Die Zeit drängt. Ab Januar 2023 gilt die Neuregelung des § 2b UStG. Ein wirksames Tax-Compliance-Management-System (TCMS) hilft Kämmerern dabei, steuerliche Risiken zu vermeiden.

Die Komplexität des Steuerrechts wird für Körperschaften des öffentlichen Rechts (KdöRs) spätestens wohl ab dem 1. Januar 2023 erheblich zunehmen. Ab diesem Tag beginnt eine neue Zeitrechnung im Umsatzsteuerrecht für die öffentliche Hand. Mit Blick auf die Unternehmereigenschaft kehrt sich das umsatzsteuerliche Regel-Ausnahme-Verhältnis um. KdöRs werden von da an nur noch unter den engen Voraussetzungen des § 2b UStG als Nichtunternehmer qualifiziert werden können.

Die öffentliche Hand muss sich insoweit darauf einstellen, dass die steuerlichen Pflichten deutlich spürbar zunehmen werden. Kämmerinnen und Kämmerer sollten daher dringend entsprechende Maßnahmen ergreifen und dabei die zunehmende Digitalisierung des steuerlichen Veranlagungsverfahrens und den Umfang des umsatzsteuerlichen Masseverfahrens berücksichtigen. Als eines der wesentlichen Instrumente zur Einhaltung der steuerrelevanten Pflichten und zur Vermeidung persönlicher Konsequenzen für die Verantwortlichen gilt das sogenannte Tax-Compliance-Management-System (TCMS).

Vorteile eines TCMS

Bei TCMS handelt es sich um Kontrollsysteme, mit deren Hilfe der Steuerpflichtige die vollständige und fristgerechte Einhaltung seiner steuerrechtlichen Pflichten sicherstellt und Verstöße dagegen sicher vermeiden kann. Verantwortliche in privatwirtschaftlichen Unternehmen setzen derartige Konstrukte bereits seit vielen Jahren ein. Die öffentliche Hand hingegen verwendet derartige Kontrollsysteme bislang nur vereinzelt. Vor dem Hintergrund der bereits geschilderten Veränderungen im Umsatzsteuerrecht für KdöRs werden entsprechende TCM-Systeme jedoch auch für die öffentliche Hand unumgänglich.

Ein wirksames TCMS hilft dabei, bestimmte Risiken zu vermeiden. Dazu gehören insbesondere die haftungsrechtlichen, steuerstrafrechtlichen und/oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risiken der verantwortlich Handelnden, die finanzrechtlichen Risiken für die KdöRs durch die nachträgliche Erhebung von Steuernachzahlungen und die allgemeinen Risiken von Reputationsschäden.

Um die geschilderten Vorteile nutzen zu können, werden allerdings nicht unerhebliche Anstrengungen der jeweiligen KdöRs in personeller und monetärer Sicht erforderlich sein. Die Umsetzung eines TCMS lässt sich nicht mal eben nebenbei und kurzfristig implementieren. Vielmehr muss die Verwaltung – abhängig von der Größe der zu betrachtenden Einheit und der Detaillierungstiefe des gewünschten TCMS – erhebliche Zeitressourcen und gegebenenfalls auch externe steuerberatende Unterstützung einplanen.

Risiken und Prozesse

Mangels expliziter gesetzlicher Regelungen zu einem TCMS werden derartige Instrumente in der praktischen Herangehensweise unterschiedlich abgebildet. Lediglich das Institut der Wirtschaftsprüfer hat einen Prüfungsstandard „Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance Management Systemen (IDW PS 980)“ herausgegeben, für den eine aktualisierte Entwurfsfassung aus Oktober vergangenen Jahres vorliegt und dessen Grundelemente als Leitlinie für die praktische Umsetzung herangezogen werden können.

