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„Der Kämmerer ist auch ein Veto-Spieler“

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Herr Gallasch, Sie waren seit 2017 Kämmerer im baden-württembergischen Weingarten. Anfang dieses Monats haben Sie die Kämmerei verlassen und sind nun Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg. Das klingt nicht nach einem klassischen Karriereschritt für einen Kämmerer …
Typisch ist das nicht. Ich kenne aber durchaus einige Professorenkollegen, die vorher Kämmerer waren. Zum Beispiel war mein Vorgänger, der jetzt pensioniert ist, Herr Professor Walter Buttler, Amtsleiter der Stadtkämmerei in Wangen im Allgäu.

Wo liegen denn Ihre Schwerpunkte an der Fachhochschule?
Die Professur, die ich zum September übernommen habe, nennt sich „Finanzwirtschaft der Kommunen mit Schwerpunkt kommunales Wirtschafts- und Abgabenrecht“. Das beinhaltet das Recht hinsichtlich der Haushaltswirtschaft, also auch Dinge wie Verschuldungsregeln für Kommunen. Der wirtschaftliche Umgang mit Unternehmen, sprich Beteiligungen, spielt ebenfalls eine Rolle. Auf der anderen Seite geht es um Steuern, Gebühren und Beiträge.

„Die Promotion ist eher eine Ausnahme in der Welt der Kämmerer.“

Wie haben Sie sich als Kämmerer auf die Professur vorbereitet?
Um im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu lehren, sollte man das theoretische Handwerkszeug kennen, aber auch einen Praxisbezug haben. Die meisten Kämmerei-Mitarbeiter werden an den Fachhochschulen der Länder ausgebildet. An Universitäten gibt es den Studiengang für öffentliche Verwaltung in der Regel gar nicht. Von den Fachhochschulen hat jedes Bundesland wiederum seine eigenen, schließlich ist kommunales Haushaltsrecht länderspezifisch. Wenn man zuvor Kämmerer in dem Bundesland war in dem man lehrt, passt das natürlich ideal. Vom Wissenschaftsbezug hat es bei mir auch gepasst: Neben meiner Arbeit in der Kämmerei habe ich über Jahre promoviert – zum Thema: „Die Steuerung der kommunalen Finanzen: Determinanten der finanziellen Handlungsfähigkeit von Kommunen“. Die Promotion ist eher eine Ausnahme in der Welt der Kämmerer.

Und wieso haben Sie ausgerechnet jetzt die Kämmerei verlassen?
Mit der Professur ist es so, dass man tiefer in die inhaltliche und die wissenschaftliche Arbeit einsteigen kann. Bei meiner Promotion habe ich Blut geleckt. Das System der Kommunalfinanzen ist fein austariert. Ich habe einen Vergleich der Steuerfähigkeit von kommunalen Finanzen zwischen Bundesländern gemacht. In einigen Bundesländern, wie NRW, sind die Kommunen in einer schlechten finanziellen Situation. Woran liegt das, ist die Frage? Nicht nur an fehlenden Einnahmen! Dass ich mich jetzt intensiver mit solchen Fragestellungen beschäftigen kann, hat einen Reiz.

Welche Parallelen gibt es zwischen dem Job als Kämmerer und dem als Professor?
Thematisch sehe ich natürlich Parallelen. Außerdem hat die Hochschule viele gemeinsame Projekte mit Kommunen. Ich bleibe auch über ein kommunalpolitisches Ehrenamt aktiv – im Kreistag vom Landkreis Ravensburg sowie im Ausschuss für Finanzen und Kreisentwicklung. So ganz raus bin ich dann doch nicht.

„Als Kämmerer kann man Dinge gestalten. Das ist eine Aufgabe, die Spaß macht.“

Können Sie sich vorstellen, nochmal Kämmerer zu werden?
Wenn man sich für eine Professur entscheidet, sollte man die auch machen. Zugegeben gibt es aber gewisse Dinge, die mir den Weggang aus der Kämmerei nicht leicht gemacht haben: zum einen das Team und zum anderen der Rollenwechsel.

Was werden Sie denn am Kämmerer-Dasein vermissen?
Als Kämmerer kann man Dinge gestalten. Das ist eine Aufgabe, die Spaß macht. Als Professor habe ich eine ganz andere Rolle. Es überwiegt der Reiz, junge Menschen auszubilden und Dinge aus der wissenschaftlichen Perspektive zu analysieren. Im täglichen Kämmereibetrieb fehlt dafür die Zeit.

Gibt es auch etwas, das Ihnen als Kämmerer keinen Spaß gemacht hat?
Ich drücke mich mal blumig aus: Der Kämmerer muss immer einen Spagat machen. Denn neben den Gestaltungsmöglichkeiten ist er auch ein Veto-Spieler. Wenn das Geld eher knapp ist, gibt es Verteilungskämpfe. Als Kämmerer ist man im Zentrum und muss auch mal nein sagen. Das heißt manchmal, Dinge auszubremsen, obwohl man sie als sinnvoll erachtet. Dinge nicht finanzieren zu können, gehört eben auch zum Kämmerer-Dasein dazu. Da muss man durch, auch wenn es nicht immer Spaß macht.

a.jarchau@derneuekaemmerer.de

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