprinzip im kommunalen Haushalt, tangiert. Das kann noch spannend werden. Genaugenommen gehen wir schon in diese Richtung, weil schon heute grüne Projekte zu günstigeren Konditionen finanziert werden können als herkömmliche Projekte.
Unabhängig vom Thema Taxonomie könnten sich die Gestaltungsspielräume der Kommunen durch die sich abzeichnende Zinswende einengen. Was empfehlen Sie in diesem Zusammenhang den Kämmerinnen und Kämmerern?
Wenn die Zinsen steigen, kommt sicherlich die Diskussion über ein aktives Zinsmanagement zurück. Momentan sind viele Kommunen noch bei kurzen Zinsbindungen, aber das wird sich dann natürlich wieder ändern. Als ich vor 25 Jahren in die Beratung von Kommunen einstieg, war noch Tenor, dass man jede Finanzierung, die unter 6 Prozent abzuschließen war, festhalten musste. Dass wir einmal Negativzinsen haben würden, war unvorstellbar. Wenn jetzt die Zinsen steigen sollten, werden sich die Kämmerer und Kämmerinnen mit Themen wie Steuerung von Liquiditätskrediten, aber zum Beispiel auch mit dem Verhältnis zu den finanzierenden Institutionen (Creditor-Relation) beschäftigen müssen.
Denken Sie, dass die hochverschuldeten Kommunen beispielsweise bei der noch nicht geklärten Frage um die Altschulden auf die Unterstützung des Bundes zählen können?
Ja, die berühmte Altschuldenfrage begleitet uns nun schon sehr lange. Mal sehen, wie da schlussendlich eine Lösung aussehen wird. Unabhängig davon muss man sagen: Was die Städte in den vergangenen Jahren erreicht haben, ist schon sensationell. Dass der Bund zum Teil mit den Ländern zweistellige Milliardenbeträge zur Verfügung stellen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Das ist dem großen Engagement der Kämmerinnen und Kämmerer, aber auch der Hauptverwaltungsbeamten zu verdanken. Man muss sich vor Augen führen, dass die Kommunen Ende der neunziger Jahre noch keine Liquiditätskredite in der jetzigen Größenordnung angehäuft hatten. Dann kamen einige Entscheidungen des Bundes, die zu starken Belastungen der Kommunen geführt haben, und deshalb war der Ausgleich am Ende nötig.
Noch ein Blick zurück: Was hat Ihnen in Ihrer Karriere am meisten Freude bereitet?
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich im Laufe meiner Karriere immer neue Themen aufbauen durfte. Eines meiner größten Projekte war die Entwicklung von Suchalgorithmen für Förderprojekte bei der Investitionsbank. Ein anderes war die Einführung des Beteiligungscontrollings im Bauministerium des Landes NRW. Und dann habe ich die Beratung und Betreuung öffentlicher Kunden bei der NRW.BANK aufgebaut. Da hat mir mein Netzwerk aus den vorherigen Stationen sehr geholfen, und der Austausch mit den Menschen in den Kommunen über fast 25 Jahre hat mir immer viel Spaß gemacht. Aus intensiven Gesprächen sind teilweise tolle Ansätze entstanden.
Können Sie da Beispiele nennen?
Beispielsweise erinnere ich mich an ein Gespräch mit dem Wittener Kämmerer in den ersten Jahren meiner Tätigkeit bei der NRW.BANK. Er erklärte mir damals, dass man in den Kommunen nun zwar doppisch buche, aber weiterhin kameralistisch handele. Wir analysierten gemeinsam die Ursachen und leiteten schließlich den Lebenszyklusgedanken für Hochbauprojekte daraus ab. Dann haben wir gemeinsam mit engagierten Akteuren in der Landesverwaltung die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf eine neue Basis gestellt. Dass ich all das so mitgestalten durfte, war toll!
Worauf freuen Sie sich, wenn Sie an Ihren Ruhestand denken?
Ich freue mich besonders auf mehr Zeit mit meiner Frau und gemeinsame Unternehmungen. Außerdem ist bei den Kindern und dem Enkelkind auch immer etwas los. Mein Leben lang haben mich Doppel- und Dreifachbelastungen begleitet. Beispielsweise habe ich neben meiner Berufstätigkeit beim Finanzamt an der Abendschule mein Abitur nachgemacht, neben dem Beruf meine Dissertation geschrieben und bin seit vielen Jahren Lehrbeauftragter an der Fakultät für Raumplanung an der Technischen Universität Dortmund. Den Lehrauftrag möchte ich auch gerne mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Regionalwissenschaft erst mal behalten, denn diese Tätigkeit hat mir immer besonders viel Spaß bereitet, und zu viel Ruhe wird mir auch nicht guttun.