Was erwartet eine Kämmerin oder einen Kämmerer, wenn sie oder er neu im Amt ist? Welche Vorstellungen hatten sie im Vorhinein, und was haben sie dann vor Ort in ihrer Kommune tatsächlich angetroffen? Sandra Diebel, seit 1. August Kämmerin der Stadt Bergkamen, war davor viele Jahre bei der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) NRW in Herne aktiv. Dominik Bomholt wechselte im Februar vom Controller der Landwirtschaftskammer NRW in die Position des Kämmerers der Gemeinde Nottuln. Seine berufliche Laufbahn hatte er 2016 in der Finanzbuchhaltung der Kreisverwaltung Unna begonnen.
Beide hatten also schon lange vor ihrem Schritt an die Spitze der Kämmereien in Bergkamen und Nottuln Erfahrungen mit und in dem kommunalen Finanzbereich sammeln können. Doch bei beiden verlief der Start in die neue Position anders als gedacht. „Im Vorfeld habe ich immer wieder viele Arbeiten der Kämmerer gesehen und damit auch einen guten Überblick darüber gehabt, was sie so machen“, formuliert es Sandra Diebel. „Aber wirklich eine Vorstellung, was auf mich zukommt, hatte ich nicht“, räumt sie ein. Zwar kannte sie bereits von ihrer vorherigen Tätigkeit als Prüferin und von ihrem BWL-Studium die großen Aufgabenbereiche, wie das Aufstellen des Haushalts oder auch den Umgang mit dem Jahresabschluss. Für die Umsetzung gebe es schließlich auch die Kämmerei.
Gutes Rüstzeug als Kämmerin
„Von der GPA habe ich im Rückblick ein wirklich gutes Rüstzeug bekommen“, sagt Diebel. Geholfen habe es ihr sehr, dass sie als Prüferin die Fähigkeit erlernt habe, in eine Kommune hineinzugehen und dort die Sachverhalte schnell zu durchblicken und zu verstehen. Als Kämmerin ist sie jedoch jetzt diejenige, die die Gestaltung auch vornimmt und nicht wie zuvor die bereits fertige Arbeit überprüft.
Dies sei genau die Frage gewesen, die sie sich im Vorfeld ihres Rollenwechsels gestellt habe: Wie wird es laufen, wenn ich selbst verantwortlich bin und die Fäden zusammenhalten muss? Das sei auch ihre Haupttriebfeder für den Wechsel aus der GPA an die Spitze der Finanzverwaltung in Bergkamen gewesen. Sie beschreibt sich selbst als „typischer Zahlenmensch“. „Mir macht das wirklich Spaß“, fügt sie hinzu, aber sie fände es ebenso interessant, Ideen auch selbst zu entwickeln.
Lust auf Verantwortung
Die Motivation für den Wechsel zum Kämmerer war bei Bomholt ähnlich. „Ich hatte Lust auf die Verantwortung“, bringt es der Kämmerer auf den Punkt. Da er selbst aus Nottuln stammt und mittlerweile auch wieder dort wohnt, fand er die Vorstellung reizvoll, vor Ort mitentscheiden zu können. Doch zunächst hatte der damals 29-Jährige nicht erwartet, eine wirkliche Chance auf die Kämmererstelle zu haben. „Ich war zu dem Zeitpunkt noch nicht so lange bei der Landwirtschaftskammer NRW und wollte dort auch noch einige Jahre bleiben“, blickt er zurück. „Ich hatte geglaubt, ich hätte nicht die Referenzen vorzuweisen, die ich für einen Kämmerer erwartet hätte“, blickt er zurück und muss mittlerweile über seine damalige Selbsteinschätzung schmunzeln. Doch dann sei die Stelle in Nottuln ein zweites Mal ausgeschrieben worden und er habe sich einfach beworben und sei entsprechend offen ins Assessment-Center hineingegangen.
„Ich wollte endlich weg vom Gucken und hin zum Gestalten. Das stand auch in meinem Bewerbungsschreiben und dieser Wunsch hat sich voll erfüllt“, sagt die noch recht neue Kämmerin über ihren Wechsel. Womit sie so jedoch nicht gerechnet hatte: Die Umsetzung hat viele Facetten und diese müssen im Vorfeld alle bedacht werden. „In der Theorie ist es einfacher“, fasst sie zusammen.
Erster Tag im Amt war „überwältigend“
Der erste Tag im Amt sei für die Kämmerin dementsprechend „überwältigend“ gewesen. „Kämmerin oder Kämmerer ist der Job, in den Sie nicht eingearbeitet werden“, sagt Diebel. Ihren ersten Arbeitstag in Bergkamen beschreibt sie folgendermaßen: „Sie kommen dahin, da liegen die Unterschriftenmappen, da liegt die Post. Keiner da, der einem die Vorgänge im Einzelnen erklärt.“ Dazu kämen massenweise unbekannte Namen. Mit Blick auf die ganzen Papierstapel an ihrem ersten Tag sei ihr richtig bewusst geworden, dass sie ab jetzt selbst dafür verantwortlich ist. Immer mit dabei im Kopf die bohrende Frage: „Was unterschreibe ich da?“ Doch nach ein bis zwei Wochen hätte sie die Vorgänge durchblickt.
An mangelnder Hilfe seitens ihres Vorgängers und auch der Verwaltung in Bergkamen habe dieses „Überwältigtsein“ allerdings nicht gelegen, stellt Diebel klar. „Ich war im Vorfeld erstaunt, wie sehr ich schon vor dem Amtswechsel in Bergkamen eingebunden worden bin.“ Denn die neue Kämmerin war eine Unbekannte im Rathaus. Angefangen mit Einladungen zu offiziellen Anlässen über ein Arbeitsessen mit dem Bürgermeister und ein Treffen mit der Ersten Beigeordneten bis hin zu Einladungen aller großen Parteien im Rat, sei keine Gelegenheit ausgelassen worden, um sich im Vorfeld gegenseitig zu beschnuppern, erinnert sich die Kämmerin.
