Die Umstellung auf das neue Umsatzsteuerrecht läuft in vielen Städten und Gemeinden seit Jahren. Etliche Kommunen haben bereits ihre gegenüber dem Finanzamt abgegebene Optionserklärung widerrufen und wenden die neue Rechtslage an. Besonders die umsatzsteuerliche Behandlung von VHS-Kursen unterliegt dabei jedoch einer großen Rechtsunsicherheit.
Im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung des Kursangebots müssen die verantwortlichen Akteure der VHS künftig einzelfallbezogen entscheiden, ob die nun umsatzsteuerbaren Kursangebote der VHS als umsatzsteuerbefreit oder -pflichtig behandelt werden müssen. Die Rechtsunsicherheit resultiert daraus, dass sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als auch die des Bundesfinanzhofs (BFH) in Bezug auf die bestehenden Abgrenzungsfragen noch nicht ausreichend gefestigt und differenziert ist. Hinzu kommt, dass auch der dritte Anlauf zur Reformierung der Umsatzsteuerbefreiung im Bildungssektor im Jahressteuergesetz 2024 aufgrund erheblicher Kritik nicht die gewünschte Klarheit gebracht hat. Daher bleibt die Unterscheidung zwischen steuerpflichtigen und steuerbefreiten Volkshochschulkursen mit rechtlichen Risiken verbunden.
Fälle aus der Rechtsprechung
Mit der Neuregelung des § 2b UStG richtet sich die Umsatzsteuerpflicht für VHS-Kurse grundsätzlich danach, ob die Kurse gemäß § 4 Nummer 21, 22 Buchstabe a UStG umsatzsteuerbefreit sind. Diese Vorschriften basieren auf der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), nach der Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer zu befreien ist. In seinem Urteil in der Rechtssache Haderer hat der EuGH festgestellt, dass der in der MwStSystRL verwendete Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts nicht nur auf Unterricht beschränkt ist, der zu einer Abschlussprüfung bzw. Erlangung einer Qualifikation oder einer Ausbildung im Hinblick auf die Berufstätigkeit führt. Vielmehr seien alle Tätigkeiten erfasst, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben.
Zwar erwähnt nur § 4 Nummer 21 UStG explizit den Schul- und Hochschulunterricht, jedoch geht der BFH davon aus, dass dieser auch für eine Steuerbefreiung der Hochschulkurse nach § 4 Nummer 22 Buchstabe a UStG vorliegen muss. Somit kommt eine Steuerbefreiung der VHS-Kurse nur in Betracht, wenn keine bloße Freizeitgestaltung vorliegt. Was jedoch im Näheren unter dem Begriff der „bloßen Freizeitgestaltung“ zu verstehen ist, hat der EuGH den nationalen Gerichten zur Auslegung überlassen.
In Deutschland hat sich aufgrund der Rechtsprechung des BFH herauskristallisiert, dass vor allem die thematische Zielsetzung des Kurses entscheidend ist. Als Freizeitgestaltung gelten danach beispielsweise Kurse, die sich an Eltern von Schülern richten, um die Wartezeit während des Unterrichts der Kinder zu nutzen, spezielle Kurse für Senioren oder beispielsweise allgemein an Tanz interessierte Menschen.
Ungeklärte Begrifflichkeiten
Hingegen sollen solche Kurse steuerbefreit sein, die es einem Teilnehmer ermöglichen, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung beruflich zu nutzen. Eine solche Beschränkung des Schul- und Hochschulunterrichts auf die berufliche Verwertbarkeit steht jedoch potentiell im Widerspruch zu der beschriebenen Rechtsprechung des EuGH. Diese rechtlichen Unsicherheiten stellen für die VHS eine bedeutende Herausforderung dar, aus der sich viele Anwendungsfragen ergeben.
In drei jüngeren Entscheidungen aus den Jahren 2019 und 2021 hat nun auch der EuGH in seiner Rechtsprechung den Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts konkretisiert. Dabei wiederholte er jeweils, dass dieser nicht auf Unterricht beschränkt ist, der zu einer Abschlussprüfung bzw. einer Ausbildung im Hinblick auf die Berufstätigkeit führt, solange er nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung habe. Jedoch stellt der EuGH fest, dass der Schul- und Hochschulunterricht Tätigkeiten umfasst, die sich sowohl wegen ihrer spezifischen Art als auch aufgrund des Rahmens, in dem sie ausgeübt werden, abheben. So verweise der Unterricht „allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen“. Die Verteilung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch Schülerinnen und Schüler bzw. Studentinnen und Studenten müsse auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen basieren.
