Im September musste alles ganz schnell gehen. Im Landtag sollten die Verschuldungsmöglichkeiten für die niedersächsischen Kommunen mit Hinweis auf den Ukraine-Krieg verlängert werden. Auf die laut Verfassung gebotene Anhörung der kommunalen Spitzenverbände habe der Landtag verzichtet, kritisiert der Niedersächsische Landkreistag (NLT). Nun will er Klage wegen der Verletzung des Anhörungsrechts einreichen. Das beschloss der Verband in einer Präsidiumssitzung am 26. Januar.
Sonderregelungen zur Schuldenaufnahme
NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer begründet die Entscheidung in einer Pressemitteilung damit, dass „der Landtag sehenden Auges und ohne Not auf eine Anhörung des kommunalen Spitzenverbandes der 36 Landkreise und der Region Hannover in einer wichtigen Angelegenheit verzichtet hat, obwohl diese aus guten Gründen verfassungsrechtlich gefordert ist“.
Anlass der Klage ist eine Änderung von § 182 des Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetzes, die der Landtag am 21. September 2022 beschlossen hatte. Die ursprünglich für epidemische Lagen eingeführten Sonderregeln werden darin auch auf die Folgen des Krieges in der Ukraine angewendet. Kommunen dürfen sich abweichend von den sonstigen Grundsätzen über den Wert ihres Vermögens hinaus verschulden. Die Sonderregelungen werden bis zum 30. Juni 2024 verlängert.
„Keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme“
Der Landkreistag meldet auch inhaltlich Bedenken an: „Anstatt die Kommunen hinreichend finanziell auszustatten, eröffnen die Sonderregeln der Landespolitik die Möglichkeit, die Belastungen bei den Kommunen zu belassen und in die Zukunft zu verschieben.“ Das sei ein erheblicher Eingriff in die Finanzhoheit der Kommunen mit potenziell massiven Folgen. Der Landkreistag habe keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt.
Meyer begründet den aus seiner Sicht „einmaligen Vorgang“ auch mit dem Missbrauch der in der Pandemie angewendeten Verfahrensverkürzungen. „Wir haben in der Corona-Krise vielfach Verständnis für äußerst kurze Anhörungsfristen aufgebracht. Bei dieser Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes bestand aber keinerlei Zeitdruck, die Änderung hätte problemlos später beschlossen werden können“, sagt Meyer. Das entsprechende Gesetz sei „nach Einschätzung des NLT-Präsidiums verfassungswidrig, eine Klärung des Verfahrens vor dem Staatsgerichtshof unausweichlich“.
Gemeinsames Vorgehen mit den Landkreisen
Der Landkreistag möchte über die eigene Klage hinaus auch einige ausgewählte Landkreise für eine Kommunalverfassungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof gewinnen. Das Präsidium habe die betreffenden Landkreise sowie die Region Hannover gebeten, die notwendigen Beschlüsse in ihren Gremien herbeizuführen. Als rechtlicher Vertreter konnte der Göttinger Staatsrechtler Thomas Mann gewonnen werden. Der Verband rechnet damit, dass die Klage bis März 2023 eingereicht werden kann.
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