Hat der Bund die desaströse Finanzlage der Kommunen im Blick?

„Wir stehen über mehrere Ebenen im engen Informationsaustausch“, sagt Klaus Mack, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Jeden Dienstag tage die AG Kommunalpolitik der CDU/CSU und tausche sich dabei regelmäßig mit Bundesministern aus, beispielsweise mit Innenminister Alexander Dobrindt, dem Chef des Bundeskanzleramts Thorsten Frei oder mit Gesundheitsministerin Nina Warken, erklärt Mack. „Wir sind ständig dran, unsere Themen einzubringen, und kämpfen für unsere Belange.“ Mit insgesamt 157 Mitgliedern in der AG habe man auch eine entsprechende Machtstellung in der Fraktion. Ergebnisse daraus sollen laut Mack beispielsweise in den „Zukunftspakt Pflege“ einfließen, der offiziell im Januar 2026 beginne.Auch das Büro von Jürgen Coße, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, bestätigt, „laufend eng koordinierte Gespräche sowohl innerhalb der Fraktionen als auch unter den Fraktionen auf diversen Ebenen“ zu führen.Martin Murrack, Kämmerer der Stadt Duisburg und Sprecher des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“, betont den Handlungsdruck: „Die Entwicklungen der vergangenen Monate und der fast exponentielle Anstieg der Kassenkredite zeigen, dass wir uns in einer Situation befinden, die es so in der Dramatik seit der Gründung der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat.“Ausgaben verringern oder Einnahmen erhöhenÜber die Gründe, die dazu beigetragen haben, dass die Kommunen sich in dieser Situation wiederfinden, wie den großen Aufwuchs an Ausgaben im sozialen Bereich, gibt es einen breiten Konsens. Einzig an die notwendigen Reformen scheint sich die Bundesregierung derzeit aber (noch) nicht zu wagen. „Im Prinzip ist es ganz einfach im kommunalen Bereich: Entweder wir müssen die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben verringern“, sagt Mack. Für beide Optionen liegen zumindest Lösungsansätze bereits auf dem Tisch.So weist beispielsweise der Sachverständigenrat in seinem aktuellen Jahresgutachten darauf hin, dass die Kommunalfinanzen „im Zuge von strukturellen Reformen“ verbessert werden sollten. Dazu zählen die Experten die „Stabilisierung der kommunalen Einnahmen“. Kommunale Einnahmequellen sollten vor allem wegen der konjunkturanfälligen Gewerbesteuer diversifiziert werden, um den „Kommunen eine breitere und stabilere finanzielle Basis zu verschaffen“.Sachverständigenrat zeigt Lösungsansätze aufAuf der Ausgabenseite konstatieren die Autoren des Berichts, dass Kommunen „zahlreiche Sozialausgaben – etwa für die Grundsicherung oder die Eingliederungshilfe“ tragen, obwohl diese auf bundesgesetzlichen Vorgaben beruhten. Die damit für die Kommunen verbundenen Kosten würden jedoch nicht immer ausreichend von Bund oder Ländern kompensiert. „Die Folge ist eine strukturelle finanzielle Überlastung vieler Kommunen, die ihre Handlungsspielräume zunehmend einbüßen“, urteilt der Sachverständigenrat und erinnert an das Konnexitätsprinzip bzw. an seine „konsequentere Anwendung“. Um die seit Jahren formulierte Forderung „Wer bestellt, bezahlt!“ umzusetzen, schlägt der Sachverständigenrat zwei Wege vor: Entweder müsse sich der Bund, wie von den Kommunen gefordert, stärker finanziell bei den von ihm initiierten bzw. bestellten Aufgaben beteiligen. Oder der Bund müsse sich aus den Regelungsbereichen zurückziehen, in denen er keine Finanzierung sicherstellt. In diesem zweiten Fall müssten Länder und Kommunen allerdings selbst entscheiden können, ob und wie sie entsprechende Leistungen erbringen. „Eine solche Neuordnung würde nicht nur für mehr Klarheit in der Aufgabenverteilung sorgen, sondern auch strukturschwachen Kommunen Spielräume für notwendige Investitionen und eine aktive Strukturpolitik eröffnen“, argumentiert der Sachverständigenrat.Förderprogramme flexibler gestaltenAußerdem regt er an, bestehende Förderprogramme zu verbessern und flexibler zu gestalten, um den Kommunen und Ländern mehr Freiräume für maßgeschneiderte Lösungen zu geben. „Eine zunehmende Abhängigkeit von zentralisierten Fördermaßnahmen könnte zudem (…) das lokale Engagement und die Eigenverantwortung verringern“, mahnen die Sachverständigen.Passend zu dem Befund des Sachverständigenrats hat kürzlich das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ein Papier mit dem Titel „Die Zusammensetzung der kommunalen Ausgaben in Deutschland – Eine Betrachtung über 30 Jahre“ vorgelegt. Es zeigt „beträchtliche Verschiebungen“. Demnach hat die Oberkategorie Soziales und Jugend deutlich an Gewicht zugelegt. Ihr Anteil an den Gesamtausgaben habe sich um die Hälfte auf 38 Prozent erhöht. Den Grund für diese Steigerungen sehen die Forscher insbesondere im Ausbau der Kinderbetreuung, aber auch im Zuwachs bei den Sozialleistungen. Bedenklich sei vor allem der ebenfalls enorme Zuwachs der Oberkategorie Zentrale Verwaltung, deren Anteil um rund die Hälfte auf 21 Prozent zugenommen hat.Das Papier zeigt zudem auf, wo in den vergangenen drei Jahrzehnten vermutlich am falschen Ende gespart worden ist. So sind die Ausgaben für die Gestaltung der Umwelt, die beispielsweise den Straßenbau umfassen, von 34 auf 20 gesunken. Auch die Ausgabenanteile für Schule und Kultur sowie Gesundheit und Sport sind zurückgegangen. Für die Haushalte positive Auswirkungen der Niedrigzinszeit zeigen sich in geringeren Ausgaben für zentrale Finanzleistungen.„Die Lage der kommunalen Finanzen ist ein Dauerthema in der finanzpolitischen Debatte. Die Defizite der Kommunen sind am aktuellen Rand wieder angestiegen, ebenso wie der Investitionsrückstand. Häufig fokussiert die öffentliche Debatte auf die Einnahmeseite der Kommunen“, sagt der Autor des Berichts, Björn Kauder, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik beim IW. „Im Prinzip ist es ganz einfach im kommunalen Bereich: Entweder wir müssen die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben verringern.“ Klaus Mack, Vorsitzender der AG Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Kämmerer Murrack erwartet, dass Bund und Länder „sowohl auf der Ausgaben- als auch auf der Einnahmeseite aktiv werden“. Die Aufgaben der Kommunen müssten kritisch hinterfragt und die Aufgaben, die die Kommunen auch weiterhin erledigen sollen, auskömmlich finanziert werden. „Es kann nicht sein, dass sich die Kommunen für Aufgaben verschulden müssen, die ihnen Bund und Länder ohne ausreichende Kompensation übertragen haben“, beschreibt Murrack aus kommunaler Sicht. Derzeit geht das Pendel auf Bundesebene eher Richtung Ausgaben. Das ließ auch Bundeskanzler Friedrich Merz neulich in seiner mündlichen Antwort auf einen Brandbrief von 13 Oberbürgermeistern zur Lage ihrer Kommunen durchblicken, als er sagte, dass die Lösungen eher auf der Korrektur der Ausgabenseite liegen würden. Denn: „Es wird keine Wunder geben. Ein großer Geldsegen ist nicht zu erhoffen“, sagt auch Mack. Ein Fokus müsse deshalb darauf liegen, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen sowie Ausgaben- und Aufgabenkritik zu betreiben, wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben. So viel Kommunalfreundliches wie jetzt hat laut Mack selten in Koalitionsverträgen gestanden, doch das müsse nun auch mit Leben gefüllt werden.Es bleibt abzuwarten, wo Kanzler Merz den Rotstift bei den Ausgaben ansetzen wird. Daran, dass die Bundesregierung dies tun muss, lassen die vorliegenden Analysen wenig Zweifel. Um im Bild zu bleiben, Hoffnung besteht vielleicht noch auf einen Winter der Reformen, und auch das nächste Frühjahr kommt – bestimmt.ak.meves@derneuekaemmerer.de Info Der Beitrag ist als Leitartikel unter der Überschrift „Herbst der Reformen“ in der aktuellen Ausgabe 4/2025 von Der Neue Kämmerer erschienen.Hier geht es zum E-Paper und hier zur Newsletter-Anmeldung.

