Umfrage zum Bauturbo: „Schnell planen ist nicht immer gut planen“

Die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz will Tempo machen – beim Planen, Genehmigen und Bauen. Ziel des „Bauturbos“ ist es, die Dauer für die Erstellung von Bebauungsplänen deutlich zu verkürzen und Bauen insgesamt günstiger zu machen. Umwelt- und Vergaberecht sollen dabei nicht ausgehöhlt werden, so jedenfalls das Versprechen. Doch wie realistisch ist das aus Sicht der Kommunen? #stadtvonmorgen hat sich umgehört. Lob für die Bundesbauministerin kommt aus Dresden. Der „Bauturbo“ eröffne allen Kommunen neue Spielräume für einen schnelleren Wohnungsbau, teilt die sächsische Landeshauptstadt auf Anfrage mit. Allerdings müsse bei aller Freude über die künftig möglichen Abweichungsmöglichkeiten vom geltenden Planungsrecht sichergestellt werden, dass „städtebauliche Ziele zur nachhaltigen, funktionalen und sozial ausgewogenen Stadtentwicklung erhalten bleiben“. Hohe Grundstücks- und Baupreise als „Bremsklotz“Mehr Tempo im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung sei der richtige Ansatz, sagt auch die Landeshauptstadt Düsseldorf. Dabei müsse es in jedem Fall auch darum gehen, Auflagen und Nachweise zu reduzieren. Zusätzlichen Handlungsbedarf sieht die Stadt bei einer Angleichung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm. Konkret brauche es sowohl beim Verkehrs- als auch beim Gewerbelärm den „Nachweis des Lärms hinter der Fensterscheibe und nicht davor, was insbesondere für schwierige Lagen zu einer eklatanten Erleichterung führen würde.“ Auch in Augsburg, einer Stadt mit angespanntem Wohnungsmarkt, freut man sich über den Vorstoß der Ministerin. Doch ob der „Bauturbo“ die Probleme tatsächlich lösen werde, bleibe abzuwarten. Schließlich seien in erster Linie die hohen Grundstücks- und Baupreise in Verbindung mit hohen Finanzierungskosten der „Bremsklotz“ für den Wohnungsbau. Lange Genehmigungsverfahren würden nur eine untergeordnete Rolle spielen. So argumentiert auch die wachsende Stadt Regensburg: „Aktuell hindert uns an der Wohnraumschaffung eher die schwierige Finanzierung von gefördertem Wohnraum und somit unstete Planbarkeit neuer Prozesse.“ Grundsätzlich sei es aber möglich, wie vom Bund gewünscht, Baugenehmigungen mit durchschnittlicher Komplexität in wenigen Wochen oder Monaten zu erledigen. Als Unesco-Weltkulturerbestadt stehe Regensburg allerdings mit Blick auf den Denkmalschutz bei vielen Projekten vor besonderen Herausforderungen. Man warte ohnehin nicht auf Vorstöße der Bundespolitik, sondern bemühe sich schon seit Jahren selbst darum, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. So regele das Regensburger Baulandmodell die Herstellung von „preisgedämpftem Wohnraum“. Wo immer möglich nutze die Stadt Modulbauweisen und serielles Arbeiten. Bei neuen Wohnquartieren habe man bewusst auf ein innovatives „Wettbewerbsformat“ gesetzt und so Wohnraum für bis zu 5.000 Menschen geschaffen. Verwaltung befürchtet mehr KlageverfahrenZweifel an der Wirksamkeit des „Bauturbos“ meldet auch Leipzig an. In der Stadt mit mehr als 600.000 Einwohnern – Tendenz steigend – scheint eine zu träge Bauverwaltung nicht das Problem zu sein. „Wir haben bereits jetzt in Leipzig mehr Baugenehmigungen erteilt, als Wohnungen gebaut werden.“ Insgesamt sei der „Bauturbo“ zwar eine Erleichterung für den freifinanzierten Wohnraum, aber nicht zwingend an den Bau von bezahlbaren Wohnungen geknüpft, so die Einschätzung. Bauchschmerzen hat die Verwaltung auch mit Blick auf die mögliche Zunahme von Klageverfahren gegen im Schnellverfahren genehmigte Bauprojekte. Potsdam und Köln wiederum begrüßen die neuen Beschleunigungsmöglichkeiten. Potsdam gibt allerdings zu bedenken, dass die vom Bund vorgesehene Verkürzung von fünf Jahren auf zwei Monate nur dann realistisch sei, wenn es bereits einen übergeordneten Rahmenplan oder entsprechende Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung gibt. Aus Köln kommt stellvertretend für viele andere Metropolen der Hinweis, dass aufgrund der Größe oder Komplexität der allermeisten Vorhaben ein Bebauungsplan auch in Zukunft unumgänglich sein werde. Insgesamt bestehe beim „Bauturbo“ das Risiko, dass der bestehende Bauüberhang sogar noch wachse. Schließlich werde die Novelle an den Bauzeiten nichts ändern können, sondern allenfalls den Prozess davor ankurbeln. Und der wiederum laufe in der Domstadt bereits jetzt gut. „In Köln gibt es bereits 10.000 genehmigte, aber nicht realisierte Wohneinheiten. Oft lassen sich Bauprojekte nur mit langen Fristen für den Baustart umsetzen – ein Problem, das auch durch das neue Gesetz nicht gelöst wird.“ Digitalisierung als ErfolgsfaktorAuch die Stadt Frankfurt ist bei den Genehmigungen nach eigener Aussage bereits jetzt schnell unterwegs. Möglich mache es die Digitalisierung eines Großteils der Akten und Prozesse. Ein weiterer Erfolgsfaktor aus Sicht der Hessen: Wenn das Projekt von einer breiten politischen Mehrheit getragen und von der Bevölkerung akzeptiert werde, liege die Genehmigung zeitnah auf dem Tisch. Hier liegt für Frankfurt die Krux beim „Bauturbo“: Bei neuen Bebauungsplänen würden die Verfahren auch deshalb viel Zeit kosten, weil man die nachbarschaftlichen Interessen zu berücksichtigen habe. Darüber hinaus müsse man die Belange aus dem Sozial- und Umweltbereich in den Blick nehmen. „Solche Verfahren brauchen Zeit – auch, um Akzeptanz in der Stadtgesellschaft zu schaffen. Und genau das ist ein Punkt, der oft unterschätzt wird und daher häufig zu großen Verzögerungen führt. Schnell planen ist also nicht immer gleichbedeutend mit gut planen.“ Es ist nicht die einzige Kritik der Stadt an den Plänen von Ministerin Hubertz. Dass der „Bauturbo“ für ganz Deutschland gilt, könne noch zu Problemen führen. Schließlich stehe jede Kommune vor eigenen Herausforderungen, die Lage in einer wachsenden Metropole wie Frankfurt sei nicht mit der in kleineren Kommunen in schrumpfenden Regionen vergleichbar. Hier bestehe die Gefahr, dass Kommunen, die personell nicht so gut aufgestellt sind, von der Dynamik überrollt werden. a.mohl@derneuekaemmerer.de

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