Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) fordert die Bundesregierung auf, bei der Verabschiedung neuer Gesetze realitätsnäher vorzugehen. Dringenden Handlungsbedarf sieht das Beratergremium auch weiterhin bei den Folgekosten, die Bürgern und Unternehmen durch neue Bürokratie entstehen. Das geht aus dem Jahresbericht 2019 sowie einem Gutachten mit dem vielsagenden Titel „Erst der Inhalt, dann die Paragrafen“ hervor. NKR-Chef Johannes Ludewig hat beide Papiere am gestrigen Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) überreicht.
Unter anderem bemängelt der NKR, dass die Bundesregierung sich für wichtige Gesetzesvorhaben zu wenig Zeit nehme. Es sei für die betroffenen Bundesländer wie auch die (kommunalen) Spitzenverbände oft kaum möglich, sich eine fundierte Meinung zu einem vom Bund vorgelegten Entwurf zu bilden. Gründlichkeit müsse hier vor Schnelligkeit gehen, mahnt der NKR.
Wissen der Kommunen nutzen
Alles in allem sei die Sicht auf den „kommunalen Vollzug“ auf Seiten des Bundes oftmals unzureichend. Es sei wichtig, wenn das federführende Ressort direkt mit fachkundigen Sachbearbeitern und Führungskräften aus den Kommunen interagieren könne. „Die OZG-Digitalisierungslabore haben die Wichtigkeit dieser Perspektive gezeigt, um Lösungen zu schaffen, die praktisch funktionieren. In der Gesetzesvorbereitung besteht jedoch heute hierfür keine Verbindlichkeit und die Legisten können noch kaum auf Formate zurückgreifen, die eine pragmatische Einbindung kommunaler Vertreter ermöglichen“, moniert der Normenkontrollrat weiter.
Darüber hinaus merkt der Jahresbericht kritisch an, dass neue Gesetze bei Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung nach wie vor zu hohen Zusatzkosten führen. Im Berichtszeitraum von 2018 bis 2019 sei der laufende Erfüllungsaufwand um insgesamt 831 Millionen Euro gestiegen. „Damit wird die Entlastung aus dem letzten Berichtszeitraum von 880 Millionen Euro nahezu wieder ausgeglichen, rechnet Ludewig vor.
Weltfremde Gesetze
Zudem beklagt das vom NKR in Auftrag gegebene Gutachten eine anhaltende Praxisferne vieler Gesetzesvorhaben. „Trotz aller beachtlichen Erfolge der letzten Jahre zeigt sich: Praktische Alltagserfahrungen von Bürgern und Unternehmen werden von Politik und Verwaltung immer noch ungenügend berücksichtigt, wenn neue Regelungen konzipiert oder alte überarbeitet werden. Wenn Gesetze zu komplex, in ihrer Wirkung kaum verständlich und im Vollzug nicht praxistauglich sind, produziert das nicht nur unnötigen Aufwand, sondern gefährdet auch die Rechtsanwendung. Wir müssen deshalb dringend darüber nachdenken, wie wir Gesetze wirksamer und praxistauglicher gestalten können“, so Ludewig. Konkret empfiehlt das Beratergremium unter anderem verbindliche Standards, einen Digital-Check sowie eine wirksame Qualitätssicherung für Gesetze.
a.mohl(*)derneuekaemmerer(.)de