Die Digitalisierung der Verwaltung hat während der Kontaktbeschränkungen in den vergangenen zwei Jahren einen Schub erhalten. Gleichwohl weist der Hessische Rechnungshof auf Mängel im Planungs- und Projektmanagement hin. Präsident Dr. Walter Wallmann nannte in der Vorstellung der Bemerkungen zum Haushalt 2020 am 17. März unter anderem fehlende Prozessbeschreibungen, die sich nun rächen würden.
Kostensteigerungen um 354 Prozent
In der hessischen Justiz sei die Einführung des eJustice-Programms „hinsichtlich Zeit und Kosten weit außer Plan,“ sagte Wallmann. „Die Laufzeit hat sich von sechs Jahren auf nunmehr elf Jahre fast verdoppelt und die geplanten Kosten sind von 37 Millionen Euro (2015) um 354 Prozent auf 168 Millionen Euro (2019) gestiegen.“ Allerdings gebe es auch in anderen Ressorts Defizite. Wallmann wies hinsichtlich der aktuellen Entwicklung auf Gespräche mit norwegischen Stellen hin. Dort sei man bei der Digitalisierung der Verwaltung weiter als in Deutschland. Nun werde die Übertragbarkeit der Prozesse analysiert und die Ergebnisse würden dem Hessischen Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung berichtet. Wallmann hofft, dass sich die Prozesse dadurch beschleunigen ließen. Der für die Abstimmung notwendige persönliche Austausch habe unter der Pandemie gelitten.
Kurzfristige Prioritäten verständlich
Mit Blick auf die aktuellen Krisen zeigte Wallmann Verständnis für die kurzfristig ergriffenen Maßnahmen zum Umgang mit der Pandemie. Der Bericht des Hessischen Rechnungshofes für 2020 geht daher vor allem auf Bereiche ein, die nicht mit Notmaßnahmen betraut waren. Exemplarisch stellte Wallmann weitere Optimierungsmöglichkeiten bei der Wachpolizei, der Veterinärverwaltung und den Studierendenwerken vor. Aktuell berate der Rechnungshof aber auch zur Wirtschaftlichkeit der Flüchtlingshilfe und zur erwähnten Digitalisierung.
Auf die Frage nach einem möglichen Bedeutungsverlust der Haushaltsdisziplin räumte Wallmann im Pressegespräch ein, dass andere Themen momentan höhere Priorität hätten. „Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten“, begründete er den Paradigmenwechsel. „Die letzten Jahre sind zunächst durch die Pandemie und jetzt durch den Krieg geprägt. Finanziell haben Bund und Land hierauf reagiert und Sondervermögen betreffend die Pandemie, die Bundeswehr und den Klimaschutz eingerichtet bzw. geplant.“ Insbesondere das Urteil des Staatsgerichtshof zum hessischen Sondervermögen habe verdeutlicht, dass eine rechtssichere Gestaltung schwierig sei, sagte Wallmann. Zugleich mahnte er: „Wir müssen darauf achten, dass die parlamentarische Beteiligung nicht unter die Räder kommt.“
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