Als „gefesselte Treiber“ bezeichnet Städtetagpräsident Markus Lewe die Kommunen gerne, wenn es um Klimaschutz geht. Das Bild ist klar: Die Städte gehen bei der Klimaarbeit voran, aber Bund und Länder bremsen mit überbordender Bürokratie und unstimmigen Förderprogrammen. Doch die Lebenspraxis zeigt etwas anderes: Die Energiewende krankt an Behäbigkeit, und zwar auf allen Ebenen, nicht nur auf denen des Bundes und der Länder. Auch die Kommunen müssen sich vorhalten lassen, nicht konsequent genug voranzugehen.
Schwache Infrastruktur für ÖPNV und E-Mobilität
Beispiel: Otterberg. Wer sein Leben in dem bei Kaiserslautern gelegenen, rund 5.500 Einwohner großen Städtchen klimafreundlich gestalten will, scheitert an dem Vorhaben. Das Scheitern beginnt bei der Mobilität: Wer von hier seinen Radius etwas weiter als in fußläufiger Entfernung zieht, ist auf ein eigenes Automobil schlicht angewiesen. Denn der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) schafft einzig zum Hauptbahnhof im Oberzentrum Kaiserslautern wochentags eine annehmbare, stündliche Verbindung. Jede andere Destination im Landkreis, etwa die Nachbarstädte Landstuhl oder Ramstein, ist mit dem ÖPNV nach modernen Mobilitätsstandards außer Reichweite.
Wenn es nun schon ein eigenes Auto sein muss, dann wenigstens eines mit CO2-armem Antrieb, vielleicht ein klimafreundliches Elektrofahrzeug, könnte man denken. Doch auch dieser Gedanke führt in eine Sackgasse. Denn Otterberg verfügt über exakt eine Ladesäule mit zwei Ladepunkten. Dies ist für alle potentiellen Elektrofahrzeuge der Stadt selbstverständlich viel zu wenig – unabhängig von der grundsätzlichen Frage nach der Erreichbarkeit der Ladesäule.
Hürden für die Nutzung von regenerativen Energien
Was also bleibt? Eine private Investition in die Infrastruktur? Sich einen Ladepunkt am eigenen Haus einrichten und diesen mit Solarstrom vom Dach speisen? Zu früh gefreut: Die Installation von Solaranlagen ist im historischen Stadtkern (Foto oben) nicht gestattet. Zumindest war das bisher so – immerhin soll es eine neue Gestaltungs- und Erhaltungssatzung zukünftig ermöglichen, wenigstens farblich ans Stadtbild angepasste Solarmodule auf die Dächer zu bringen. Doch wie kommt der Strom dann ins Auto? In den engen Altstadtgassen lässt die Verkehrssituation das Laden beziehungsweise das dafür nötige Abstellen des Fahrzeugs vor dem eigenen Haus nicht zu.
Wenn es mit der emissionsarmen Mobilität schon nicht so recht klappt, welche Optionen gibt es dann bei der Wärmeversorgung? Gerade plant die Stadt ein Nahwärmenetz. Das wäre doch was! Aber: Um die Wirtschaftlichkeit des Infrastrukturausbaus sicherzustellen, hat die Stadt die Anwohner angeschrieben. Das Ergebnis: Große Teile der Altstadt werden nun nicht erschlossen, weil zu wenige Anwohner positiv antworteten. Aber wo, wenn nicht in einer Innenstadt, könnte es in Sachen Anschlussdichte bessere Voraussetzungen für ein solches Vorhaben geben? Sollte sich die Kommune da in ihrem Vorhaben vom Zögern der Anwohner nicht weniger beirren lassen?
Eine neue Entfesselungskultur!
Lewe spricht von „gefesselten Treibern“. Tatsächlich braucht es eine neue Entfesselungskultur – doch die fängt schon in den Kommunen an. Etwa bei der Änderung der Gestaltungs- und Erhaltungssatzung, um mehr Solarmodule auf den Dächern der Altstadt zu ermöglichen, oder dabei, bessere Lösungen fürs Laden von Elektroautos zu entwickeln.
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Dieser Beitrag ist in der aktuellen Zeitungsausgabe 4/2022 von Der Neue Kämmerer erschienen.Hier geht es zum Zeitungsabo und hier zur Newsletter-Anmeldung.