Innenstädte stehen vor Transformationsaufgaben. Die Turbulenzen bei Galeria Karstadt Kaufhof befeuern vielerorts die Sorgen um die City.

Ein Teil innerstädtischer Tradition und städtebaulicher Identität von Bayreuth ist bedroht. „Seit über 60 Jahren ist das heutige Kaufhaus Galeria der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH an prominentester Stelle in der Innenstadt vertreten.“ So heißt es in einer Resolution, die der Bayreuther Stadtrat Ende Januar gefasst hat. Die Sorgen um das Kaufhaus sind groß. Da der Warenhauskonzern abermals in wirtschaftlichen Turbulenzen steckt, stehen zahlreiche Filialen vor dem Aus – dies könnte auch die in Bayreuth betreffen. Im März will das Unternehmen über ein Zukunftskonzept entscheiden. Bis dahin bangen Städte wie Bayreuth um „ihre“ Kaufhäuser, die oft Publikumsmagnete für die jeweilige City sind.

Innenstädte stehen vor Transformationsaufgaben

Mit ihrer Resolution sprechen sich die Stadtpolitiker für den Erhalt der örtlichen Filiale aus. Im Fall einer Schließung befürchten sie „verheerende Folgen für den gesamten innerstädtischen Einzelhandel und Dienstleistungsmix“ in Bayreuth. Der Verlust des „Einzelhandelsflaggschiffs würde eine Negativspirale unbekannten Ausmaßes in Gang setzen“, heißt es im Resolutionstext. Galeria Karstadt Kaufhof betreibt in rund 100 deutschen Städten Kaufhäuser. Dutzende Städte fürchten nun also, dass sie von den sich abzeichnenden Filialschließungen betroffen sein könnten und dass dadurch ihre Innenstadt in einen Abwärtsstrudel gerät.

Ohnehin stehen viele Zentren vor gewaltigen Transformationsaufgaben. Die Turbulenzen bei Galeria Karstadt Kaufhof könnten deren Herausforderungen zusätzlich vergrößern, sagt der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen in seiner Rolle als Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetags. „In vielen Innenstädten und Ortskernen ist die Situation schwierig, teilweise angespannt.“ Im Januar sprach Kufen bei einer Pressekonferenz des Städtetags zum Thema. Die Bedeutung des Einkaufens in der Stadt schwinde. Während der stationäre Einzelhandel einem Wandel unterworfen sei und der Onlinehandel zunehme, hätten die Lockdowns während der Coronakrise die Innenstädte zusätzlich unter Druck gesetzt. Hinzu kämen nun steigende Energiepreise und ein weiterer Einbruch der Kaufkraft aufgrund der Inflation. All dies belaste die lokale Geschäftswelt. Die Attraktivität vieler Zentren sei daher zunehmend von Leerständen bedroht. „Unsere Innenstädte müssen sich deshalb neu erfinden“, meint Kufen.

Neue Formate für das Einkaufserlebnis in der City

Von einem gänzlichen Untergang des Handels in den Städten möchte Simon Hübner, Vorstand des Projektentwicklers GBI, allerdings nicht sprechen. Es müsse darum gehen, neue Formate und weniger flächenintensive Formen für das Einkaufserlebnis zu finden. „Denn das Bedürfnis, Waren vor dem Kauf auszusuchen, anzuprobieren, zu erleben, ist vorhanden. Diese Funktionen können Innenstädte nach wie vor erfüllen.“ Gleichwohl müssten sie sich neu ausrichten. „Natürlich bedeutet der Rückzug eines großen Ankers wie eines Kaufhauses immer eine Gestaltungsaufgabe, die mit Risiken verbunden ist. Doch gleichzeitig bringt er große Potentiale für die jeweilige Innenstadt und ihre Entwicklung mit sich. Zur Gefahr wird er meist nur dann, wenn nicht auf Veränderungen reagiert wird“, meint Hübner.

