Der Markt für Green Bonds wächst. Auf kommunaler Ebene fristet dieses Finanzierungsinstrument jedoch nach wie vor ein Nischendasein. Woran liegt das?
Zuerst einmal haben wir es hier mit einem vergleichsweise jungen Produkt bzw. Marktsegment zu tun. Gleichwohl wächst es seit 2007 kontinuierlich und erreichte im vergangenen Jahr immerhin ein Emissionsvolumen von insgesamt rund 180 Milliarden Euro. Aber gerade weil es dieses Finanzierungsinstrument noch nicht so lange gibt, ist auf der internationalen Ebene nach wie vor nicht eindeutig definiert, was mit „green“ genau gemeint ist. Es fehlt an einheitlichen und verbindlichen Standards. Und alles, was nicht standardisiert ist, ist teuer. Hinzu kommt, dass sich Green Bonds einer gängigen Faustgröße nach erst ab einem Emissionsvolumen von 100 Millionen Euro lohnen. In Deutschland gibt es nur wenige Kommunen, die überhaupt eine so hohe Gesamtverschuldung haben.
Dennoch gehen Sie davon aus, dass Green Bonds auf lange Sicht auch in deutschen Kommunen Fuß fassen werden. Warum eigentlich?
Ganz einfach: Die Kommunen müssen überzeugende Antworten auf den Klimawandel finden und ihren Beitrag leisten! Sie stehen vor der großen Herausforderung, Klimaziele zu definieren, Klimakonzepte zu entwickeln, und diese dann auch umzusetzen. Sie müssen außerdem eine Form von Nachhaltigkeitsberichterstattung etablieren. Wer sich mit der eigenen Nachhaltigkeitsbilanz beschäftigt, wird es unweigerlich auch mit der Finanzierung von Klimaschutzprojekten zu tun bekommen. Hier kommen Green Bonds ins Spiel. Sie bieten die Chance, die strategischen Nachhaltigkeitsziele einer Kommune mit der Finanzierung von Projekten zu verbinden.
Green Bonds bieten die Chance, die strategischen Nachhaltigkeitsziele einer Kommune mit der Finanzierung von Projekten zu verbinden.
Aber Klimaschutzmaßnahmen lassen sich doch viel unkomplizierter mit einem klassischen Kommunalkredit finanzieren, oder?
Aktuell ist das sicherlich noch der Fall. Aber das muss nicht immer so bleiben. Die Europäische Kommission arbeitet beispielsweise gerade sehr intensiv an einer Standardisierung der Green Bonds. Ist dieses Ziel erst einmal erreicht, dürften die Transaktionskosten sinken. Kommunen, die dieses Finanzierungsinstrument nutzen wollen, werden dann weniger Arbeit in eine solche Transaktion investieren müssen. Dennoch sollte man so ehrlich sein zuzugeben, dass Green Bonds – wie alle Formen von Anleihen – wohl auch in Zukunft relativ teure Finanzierungsinstrumente für Kommunen bleiben werden. Im Gegenzug gibt es aber eben auch Vorteile, die der Kommunalkredit nicht mit sich bringt.
Welche sind das?
Zum einen sind Green Bonds eine gute Möglichkeit für Kommunen, Kapitalgeber für sich zu gewinnen, die sie sonst nicht hätten ansprechen können, ihre Kapitalaufnahme also zu diversifizieren. Immer mehr Kapitalgebern ist es wichtig, zweckgebunden in Nachhaltigkeitsprojekte zu investieren. Zum anderen können Kommunen mit Hilfe von Klimaschutzinvestitionen und Green Bonds auch an Attraktivität und Reputation gewinnen.
Imagegewinn für die Kommune
Was meinen Sie damit konkret?
Für die Außenwirkung einer Kommune oder einer Region ist es von Vorteil, sich als nachhaltig und innovativ zu präsentieren – erst recht, wenn das nicht nur behauptet wird, sondern auf der Grundlage etablierter Standards und konkreter Projekte passiert. Auch das ist gewissermaßen ein Mehrwert eines Green Bonds – auch wenn sich dieser sicherlich schwer beziffern lässt.
Wie wichtig ist es, dass ein Green Bond Teil einer kommunalen Gesamtstrategie ist?
