Sustainable Finance ist ein wesentliches Element in der Weiterentwicklung und Umsetzung der staatlichen Nachhaltigkeitsstrategie. Wichtig ist sicherzustellen, dass die kommunale Entscheidungshoheit nicht durch schlechtere Finanzierungsbedingungen beeinträchtigt wird.
Die Europäische Kommission und die „alte“ Bundesregierung haben das Ziel formuliert, die Finanzmarktkräfte an Nachhaltigkeitsgrundsätzen auszurichten (Sustainable Finance). Im Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode bekommt dieses Thema verstärkt Bedeutung.
Dort heißt es: „Wir wollen Deutschland zum führenden Standort nachhaltiger Finanzierung machen und uns dabei am Leitbild der Finanzstabilität orientieren. Angemessene Rahmenbedingungen für nachhaltige Finanzprodukte unterstützen wir. Nicht risikogerechte Eigenkapitalregeln lehnen wir ab. Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken sind Finanzrisiken. Wir setzen uns für europäische Mindestanforderungen im Markt für ESG-Ratings und die verbindliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Kreditratings der großen Ratingagenturen ein.“
Sustainable Finance (SF) wird daher ein noch größeres Gewicht als bisher bekommen. Es geht dabei vordringlich um Strategien, damit private und öffentliche Akteure am Finanzmarkt Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Ziel ist es,
- Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen zu lenken oder umzulenken,
- finanzielle Risiken aus dem Klimawandel, der Umweltdegeneration und den sozialen Spannungen zu erkennen und zu bewältigen,
- Transparenz und Langfristdenken zu stärken.
Diese Ausrichtung und die eingeleitete Regulierung für die Finanzbranche gelten als wesentliche Hebel für Veränderungen in der Wirtschaft zugunsten von Nachhaltigkeit.
Wie kann die Finanzbranche, wie können Banken zur Erneuerung der Wirtschaft, zum Erreichen der Klimaziele beitragen? Hier spielt die bereits beschlossene Taxonomie-Verordnung der EU-Kommission eine wichtige Rolle. Taxonomie ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits beschlossene Sache. Mit der Taxonomie-Verordnung werden Kriterien und Standards festgeschrieben, wie nachhaltige Investitionen zu definieren sind. Der 1. delegierte Rechtsakt, der die Umweltziele Klimaschutz und Klimaanpassung adressiert, gilt bereits seit Juni 2021. Am 2. delegierten Rechtsakt, der die weiteren Ziele beinhalten wird (Wasser- und Meeresressourcen, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung, Biodiversität und Ökosysteme) wird derzeit gearbeitet. Er soll bereits 2022 kommen. Vereinfacht ausgedrückt, geht es dabei um ein „Siegel für Nachhaltigkeit“.
Wichtige Akteure
Aber ist Sustainable Finance für Städte relevant? Ja, schon aus einem einfachen Grund: Städte sind wichtige Akteure der öffentlichen Hand bei der Entwicklung und praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien. Die Neuausrichtung der Regulierung von Finanzmärkten ist von Interesse, weil Städte bei der Finanzierung ihrer Investitionen auch auf Fremdkapital angewiesen sind. Städte sind zudem Finanzmarktakteure (zum Beispiel als Anleger und auch als Emittenten von Anleihen am Kapitalmarkt). Sie sind Träger von Sparkassen. Städte geben Bürgschaften, sind Anteilseigner von Beteiligungsgesellschaften und tragen damit entsprechende Risiken. Insbesondere große städtische Beteiligungsunternehmen werden im Rahmen ihrer Berichtspflichten nunmehr offenlegen, inwiefern ihre Tätigkeit und ihre Investitionen den bereits formulierten ökologischen Nachhaltigkeitsanforderungen der EU genügen.