So seien die Stadtpolitik und die Verwaltung konzeptionell gefragt. „Um attraktiv und lebendig zu bleiben, brauchen Zentren eine Nutzungsvielfalt, inklusive eines diversen Freizeitangebots. Diese muss die Menschen dazu einladen, die Innenstadt aufzusuchen“, sagt Hübner. Jede einzelne Nutzungsfacette trage zur Vitalität einer Stadt bei. Hübner spricht von einem breiten Spektrum: Neben dem Handel nennt er Gastronomie, kulturelle Einrichtungen, Orte der Bildung, Gesundheitsangebote genauso wie Behördenstandorte oder Kanzleien, Handwerk, Wohnen und Arbeiten in der City. Ebenso beschreibt Kufen die Innenstadt von morgen als Ort der Begegnung und des Erlebens: „Nutzungsvielfalt, saubere, einladende öffentliche Räume, mehr Grün und Wasser in der Stadt sind dafür zentral. Mehr grüne und blaue Infrastruktur zahlt zugleich auf den Umbau zur klimagerechten Stadt ein.“

Finanzielle Förderung für den Stadtumbau

Städte müssten dies aufgreifen und Anreize für eine positive Entwicklung setzen, sagt Hübner. Aus einem leerstehenden Kaufhaus könnten sich im besten Fall sogar „große Transformationschancen“ ergeben. „Denn es handelt sich oft um Gebäude mit großen Geschoss- und Raumhöhen, gegebenenfalls mit Logistik- und Lagerhallen. Daraus ergibt sich eine bauliche Flexibilität hinsichtlich eines Umbaus, einer Neubelebung und einer Nachnutzung – auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.“ Meist verfügten großformatige innerstädtische Einkaufszentren über eine gute Gebäudesubstanz, die als Grundlage für Umbauten weitergenutzt werden könne und daher in Sachen CO2-Emissionen und Baustoffeinsatz effiziente Lösungen ermögliche.

Doch die innerstädtischen Transformationsaufgaben sind in der Regel nicht auf ein einzelnes Gebäude begrenzt, sondern umfassen eine tiefgreifende Umwälzung des Zentrums, eine Zukunftsausrichtung der gesamten City und einen regelrechten Stadtumbau. Dafür bräuchten Städte Unterstützung sowie finanzielle Förderung. Der Bund und die Länder müssten ihre Innenstadtprogramme entsprechend ausrichten, betont Kufen. Konkret fordert der Städtetag aus aktuellem Anlass laut Kufen, „dass die von Galeria-Karstadt-Kaufhof-Schließungen betroffenen Städte auch nachträglich noch Förderanträge für das ‚Bundesprogramm Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren‘ einreichen können“.

Stadtumbau nach den Bedürfnissen der Menschen ausrichten

Außerdem regt er an, dass der Zwischenerwerb von Großimmobilien in Einzelfällen vom Bund als förderfähig anerkannt wird. Dies schaffe den Städten zusätzliche Handlungsspielräume. Darüber hinaus drängt der Städtetag darauf, „dass der Bund die fast ein Jahr verspätet bereitgestellten Mittel des ‚Bundesprogramms Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren‘ von 250 Millionen Euro über 2023 hinaus zur Verfügung stellt“. Denn der Material- und Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft erschwere den fristgerechten Abruf der Gelder.

Kufen erinnert daran, dass es in zahlreichen Städten bereits Beispiele gibt, in denen ehemals leerstehende Kaufhäuser umgebaut, umgenutzt und mit neuem Leben gefüllt worden sind. Oft hätten Kommunen dabei wichtige Impulse für eine positive Entwicklung gegeben – etwa, indem öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken oder Bürgerservices dort zu neuen Frequenzbringern wurden. „Viele Städte bangen und kämpfen um den Erhalt ihrer Kaufhäuser. Nicht überall wird es gelingen. Städte, die davon getroffen werden, brauchen deshalb schnelle und gezielte Hilfe, um Alternativen zu entwickeln“, sagt Kufen.

GBI-Vorstand Hübner rät Städten, die ihre Innenstadt neu ausrichten, sich konsequent an den „Bedürfnissen der Menschen zu orientieren“. Dies sei Erfolgsfaktor für eine vitale City: „Wird sie den Bedürfnissen der Menschen gerecht, kommt die Frequenz zurück.“

a.erb@derneuekaemmerer.de

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Der Beitrag ist zuerst in der aktuellen Ausgabe 1/2023 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier geht es zum Zeitungsabo und hier zur Newsletter-Anmeldung.

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