Sehr wichtig. Viele Klimaschutzinvestitionen ergeben überhaupt nur Sinn, wenn sie gewissermaßen größer gedacht werden. Wer Dieselbusse durch Elektrobusse ersetzen will, wird es nicht beim Kauf neuer Fahrzeuge belassen können. Es müssen neue Leitungen gelegt werden, möglicherweise werden Änderungen an der Streckenführung nötig. Einen Green Bond aufzulegen, um die öffentlichen Gebäude in einer Stadt oder Gemeinde zu isolieren, wird am Ende vermutlich nicht wirtschaftlich sein. Es geht nicht um kleinteilige Einzelmaßnahmen, sondern um größere Systemanpassungen, also Projekte die mit langfristiger zeitlicher Perspektive viel Kapital erfordern.
Das klingt so, als ob bei dem Thema nicht nur die Kämmereien gefragt seien.
In der Tat ist die Emission eines Green Bonds nichts, was Kämmerer quasi im Alleingang in Angriff nehmen oder umsetzen sollten. Das Thema muss von der politischen Führung vorangetrieben werden. Schon aufgrund der umfangreichen Dokumentationspflichten ist es unabdingbar, neben der Kämmerei andere Bereiche der Verwaltung einzubinden. Die Kommunen sind den Kapitalgebern gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet: Sie müssen lückenlos nachweisen, dass das eingesammelte Geld auch tatsächlich für den KIimaschutz ausgegeben wurde.
Das Thema muss von der politischen Führung vorangetrieben werden.
Sind Green Bonds nur für Großstädte empfehlenswert?
Nicht unbedingt. Beispiele aus Schweden oder den USA zeigen, dass grundsätzlich auch kleinere Kommunen dieses Finanzierungsinstrument nutzen können. Sie sollten sich allerdings zusammentun und über regionale Projekte nachdenken. Sonst wäre der Aufwand einfach zu groß bzw. das Volumen zu klein. Mit Gemeinschaftsanleihen haben einige Kommunen aus verschiedenen Bundesländern ja bereits Erfahrungen gesammelt. Eine solche Herangehensweise könnte auch bei Green Bonds sinnvoll sein.
Je öfter, desto einfacher
Wird der Aufwand eigentlich bei der zweiten oder dritten Emission eines Green Bonds geringer?
Ja, auf jeden Fall. Bei der zweiten Emission stecken die Fachabteilungen ganz anders im Thema. Bestimmte Informationen, etwa zum CO2-Ausstoß, werden schon von vornherein erhoben. Hat eine Kommune bestimmte Abläufe einmal etabliert, lässt sich eine solche Emission zu deutlich geringeren Transaktionskosten wiederholen. Damit gewinnen Green Bonds an Attraktivität.
Sie sind also optimistisch, dass Green Bonds sich auch auf kommunaler Ebene durchsetzen werden?
Ja. Green Bonds werden an Bedeutung gewinnen – nicht für jede Kommune, aber doch für einige. Bereits jetzt sind die Investitionsbedarfe im Klimaschutzbereich sehr hoch. Es wäre schlichtweg falsch, diese Bedarfe aus laufenden Haushaltsmitteln zu finanzieren. Genau das passiert aber vielerorts. Derzeit finanzieren deutsche Kommunen nur rund ein Fünftel ihrer Investitionen mit Hilfe von Fremdkapital. Damit liegen sie noch einmal deutlich unter dem sehr konservativen deutschen Mittelstand, bei dem es immerhin 30 Prozent sind. Ökonomisch ist diese Zurückhaltung der Kommunen beim Thema Fremdkapital nicht sinnvoll. Schließlich fließt das Geld nicht in die Finanzierung von Löhnen und Gehältern, sondern in den Aufbau eines langfristigen Kapitalstocks. Mit Blick auf die Mammutaufgabe Klimaschutz kann ich die Kommunen daher nur ermuntern, sehr viel stärker auf Fremdfinanzierungen zu setzen.
Info
Das Interview mit Jörg Zeuner erscheint auch in der Fachzeitung Der Neue Kämmerer 1/2019. Darin berichten wir unter anderem über den Fintechmarkt für die Kommunalfinanzierung, die Abschaffung der Strabs in Bayern sowie den Gratis-ÖPNV in Pfaffenhofen.