Kommunale Investitionen
Fehlende finanzielle Möglichkeiten der Kommunen sind ein wesentliches Hemmnis für kommunalen Klimaschutz und für Investitionen in die soziale Infrastruktur. Der Investitionsbedarf ist enorm. Schon allein der Investitionsrückstand in Kommunen wird mit 149 Milliarden Euro beziffert (KfW-Kommunalpanel 2021). Die Herausforderungen des Klimaschutzes sind in diesen Daten allenfalls teilweise berücksichtigt.
Wobei eines klar ist: Die Städte fangen nicht erst heute an, sich um Klimaschutz zu kümmern. Vieles ist schon auf den Weg gebracht worden. Aber es ist auch klar, dass eine riesige Herausforderung vor uns allen liegt, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Städte finanzieren ihre Investitionen aus eigenen Einnahmen und in hohen Anteilen mit staatlichen Fördermitteln, zweckgebundenen Investitionszuweisungen sowie über Bankkredite. Der Koalitionsvertrag der Ampel sieht eine Vielzahl von Fördermaßnahmen/Förderprogrammen vor. Auch wenn Förderprogramme punktuell helfen können, für eine langfristige und damit nachhaltige Investitionspolitik wäre eine bessere Ausstattung der Städte mit frei verfügbaren höheren Anteilen am Steueraufkommen zielführender. Es besteht die Gefahr, dass nicht die demokratisch legitimierten Räte vor Ort entscheiden, sondern der Fördermittelgeber Bund mit dem Gängelband der Förderrichtlinien.
Kapitalmarktfinanzierung
Kapitalmarktfinanzierung spielt für die Städte bislang eine eher untergeordnete Rolle. Es gibt aber bereits auch städtische Beispiele für nachhaltige Kapitalmarktfinanzierungen: den Grünen Schuldschein der Stadt Hannover oder die „Münchner Stadtanleihe 2020“, die als „Social Bond“ ausgestaltet ist.
Mit der gegenwärtigen Ausrichtung von SF ist künftig von einer stärkeren Bindung der Finanzierung an konkrete Verwendungszwecke auszugehen. Projektfinanzierungen werden wohl künftig vermehrt im Fokus stehen, weil die Sichtbarkeit von sozialen und ökologischen Projekten eingefordert ist. Dennoch ist das Gesamtdeckungsprinzip bei der Finanzierung kommunaler Aufgaben elementar. Wichtig ist deshalb, dass der Kommunalkredit frei verfügbar bleibt. SF darf nicht dazu führen, dass durch schlechtere Finanzierungsbedingungen die kommunale Entscheidungshoheit beeinträchtigt wird.
Nachhaltige Anlagepolitik
Viele Städte haben sich bereits auf den Weg gemacht und haben für langfristige Geldanlagen Nachhaltigkeit als ein weiteres Ziel ihrer Anlagepolitik benannt. So lässt sich beispielsweise auf Berlin, Bonn, Bremen, Frankfurt am Main, Freiburg, Heidelberg, Kassel, Köln, Leipzig, Göttingen, Münster, Nürnberg, Oldenburg oder Stuttgart verweisen. Sie setzen auf individuelle Ausschlusskriterien und Negativlisten. Künftig wird zudem ein EU-Kennzeichen für „grüne“ Finanzprodukte nutzbar sein. So können (öffentliche) Anleger leichter erkennen, welche Investitionen den Kriterien der Umweltfreundlichkeit oder Emissionsarmut genügen.
Bei einer weiteren Ausformung von SF ist zu beachten, dass öffentliche Investitionen in Deutschland zu 54 Prozent kommunal sind. Die kommunale Ebene ist daher umfänglich und systematisch in die Weiterentwicklung und Umsetzung der staatlichen Nachhaltigkeitsstrategie einzubeziehen. Dabei sind alle Dimensionen von Nachhaltigkeit zu berücksichtigen: Neben den ökologischen sind auch die sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte zu beachten. Leistungen der Kommunen bei der Daseinsvorsorge, bei der Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur und bei der Umsetzung von Generationengerechtigkeit im örtlichen Finanzmanagement sind wesentlich für eine nachhaltige Finanzwirtschaft.