Der bilanzielle Gewinn kommunaler Unternehmen hat es häufig in sich. Vielfach als eine einfache „Rechenübung“ bagatellisiert, folgt die Gewinnermittlung in kommunalen Unternehmen besonderen Anreizen und Mustern. Auch deshalb gilt sie als Königsdisziplin der Rechnungslegung. Die diversen Regeln zur Begrenzung öffentlicher Schulden – kurz als „öffentliche Schuldenbremsen“ bezeichnet, wirbeln hier einiges durcheinander. Sie erzeugen ein besonderes Spannungsverhältnis, das es zu beachten gilt.
Im Gewinn spiegeln sich alle Aktivitäten eines Jahres wider, so dass die Veröffentlichung der Gewinninformationen häufig viel Interesse auf sich zieht. Dies gilt zunächst für private und börsennotierte Unternehmen, bei denen der bilanzielle Gewinn die zentrale Information für viele Investoren und Interessierte darstellt.
Austausch zwischen Kommune und kommunalen Unternehmen
Bei kommunalen Unternehmen steht die „Informationsfunktion“ eher im Hintergrund. Der häufige Informationsaustausch zwischen kommunalen Unternehmen mit der Kommune als Eigentümerin macht den Gewinn als Informationsquelle überflüssig. Stattdessen spielt hier die Gewinnermittlungs- und -ausschüttungsbemessungsfunktion eine umso größere Rolle.
Gewinne zu ermitteln verlangt dem Rechnungsleger viel ab. Im Gegensatz zum Ausweis der Kassen-Salden, die objektiv ermittelt werden können, müssen die Verantwortlichen bei der Gewinnermittlung eigene Prognosen über die zukünftige Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen abgeben und Wahrscheinlichkeiten und Konsequenzen zukünftiger Risiken bei der Bildung von Rückstellungen einschätzen.
Kämmerer strebten bisher stabile Gewinne an
Dadurch wird die Gewinnermittlung zu einer großen Aufgabe in der Rechnungslegung, die niemals vollkommen frei von subjektiven Erwartungen sein kann. Diese subjektiven Erwartungen erlauben es jedoch, Gewinne zumindest temporär zu beeinflussen und diese etwas niedriger oder höher auszuweisen. Viele Kämmerer strebten bisher stabile, langfristig-geglättete Gewinne als Zeichen guter Unternehmensführung an. Dass hierbei auch strategische Überlegungen eine große Rolle spielen, wurde vielfach überzeugend dokumentiert. Dies gilt selbstverständlich auch für Anreize aus den öffentlichen Schuldenbremsen.
Die öffentlichen Schuldenbremsen, die für Kommunalschulden im kommunalen Haushaltsrecht der Länder verankert sind, beschränken sich überwiegend auf die Kern-Budgets. Sie berücksichtigen öffentliche Unternehmen zunächst nicht. Hierdurch bleiben einerseits die eigenen Schulden öffentlicher Unternehmen unberücksichtigt. Andererseits werden ökonomische Erträge öffentlicher Unternehmen ebenfalls außer Acht gelassen, bis diese in Form von Ausschüttungen den öffentlichen Kern-Haushalten zugutekommen.
Kommunen steuern Gewinne strategisch
Die Kommunen als Eigentümer haben somit klare Anreize, im Rahmen der gesetzlich zugelassenen Spielräume die Gewinne kommunaler Unternehmen strategisch zu steuern. In Kommunen, die durch die öffentlichen Schuldenbremsen wenig eingeschränkt sind, kann ein sehr vorsichtiger Gewinnausweis zusätzliche Reserven schaffen, um in Zeiten klammer Kassen mehr Handlungsspielräume zu haben. Die Rechnungslegungsforschung spricht hier vom „Keksdosen-Effekt“ (engl. Cookie Jar Accounting). Hier gilt zu beachten, dass allzu große, nicht-ausgeschüttete ökonomische Erträge auch Gefahren mit sich bringen. Dies kann beispielsweise einen unvorsichtigeren Umgang mit Investitionen nach sich ziehen. Ökonomen sprechen hier von einer „Free-Cash-Flow Problematik“.
Häufiger jedoch werden Kommunen angesichts der ohnehin angespannten Kassen nach kurzfristigen Möglichkeiten für zusätzliche Budget-Spielräume suchen. Das großzügige Ausweisen und das Ausschütten von aufgelaufenen Gewinnen bei kommunalen Unternehmen können hier eine kurzfristig attraktive, wenn auch nicht unproblematische Möglichkeit darstellen. Dem Vorteil, hier kurzfristig zusätzliche Einkünfte verbuchen zu können, stehen einige Nachteile gegenüber, die berücksichtigt werden sollten.
Kommune teilt Erträge mit Bund und Ländern
Die Gewinne öffentlicher Unternehmen müssen versteuert werden. Die Kommune teilt sich somit die Erträge mit Bund und Ländern. Gleichzeitig führt eine allzu unvorsichtige Bewertung von Risiken zwangsläufig zu zukünftig ungedeckten Verlusten, die dann alleine durch die Kommune getragen werden müssen. Gerade bei der Vereinnahmung von Sparkassen-Gewinnen gibt es zahlreiche Fälle, bei denen ein allzu sorgloser Gewinnausweis erhebliche Probleme entstehen ließ.
Eine ebenfalls sehr populäre Möglichkeit kann in der Übertragung kostspieliger öffentlicher Aufgaben auf kommunale Unternehmen bestehen. Auch wenn das rechtlich nicht immer einfach darzustellen ist, können so die Kosten und Investitionsausgaben aus den Kern-Haushalten herausgehalten und bei den kommunalen Unternehmen mit den vorhandenen Gewinnen vor Steuern saldiert werden. Gleichzeitig erhöht sich hierdurch die Komplexität des Geflechts zwischen den Kommunen und ihren kommunalen Unternehmen enorm. Genau hiervor warnt auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in seiner aktuellen Studie zu kommunalen Unternehmen. Zu viel Komplexität erschwert die gute Unternehmensführung in kommunalen Unternehmen und erschwert eine verlässliche Überwachung von außen, z.B. durch die Rechnungshöfe.
Unabhängig von der gewählten Strategie werden wir in Zukunft weiter Verzerrungen im Gewinnausweis öffentlicher Unternehmen sehen. Dabei ist bei zu viel Komplexität, einem zu aggressiven Gewinnausweis, aber auch vor zu viel stillen Reserven Vorsicht geboten. Ein kommunaler Gesamtabschluss kann hier Abhilfe schaffen, auch wenn dieser bisher wenig Beachtung findet. Alternativ wäre eine Berücksichtigung kommunaler Unternehmen bei den Schuldenbremsen denkbar. Eine derartige Reform der öffentlichen Schuldenbremsen ist jedoch aktuell nicht in Sicht.
Autor
Dr. Jan Riepe ist Juniorprofessor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Eberhard-Karls Universität Tübingen.Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.