Eine aktuelle Studie bescheinigt Kämmereien hohe Digitalaffinität. Vor allem Kommunen in NRW und Hessen beurteilen ihren Fortschritt bei der Digitalisierung positiv.

Das 2017 beschlossene Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis 2022 Verwaltungsleistungen als E-Government auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Durch das Konjunkturpaket der alten Bundesregierung aus dem Jahr 2020 sind dafür fast 700 Millionen Euro reserviert. Auch vor diesem Hintergrund wurden für das „Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2022“ von der TU Darmstadt in Kooperation mit Komuno, der digitalen Plattform für Kommunalkredite, etwa 300 Finanzentscheider aus Kommunen, kommunalen Unternehmen und Finanzinstituten befragt. Die Ergebnisse zeigen nicht nur ein konsistentes Bild zur gespiegelten Perspektive der Bürgerinnen und Bürger, sondern sie unterstreichen insbesondere die Bedeutung der Kämmereien im Rahmen der Digitalisierung.

Über die Hälfte der Bevölkerung äußerte sich bereits in der Studie „E-Government-Monitor 2021“ zufrieden mit dem inzwischen verfügbaren Online-Angebot ihrer Städte und Gemeinden; wobei die Zufriedenheit in Nordrhein-Westfalen und Hessen deutlich höher war als im Bundesdurchschnitt. Auch für das „Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2022“ waren Kommunen aus diesen beiden Bundesländern besonders stark vertreten. Und so überrascht es zunächst nicht, dass über die Hälfte der hier befragten Kommunen in Deutschland den zuletzt erreichten Fortschritt bei der Digitalisierung interner Abläufe als zufriedenstellend oder besser beurteilt.

Allerdings fällt das Urteil bei den digitalen Diensten für die Bürgerinnen und Bürger doch deutlich schlechter aus. 59 Prozent bewerten diese Fortschritte als bestenfalls ausreichend. In den Kämmereien wird der Digitalisierungsfortschritt offensichtlich kritischer wahrgenommen als in der Bevölkerung. Dabei entwickelt sich die Kämmerei immer mehr zum Treiber der Digitalisierung innerhalb der kommunalen Verwaltung. Fast jede zweite Kämmerei sieht sich hier in einer aktiven, anschiebenden Rolle, gerade einmal 1 Prozent als Bremser. Dabei stützen sich die Kämmerer auf das digitale Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Finanzverwaltung, das die ganz große Mehrheit als mindestens zufriedenstellend einstuft und das in jeder dritten Kommune als gut oder sehr gut wahrgenommen wird.

Kommunalkreditplattform als Bestandteil der Smart City

In der Konsequenz dieser hohen Digitalaffinität finden sich zunächst in vielen Finanzverwaltungen neue interne Applikationen wie Schulden-Management-Systeme und Systeme für Rechnungsservices, aber hierzu zählt auch die Nutzung externer digitaler Services. So sieht die große Mehrheit der Befragten in digitalen Kommunalkreditplattformen einen klaren Bestandteil einer Smart City, allerdings – wie bei eher bürgerfernen Anwendungen auch zu erwarten – weniger als medienwirksames Aushängeschild, sondern eher als selbstverständlicher Bestandteil einer digitalisierten Verwaltung. So geht nur noch bei einer kleineren Minderheit der Kommunen die Finanzausschreibung per Telefon oder Fax an potentielle Finanzgeber, Einzel-E-Mails und E-Mail-Verteiler sind hier Standard, und die Zahl der (zumindest gelegentlichen) Nutzer von digitalen Marktplätzen steigt ständig. Insgesamt geht also die Digitalisierung der Kommunen immer mehr auch einher mit der Nutzung digitaler Plattformen bei der Kreditaufnahme.

Bereits 43 Prozent der Befragten nutzen digitale Plattformen für ihre Finanzbeschaffung. Neben der guten Transparenz und der Vergleichbarkeit der Kreditangebote, die von 83 Prozent als Vorteile betont werden, spielen dabei vor allem auch die attraktiven Kreditkonditionen eine wichtige Rolle. Zudem gewinnen die Faktoren der einfachen Bedienbarkeit (75 Prozent) und Zeitersparnis (71 Prozent) zunehmend an Bedeutung, und mit Blick auf eine zunehmend kritischere Öffentlichkeit betonen 59 Prozent die gute Dokumentation aller Vorgänge. Umgekehrt ist das mit Abstand dominierende Argument aus den Kämmereien, warum sie aktuell keine Kommunalkredit-Plattformen nutzen, der fehlende Kreditbedarf. Hier spiegelt sich der Finanzierungsüberschuss in 2021 wieder, der gegenüber dem Vorjahr über alle Kommunen in Deutschland von 2 auf 4,6 Milliarden Euro angestiegen ist.

OZG lässt Digitalisierungsdruck wachsen

Mit Blick auf die Verschlechterung von wesentlichen gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten wie Inflation und Zinsentwicklung liegt die Vermutung nahe, dass das Ausschöpfen der bestmöglichen Kreditkonditionen in einem transparenten Prozess mit klarer Dokumentation vorausschauend an Bedeutung gewinnen werden. Und mit den Vorgaben des OZG wird auch der Digitalisierungsdruck für die Kommunen auf allen Ebenen eher wachsen, so dass es nicht verwundert, wenn die Betreiber digitaler Plattformen für Kommunalkredite von weiterhin starkem Volumenwachstum in ihrem Geschäftsbereich ausgehen.

Autor

Dr. Dirk Schiereck ist Professor am Fachgebiet Unternehmensfinanzierung der TU Darmstadt.
 dirk.schiereck@tu-darmstadt.de

Thomas Eitenmüller ist Geschäftsführer der komuno GmbH.
thomas.eitenmueller@komuno.de

Info

Eine kürzere Version des Gastbeitrags ist in der Ausgabe 2/2022 von Der Neue Kämmerer erschienen. Weitere Hintergründe finden Sie auf der Themenseite OZG.

 

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