Darauf aufbauend kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass etwa Fahrschulunterricht ein spezialisierter Unterricht ist, der kein breites Spektrum an Fähigkeiten vermittelt und somit nicht von Schul- und Hochschulunterricht umfasst ist. Folglich sei er nicht steuerbefreit. Mit einer ähnlichen Begründung lehnte der EuGH eine Steuerbefreiung für privaten Surf- und Segelunterricht sowie für privaten Schwimmunterricht ab. Da sich diese Urteile auf private Unternehmen bezogen, bleibt fraglich, ob sie auch für eine VHS gelten, die über ein wesentlich breiter gefächertes Bildungsangebot verfügt und bereits viele Bildungsbereiche in Vertiefungen mit einem gestuften Kurssystem abdeckt.
Bescheinigungsverfahren bleibt
Durch die Neufassung des § 4 Nummer 21 UStG hat der Gesetzgeber die Steuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulungen und damit eng verbundene Leistungen an die Vorgaben der MwStSystRL angepasst. Private Einrichtungen, die Fortbildungsleistungen anbieten, bleiben weiterhin von der Umsatzsteuer befreit. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Entwürfen, die eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung für die Steuerbefreiung vorsahen, wurde diese Anforderung in der endgültigen Fassung der Norm gestrichen.
Zudem bleibt das Bescheinigungsverfahren für private Bildungseinrichtungen bestehen; jedoch erfordert es nun, dass die erbrachten Leistungen anstelle der bisher erforderlichen Vorbereitung auf einen Beruf bzw. Prüfung durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts konkret auf „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung“ abzielen.
Warten auf Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung hat sich bislang noch nicht näher zur Umsatzbesteuerung von VHS-Kursen geäußert. Im Rahmen einer Anfrage des Bundestagsabgeordneten Fritz Güntzler hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Anfang Dezember 2024 allerdings den Hinweis gegeben, dass ein BMF-Schreiben zur Neuregelung des § 4 Nummer 21 UStG in Bearbeitung ist. Darüber hinaus arbeitet das BMF derzeit an einer Handreichung zur für die VHS bedeutsameren Befreiungsvorschrift des § 4 Nummer 22 Buchstabe a UStG. Wann mit einer Veröffentlichung der beiden Schreiben gerechnet werden kann, ist derzeit nicht bekannt. Allerdings entfalten BMF-Schreiben als Verwaltungsanweisungen lediglich gegenüber untergeordneten Finanzbehörden eine Bindungswirkung. Finanzgerichte hingegen sind nur an das Gesetz und somit bei streitigen Sachverhalten nicht an Verwaltungsanweisungen gebunden.
Insbesondere Kommunen mit eingegliederten VHS sowie VHS in privater Rechtsform sollten daher das Kursangebot regelmäßig auf dessen umsatzsteuerliche Behandlung prüfen und das Ergebnis dokumentieren.
VHS, die eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nummer 22 Buchstabe a UStG in Anspruch nehmen, sollten ihre Kursangebote klar strukturieren und die Bildungsziele transparent darlegen. Eine sorgfältige Dokumentation der Kurse und ihrer Ziele kann dabei helfen, rechtliche Risiken zu minimieren. So sollte die Dokumentation den Bildungscharakter und auch eine etwaige berufliche Verwertbarkeit der Veranstaltungen klar hervorheben und dadurch die Gefahr einer Einstufung als reine Freizeitgestaltung vermeiden. Zudem sollten die Kurse in ein entsprechend breitgefächertes und modular vertiefendes Kurssystem eingebettet werden, das auch als solches nach außen erkennbar ist. Dann ist es auch den VHS möglich, die Vorteile der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nummer 22 Buchstabe a UStG in Anspruch zu nehmen.
Info
Christian Trost ist Steuerberater und Partner bei der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Christian Moenikes LL. M. ist Rechtsanwalt bei BDO Concunia.
Info
Dieser Gastbeitrag ist zuerst in der der aktuellen Zeitungsausgabe 1/2025 von Der Neue Kämmerer erschienen.
