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Public Transformation: Gewiss ist nur die Ungewissheit

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Vom kleinsten Dorf bis zur Millionenmetropole, eines eint sie alle: Die Transformation sitzt den deutschen Kommunen im Nacken. Die Haushaltslage ist so angespannt wie seit Jahren nicht mehr, da sollen sie sich darüber hinaus auch noch weitreichend verändern. Wie soll das gelingen? Oder besser: Wie soll es bezahlt werden? Die Mehrheit der Kommunen hat darauf keine Antwort. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Public Transformation: Wie die öffentliche Hand den Wandel finanziert“.

Vorgestellt wurde das Papier bei der F.A.Z.-Konferenz Stadt von morgen am 21. November in Berlin. Erarbeitet wurde die Studie von LBBW, #stadtvonmorgen und F.A.Z. Business Media research. 210 Verantwortliche aus Kommunalverwaltungen und kommunalen Unternehmen bewerten darin die Finanzierung der Transformation auf kommunaler Ebene, grüne Finanzierungsinstrumente und den Stand der kommunalen Mobilität. (Die komplette Studie kann hier abgerufen werden.)

Größe der Kommune ein maßgeblicher Faktor

Die Stimmung ist angespannt: Fast drei Vierteln der Befragten (71 Prozent) hat die Finanzierung der Transformation seit 2022 Kopfzerbrechen bereitet. Zwei Themen sind dabei besonders im Fokus: Bei der Fachkräftegewinnung spüren 73 Prozent starken oder sehr starken Investitionsdruck, bei der Digitalisierung sind es 71 Prozent. Auch die Energie- und Wärmeversorgung und die Bereiche Wohnen und Gebäude sorgen bei mehr als drei von fünf Befragten für Anspannung (jeweils 62 Prozent). Lediglich beim Thema Mobilität ist der Investitionsdruck mit 42 Prozent geringer.

Das Füllhorn an Transformationsherausforderungen bei gleichzeitig engem Geldbeutel sorgt für wenig Euphorie: 92 Prozent erwarten bei der Transformation abermals ansteigenden Investitionsdruck bis 2027. Ein Ausweg aus der Negativspirale ist noch nicht in Sicht.

Maßgeblich ist dabei, wie groß eine Gemeinde ist. Je mehr Einwohner eine Kommune hat, desto mehr Befragte erwarten zukünftig steigenden Investitionsdruck. Dieser Unterschied kommt nicht von ungefähr, wie die Befragung zeigt. Denn gerade die Mittel- und vor allem die Großstädte haben zuletzt verstärkt in die drängendsten Transformationsbereiche investiert.

Finanzierung der Transformation bereitet Kopfzerbrechen

Wie aber wollen Kommunen und Kommunalunternehmen die in vielen Bereichen nötigen Transformationsaufgaben finanzieren? Viele wissen es nicht. Nur gut ein Drittel (34 Prozent) hat dafür einen konkreten Plan – 62 Prozent haben keinen, die Ungewissheit ist groß. Eines aber ist gewiss, zumindest den befragten Verantwortlichen zufolge: Es wird neue Mittel und Wege benötigen, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Drei Viertel halten bislang ungenutzte Finanzierungsquellen für notwendig.

Wirklich innovativ geht es dabei bislang indes selten zu: Nach Kommunalkrediten und staatlichen Fördermitteln folgt in der Liste bisher genutzter Fremdfinanzierungswege lange nichts. Vor allem grüne Finanzierungen spielen kaum eine Rolle. Ein Prozent der Befragten nutzt bislang grüne oder an ESG-Kriterien gekoppelte Kredite, zwei Prozent nutzen nachhaltige Schuldscheindarlehen und drei Prozent grüne oder soziale Anleihen.

Alternative Finanzierungsmodelle als Option

Deutsche Städte, Gemeinden und Kommunalunternehmen wandeln weiterhin auf traditionellen Pfaden – anders als innovativere Verwaltungen wie etwa in Schweden oder in den USA. Dabei zeigen auch viele deutsche Kommunalvertreter grundsätzlich Interesse: Die Hälfte der Befragten (49 Prozent) glaubt, dass die Relevanz nachhaltiger Finanzierungen zukünftig steigt. Immerhin 27 Prozent sagen dies bezogen auf die eigene Kommune oder das eigene kommunale Unternehmen. Die größte Offenheit zeigen Städte ab 20.000 Einwohnern aufwärts. Erfahrung aber haben bis dato fast ausschließlich die Großstädte – 18 Prozent von ihnen haben schon mindestens eine grüne Finanzierungsart genutzt.

Ausschlaggebend für die bisherige Zurückhaltung ist eine simple Abwägung von Kosten und Nutzen. Im Moment haben grüne oder soziale Finanzierungen schlicht zu viele Nachteile. Komplexen Prozessen (Zustimmung 75 Prozent) und dem personellen Mehraufwand, der durch aufwendige Berichtspflichten entsteht (71 Prozent), stehen deutlich geringere Zustimmungsquoten zu potentiellen Vorteilen gegenüber. Beispielsweise spielen ein zu erwartender Imagegewinn oder auch eine gesellschaftliche Vorbildfunktion durch die Nutzung grüner oder sozialer Finanzmittel im Moment eine untergeordnete Rolle.

Public Transformation: Mobilität im Fokus

Neben der Finanzierungsfrage legt die Studie einen Schwerpunkt auf den Mobilitätssektor. Dort ist die Hoffnung der Befragten klar: 85 Prozent wünschen sich eine nachhaltigere Verkehrspolitik. Dass diese wirklich so kommt, erwarten indes nur die wenigsten. Gerade mal jeder Neunte glaubt, dass das Verkehrssystem in den kommenden zehn Jahren einen Wandel erlebt, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht gegeben hat. Kein einziger Befragter sieht Deutschlands Städte und Gemeinden bei der Verkehrswende uneingeschränkt auf einem guten Weg. Gleichzeitig aber ist der Handlungsdruck enorm: Mehr als vier von fünf Befragten (82 Prozent) monieren die überlastete kommunale Infrastruktur im motorisierten Individualverkehr und 63 Prozent im ÖPNV.

Wie sich das ändern soll? Hier setzen die Kommunalvertreter denselben Fokus wie die Ende Oktober veröffentlichte Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums: ÖPNV und Radverkehr sehen sie als Kernfelder der Mobilitätswende. 40 verschiedene Maßnahmen – von der Fußverkehrsstrategie über verschiedene Sharing-Angebote bis zu Urban-Air-Taxis – wurden von den Befragten hinsichtlich ihrer Zukunftspotentiale eingeschätzt. Am attraktivsten bewerten sie dabei einheitliche ÖPNV-Tickets in einer gesamten Region, den Ausbau des ÖPNV-Netzes, flexiblere ÖPNV-Angebote, die Ausweitung von Radwegen und Radschnellwegen sowie den Abbau von Gefahrenstellen für Radfahrer.

Dass der Umweltverbund tatsächlich innerhalb der nächsten zehn Jahre die Dominanz des Autos bricht, glaubt hingegen gerade einmal ein gutes Viertel der Befragten. Diese Tendenz zieht sich durch alle Themenfelder der Studie: Der Wunsch nach umfassendem Wandel ist da, aber die Hürden sind groß.

Info

Die Studie „Public Transformation: Wie die öffentliche Hand den Wandel finanziert“ wurde erarbeitet von LBBW, #stadtvonmorgen und F.A.Z. Business Media research. Sie steht zum Download bereit unter: www.stadtvonmorgen.de/studie.