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Perspektivenwechsel: Beton- statt Umweltschutz

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„Betonierte Ausgleichsflächen schaffen“: Unter dieser Über­schrift richtete die Münchener Stadträtin Marie Burneleit von „Die Partei“ im vergangenen August in einem Schreiben gleich zwei Anträge an den Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter. Mit den Anträgen sollte das Baureferat be­auftragt werden, „ein Konzept für städtische Beton- oder Asphaltausgleichsflächen zu ent­wickeln“. Damit sollte nicht nur ein Rückgang betonierter Flächen verhindert werden, son­dern es sollten sogar „architektonisch wich­tige Betonflächen“ erhalten werden. Doch damit nicht genug: Zum Schutz der versiegel­ten Flächen forderte die Stadträtin außerdem noch ein „Betonschutz-Telefon“ einzurichten.

Zugepflasterte Städte – nicht nur in München

Diese Umkehrung der berechtigten For­derung nach einer Entsiegelung der Städte klingt zunächst lediglich lustig. Doch die Ar­gumentation der Stadträtin in ihren Anträgen legt auch den Finger in die Wunde. Sie zeigt sehr eindrücklich die Fehlentscheidungen der vergangenen Jahrzehnte auf, mit denen Städte, nicht nur München, in Betonwüsten verwandelt wurden: „Beton hat die deutsche Städteplanung entscheidend gestaltet“, heißt es in den An­trägen. „Jedoch ist und war Beton immer schon eine Chance für graue Stadtgestal­tung und die Münchenerinnen lieben Beton und Grauflächen: die Theresienwiese – das Justizzentrum – den Willy-Brandt-Platz – Parkplätze bei diversen Großmärkten – die Fußgängerzone.“

Aktuell würden Beton- und Asphaltflächen zusehends im Rahmen einer modernen Stadtgestaltung entfernt. Doch ihre Vorzüge seien offensichtlich: „Beton ver­körpert Stabilität und Verlässlichkeit. Beton bietet ausgezeichneten Brandschutz und ist widerstandsfähig gegenüber Naturkatastro­phen. Beton bietet Sicherheit. … Beton ist bekannt für seine hohe Haltbarkeit und Lang­lebigkeit.“ Genau mit diesen Argumenten sind die Städte in der Vergangenheit zugepflas­tert worden.

Die Münchenerinnen lieben Beton und Grauflächen: die Theresienwiese – das Justizzentrum – den Willy-Brandt-Platz – Parkplätze bei diversen Großmärkten – die Fußgängerzone.

Marie Burneleit, Stadträtin, München

Das Ergebnis der Anträge ist wenig überraschend aus­gefallen. Der Münchener Oberbürgermeis­ter Reiter, im Antrag mit dem „generischen Femininum“ als „Oberbürgermeisterin“ tituliert, fühlte sich offenbar veralbert, und das zu Recht. Wenige Tage nach dem Antrag von Burneleit schrieb er eine offizielle Ant­wort an die Stadträtin, in der er ihre Anträge als „rechtsmissbräuchlich“ zurückwies. Aus dem „Inhalt, der Formulierung sowie aus der Wortwahl der beiden Anträge“ ergäbe sich, dass diese „ganz offensichtlich nicht ernst gemeint sind und erkennbar unsinnige Zwe­cke verfolgen“.

Städte gehören entsiegelt

Ende Januar 2024 bestätigte ihn in dieser Ansicht auch die Regierung von Oberbay­ern, bei der Stadträtin Burneleit Beschwerde gegen die Zurückweisung eingelegt hatte. Die Regierung von Oberbayern teilte die Ar­gumentation des Oberbürgermeisters und wies die Beschwerde der Stadträtin zurück. Nachlesen lässt sich die Geschichte im Ratsinformationssystem der Landeshauptstadt. Doch vielleicht können die Anträge mit ih­rem Perspektivenwechsel doch noch einen Zweck jenseits des Klamauks erfüllen. Denn anders als in den Anträgen behauptet, steht Beton gerade nicht für Leben. Niemand wird eine Betonfläche als „ausgezeichnetes Aus­flugsziel“ empfinden. Vielleicht können die Anträge zumindest einen Beitrag dazu leisten, die Erkenntnis zu fördern, dass die Städte in Zeiten des sich beschleunigenden Klimawan­dels schleunigst entsiegelt gehören.

ak.meves@derneuekaemmerer.de

Anne-Kathrin Meves

Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.