Unterstützung durch den Kämmerer-Vorgänger
Ebenso sehr gefreut hat sie sich über viele Willkommensgrüße, E-Mails und Blumen von Mitarbeitern, als sie im August ihren Dienst angetreten hat. „Ich bin hier wirklich sehr herzlich empfangen worden“, sagt Diebel. Sogar ihr Vorgänger Marc Alexander Ulrich habe sich immer Zeit genommen, und das, obwohl er zu dem Zeitpunkt schon gar nicht mehr in Bergkamen, sondern bereits in Herne als Nachfolger des langjährigen Kämmerers Hans Werner Klee im Amt war.
Schon vor ihrem Wechsel nach Bergkamen hatte sie sich mit ihrem Vorgänger Ulrich in Herne getroffen. Nach den ersten ein, zwei Wochen im Amt als Kämmerin sei er sogar noch einmal vorbeigekommen und habe sich mehrere Stunden Zeit für sie genommen. „Meine Bitte richtet sich hier an alle Vorgänger, das bitte genauso zu machen“, sagt die Kämmerin. „Unterstützung durch den scheidenden Kämmerer ist ganz, ganz wichtig“, fügt sie hinzu. Auch Ulrichs Sekretärin, die zeitgleich mit seinem Wechsel in ihren Erziehungsurlaub gegangen ist, kam noch ins Rathaus, um der neuen Kämmerin möglichst viel zu zeigen.
Auch Bomholt machte schnell die Erfahrung, als Kämmerer letztendlich selbst die Verantwortung zu tragen. „Es ist zuerst ein komisches Gefühl, wenn plötzlich niemand mehr da ist, zu dem man gehen und fragen kann. Da dachte ich, jetzt bin ich wirklich im Ernst des Lebens angekommen.“ Doch auch wie Kämmerin Diebel konnte er auf die Hilfe seiner Vorgängerin Doris Block zurückgreifen. Anders als in Bergkamen hat seine Vorgängerin in Nottuln noch zwei Monate mit ihm zusammengearbeitet. „Es ist das Beste, so eine dankbare Übergangszeit zu haben“, sagt der Kämmerer. Dadurch konnte er schnell in die Umsetzung gehen. Praktisch nebenbei habe er ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie die Verwaltung „ticke“. Gleichzeitig sei die Einarbeitungszeit nicht zu lang gewesen, da er selbst eigene Ideen verwirklichen und nicht die Arbeitsweise seiner Vorgängerin kopieren wollte.
Wie Geschichtsunterricht
Die erste Zeit im Amt sei für Diebel wie Geschichtsunterricht gewesen. „Ich wohne im nahe gelegenen Dortmund, komme von der Ausbildung aus dem Kreis Unna, Bergkamen war mir von daher ein Begriff“, sagt die Kämmerin. „Doch alles, was hier passiert, hat eine Geschichte.“ In diese Geschichte und den laufenden Prozess sei jetzt sie hineingeraten. Beim Umbau des Museumsvorplatzes in Bergkamen, den ihr Amtsvorgänger noch angestoßen hatte, ist jetzt sie die Bauherrin.
Nachfragen und zuhören bei der Frage, warum bestimmte Dinge in einer Stadt so und nicht anders gemacht werden, hätten Diebel enorm geholfen. Diesen Tipp hatte ihr schon vor Jahren ein anderer Kämmerer gegeben. Er habe ihr empfohlen, die erste Zeit zu nutzen, um Beziehungen aufzubauen. Denn die Sachverhalte kämen von alleine auf einen zu und die Probleme auch. „Doch wenn du es schaffst, Beziehungen aufzubauen, dann ist es einfacher, sie nachher zu bewältigen“, erinnert sich Diebel an den Ratschlag. Diesen „sehr, sehr guten Tipp“ würde sie immer weitergeben. Die ersten Wochen hat sich die neue Kämmerin daher viel Zeit genommen, um mit den Mitarbeitern in der Verwaltung zu sprechen. Gut sei es ebenfalls gewesen, den Austausch mit Kollegen zu suchen. „Ich habe mit Kollegen von der GPA gesprochen, die auch Kämmerer sind oder waren“, sagt Diebel. „Das ist ein Pfund, dass ich diese Kontakte habe, denn eigentlich ist man als Kämmerer ziemlich alleine.“ Da sei es gut, mit anderen gemeinsam zu erkennen, dass überall die gleichen Probleme auf Lösungen warteten. In Bergkamen wird sie sich als Kämmerin zunächst daransetzen, die Digitalisierung weiter voranzubringen. Auch beim Beteiligungs- und Fördermittelmanagement werde zwar schon einiges gelebt, aber es gebe noch Luft nach oben.
Auch in Nottuln hat Bomholt das Feld der Digitalisierung ausgemacht, um eine eigene Kämmererhandschrift hinterlassen zu können. Doch er wolle dabei „keine Zäune einreißen, wenn man nicht weiß, wofür sie gebaut wurden“, beschreibt er seine Arbeitsweise. „Den Spruch habe ich irgendwann mal gehört und fand ihn so passend, dass ich ihn mir zu Herzen genommen habe“, sagt der Kämmerer. „Ich glaube, dass das ein richtiger Weg für den Anfang ist.“
Info
Der Artikel ist in gekürzter Form zuerst in der aktuellen Zeitungsausgabe 4/2024 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier geht es zur Newsletteranmeldung.
Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.