Grundsteuer vor dem BFH: So geht es weiter

Grundsteuereinnahmen brechen teils drastisch ein

Grundsteuer: Reform der Reform in Thüringen knapp verabschiedet

Landtag NRW beschließt Altschuldenhilfen

NRW-Kabinett bringt Altschuldenhilfen auf den Weg

Kommt ein neuer Anlauf für eine Altschuldenlösung?

Kämmerer-Wahl: Jutta Frilling, Vechta

Kämmerer-Wahl: Sylvia Fechner, Landkreis Leipzig

Kämmerer-Wahl: Beate Gross, Würzburg

So schaffen es Smart-City-Anwendungen in den Regelbetrieb

Digital statt Datenchaos: So setzen Kommunen die MV effizient um

Wie das BMDS die Digitalisierung in den Kommunen vorantreibt

Neubaur verspricht Investitionsschub für Kommunen

„Grüne“ Finanzierungen: Greenwashing oder Vorteil für Kommunen?

„Den Kommunalkredit betrachten wir als nachhaltig“

Das Nutzerkonto für Finanzentscheider im öffentlichen Sektor

Hat der Bund die desaströse Finanzlage der Kommunen im Blick?

Weitere Artikel

Finanzstreit bleibt ungelöst – Einigung bei Modernisierungsagenda

Der Neue Kämmerer 4/2025 erscheint!

Aktuelle Ausgabe

Was folgt auf den Herbst der Reformen? [04|2025]

Weitere Inhalte zum Thema

Finanzstreit bleibt ungelöst – Einigung bei Modernisierungsagenda

Der Neue Kämmerer 4/2025 erscheint!

Hans-Günter Henneke verabschiedet sich vom Landkreistag

News

E-Paper

Zeitung

Research

Events

Jobbörse

Ihr Nutzerkonto

Über uns

Die Redaktion

Kontakt

Mediadaten

Partner

Unser Newsletter

Das Nutzer­konto für Finanzentscheider im öffentlichen Sektor

Hat der Bund die desaströse Finanzlage der Kommunen im Blick?

Weitere Inhalte zum Thema

Das Nutzerkonto für Finanzentscheider im öffentlichen Sektor