Als wesentliche Erfolgsfaktoren zum Gelingen eines TCMS-Projektes gelten die vollumfängliche Information der Belegschaft über das Projekt, die Integration eines internen Projektteams, das ggf. durch externe Berater unterstützt wird, und die Einbindung bzw. Unterstützung der Führungsverantwortlichen (Kämmerei). Funktioniert die Kommunikation innerhalb der Körperschaft und der einzubindenden Abteilungen hingegen nicht, kann dies die Umsetzung des TCMS deutlich behindern. Eine allgemeingültige Herangehensweise für die Implementierung eines TCMS gibt es nicht. Die individuellen Gegebenheiten der zu betrachtenden Einheit müssen in jedem Fall berücksichtigt werden.

Bei der Einführung eines TCMS liegt der Fokus auf Risiken und Prozessen. Damit derartige Projekte sich nicht in möglichen Untiefen „verlieren“, sind die risikobehafteten Bereiche der KdöRs zu evaluieren und der gewünschte Grad an Risikobereitschaft intern festzulegen. Insbesondere im Kontext mit den umsatzsteuerlichen Veränderungen ab dem 1. Januar 2023 wird einem TCMS-Projekt regelmäßig eine steuerliche Überprüfung der umsatzsteuerlichen Verhältnisse der betreffenden KdöRs vorangeschaltet. Aus dem Ergebnis dieser Überprüfung können die Projektverantwortlichen Rückschlüsse mit Blick auf die Risikoausrichtung treffen.
Kernelement ist stets die prozessuale und strukturelle Erfassung der zu bewertenden Einheit. Vorhandene Ist-Prozesse sind innerhalb der Körperschaft zu detektieren und auf deren Wirksamkeit für die künftigen steuerlichen Erfordernisse hin zu überprüfen. Die sich daraus ergebenden Soll-Prozesse, die sich durchaus je nach zu betrachtender Körperschaft unterscheiden können, sind zu definieren und mittels geeigneter Medien (Schaubilder, Arbeitsanweisungen, Prozesshandbuch) zu standardisieren.

Digitale Unterstützung

Bereits bei der Aufnahme der Prozesse und Strukturen innerhalb der Körperschaft ist der Einsatz digitaler Medien zu empfehlen – und damit sind nicht Excel oder PowerPoint gemeint. Bereits eine Vielzahl von Softwarehäusern hat mehr oder weniger geeignete Unterstützungssysteme entwickelt, die sowohl die Prozesserfassung im Ist als auch deren Abbildung im Soll bestmöglich unterstützen. Zudem sind – je nach Anbieter – auch cloudbasierte Lösungen zur Unterstützung entsprechender Projekte einsetzbar, um eine projektorientierte Zusammenarbeit sowohl intern als auch extern zu optimieren. Der Einsatz digitaler Medien dient nicht nur der Effizienzsteigerung, wodurch letztlich auch die Kostenbelastung reduziert werden kann. Auch die künftige Überwachung eines eingerichteten TCMS kann durch den Einsatz digitaler Lösungen verbessert werden.

Diejenigen KdöRs, die bereits einen steuerlichen Risikocheck mit Blick auf die umsatzsteuerlichen Veränderungen ab dem 1. Januar 2023 umgesetzt haben, kennen bereits die vielfältigen zusätzlichen steuerrelevanten Themen und Risiken. Hierauf lässt sich regelmäßig ein wirksames TCMS gut aufbauen, insbesondere wenn insoweit auch bereits die Ist-Strukturen beleuchtet wurden. Dennoch ist der Weg hin zu einem funktionierenden TCMS noch weit und sollte in zeitlicher Hinsicht nicht unterschätzt werden. Um möglichst risikoarm in die steuerliche Zukunft treten zu können, sollten Verwaltungen ein TCMS noch in diesem Jahr implementieren.

tilo.kurz@curacon.de

Autor

Tilo Kurz ist Partner und Leiter des Geschäftsbereichs Steuerberatung der Curacon Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Info

Der Beitrag ist zuerst in der aktuellen Zeitungsausgabe 1/2022 von Der Neue Kämmerer erschienen.

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