Wie muss sie aussehen, die Administration 2.0? Gerade im Hinblick auf die Folgen der Coronakrise wird klar: Ohne flexible und digitale Arbeitsprozesse werden Verwaltungen weiterhin starr und übermäßig bürokratisch bleiben.

Agilität und Digitalisierung – das sind die Schlagworte der Stunde. In zahlreichen Unternehmen haben sich die
Begriffe bereits zu geflügelten Worten entwickelt. Umgekehrt scheint agiles Arbeiten in vielen Verwaltungen hierzulande noch eher ein Fremdwort zu ein. Und das, obwohl uns gerade die Coronakrise und ihre Folgen eindrücklich vor Augen geführt haben, wie wichtig flexibles Reagieren auf unvorhergesehene Ereignisse und die Einstellung auf neue Anforderungen sind.

Wie wenig bekannt das Thema Agilität in den Administrationen in Deutschland ist, macht auch das Ergebnis unserer aktuellen Onlineumfrage unter den Verwaltungsmitarbeitern der sieben Modellregionen des Projekts „Smarte.Land.Regionen“ deutlich. Demnach geben ganze 45 Prozent der Befragten an, bislang noch nichts von agilen
Arbeitsmethoden gehört zu haben. Zugleich bejaht die Mehrheit der Verwaltungsmitarbeiter in Gesprächen mit uns, sich nach der Nutzung neuer digitaler Lösungen zu sehnen.

Doch woher kommt diese Diskrepanz zwischen Wollen und (Noch-nicht-)-Können? Die Gründe dafür sind vielseitig und gelten sicherlich nicht für jede Verwaltung gleichermaßen. Was sich jedoch flächendeckend festhalten lässt, ist Folgendes: Arbeitsabläufe in Administrationen folgen meist exakt vordefinierten Prozessen und unterliegen zudem starken Hierarchien. Darüber hinaus sorgt die Bürokratie dafür, öffentliche Institutionen träge und unflexibel zu machen.

Prozesse vereinfachen und beschleunigen

Agilität hingegen erfordert exakt das Gegenteil, nämlich: eine offene Einstellung zu Neuem und den Willen, diese Veränderungen umzusetzen. Darüber hinaus sollten im Sinne einer flexibel geführten Verwaltung stets Individuen und Interaktionen über den Prozessen und Werkzeugen stehen. Dasselbe gilt auch für eine funktionierende Software, die im Hinblick auf eine umfassende Dokumentation priorisiert zu betrachten sein müsste. Gelingt dies und verfügt eine Verwaltung über agile Strukturen, bringt das zahlreiche Vorteile mit sich. So ist eine öffentliche Institution auf diese Weise in der Lage, möglichst effizient auf komplexe Ereignisse zu reagieren.

Grundsätzlich dienen smarte Lösungen dazu, Prozesse zu vereinfachen, zu entlasten und sie letztlich zu beschleunigen. Für Verwaltungen bedeutet dies, dass sie Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern schneller bearbeiten und zugleich den Arbeitsalltag der Verwaltungsmitarbeiter angenehmer gestalten kann.

Ein Beispiel: Mit Hilfe der Digitalisierung ist es Behörden möglich, den durchschnittlichen Aufwand für die Gewerbeanmeldung um 44 Prozent zu senken – ebenso den für den Wohngeldantrag um 42 Prozent. Dies hat
der Jahresbericht 2020 des Normenkontrollrates zu Tage gebracht. Diese Beschleunigung der Prozesse ist angesichts des gravierenden Personalmangels in Verwaltungseinrichtungen auch dringend notwendig. Laut dbb beamtenbund und tarifunion fehlen dem Staat über alle öffentlichen Einrichtungen hinweg in den kommenden zehn Jahren etwa 330.000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Administrationen bilden davon keine Ausnahme.

Sorgenkind: finanzielle Ressourcen

Es stellt sich entsprechend die Frage, wie sich agiles Arbeiten in den Administrationen nun endlich mit voller Kraft in die Breite tragen lässt. Zumindest was die Digitalisierung angeht, hat sich im vergangenen Coronajahr schon einiges getan. Die Basis für ein Mehr an Agilität ist somit vielerorts bereits geschaffen. Was es nun braucht, ist eine grundsätzliche Veränderung der Arbeitskultur in den Verwaltungen. Diese müssen die Verwaltungen strategisch angehen. Die oberste Ebene der Administrationen muss sie initiieren. Wichtig ist hierbei auch, sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuholen, sprich den Mehrwert einer solchen Transformation von Beginn an möglichst anschaulich zu verdeutlichen und auf mögliche Kritik- oder Sorgenpunkte der Angestellten einzugehen.

Daneben müssen weitere finanzielle Mittel für den Wandel aufgebracht werden – hier sind letztlich Bund und Länder in der Bringschuld. Denn: Gerade aus Sicht von Kämmerinnen und Kämmerern erscheint das Stichwort Agilität aus gutem Grund oftmals als nicht zu bewältigendes Mammutprojekt. Finanzielle Engpässe lassen Investitionen in derartige Neuerungen auf den ersten Blick unmöglich erscheinen. In der Folge können viele Kommunen etwa auch den Ausbau der Digitalisierung nach einer initialen Förderphase oftmals nicht weiterfinanzieren.

Abhilfe kann hier die Vernetzung mit anderen Kommunen schaffen. Mit Hilfe eines gemeinsamen Ressourcenpools ist es möglich, die Transformation deutlich schneller und kostenschonender voranzutreiben. Daneben gilt es, praktikable bundesweite Lösungsstandards für die Digitalisierung von Verwaltungen zu etablieren. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Vernetzung der Institutionen deutlich schneller vorantreiben, sondern auch die Bürokratie entschlacken.

steffen.hess@iese.fraunhofer.de

Autor

Steffen Hess ist Abteilungsleiter für „Digital Society Ecosystems“ am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern und Projektleiter beim Modellvorhaben „Smarte.Land.Regionen“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

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