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Green Bond: „Zukunft der Kommunalfinanzierung mitgestalten“

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Frau Diemert, Ende vergangenen Jahres haben Sie dem Finanzausschuss der Stadt Köln ein Grundsatzpapier zum „Green New Deal“ vorgelegt. Was war für Sie der Ausgangspunkt, sich jetzt mit dem Thema grüne Finanzierungen zu beschäftigen?
Ganz klar die Gesamtlage in Köln. Im Juli 2019 hat die Stadt den Klimanotstand ausgerufen, 2021 folgte die Zielsetzung, Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Zudem beobachten wir schon länger, dass der Green New Deal auf EU-Ebene für ein vermehrtes Interesse an grünen Investitionen sorgt. Alternative Finanzierungsinstrumente an sich sind nicht neu. Diese müssen wir jetzt allerdings konsequent im Sinne einer grünen Transformation denken. Daher haben wir das Thema 2022 in unser Jahresarbeitsprogramm aufgenommen und sind kurz vor Jahresschluss mit den Ergebnissen unserer Untersuchung an die Öffentlichkeit gegangen.

Wie lange haben Sie an dem Papier gearbeitet?
Die Arbeit am Grundsatzpapier hat rund ein halbes Jahr gedauert. In dieser Zeit haben wir umfangreiche Gespräche mit Kommunen und Banken geführt. Insbesondere haben wir mit der Landeshauptstadt München, die 2020 einen Social Bond herausgegeben hat, sowie mit Hannover und Münster Kontakt aufgenommen, um von den bereits gemachten Erfahrungen der anderen Städte zu lernen.

Sie sagten gerade, dass der Green New Deal auf EU-Ebene zu einem stärkeren Interesse der Investoren geführt hat. Was bedeutet das für Köln?
Wir haben in vielen Gesprächen mit Banken immer wieder ein sehr hohes Interesse seitens des Marktes vernommen. Green Bonds verschiedener Emittenten waren mehrfach überzeichnet, so auch der 2022 emittierte
Green Bond in Münster. Das Produkt „Green Bond“ hat eine ausreichende Marktreife erreicht und umgekehrt ist der Markt reif genug für die Nachfrage. Ich bin mir sicher, nachhaltige Finanzierungen werden in Zukunft eine
sinnvolle Ergänzung zu Kommunaldarlehen darstellen. Mit einem Green Bond haben wir die Möglichkeit, neue Geldgeber zu erschließen. In Köln gibt es beispielsweise eine breit aufgestellte Versicherungslandschaft. Ich
frage mich, wer, wenn nicht die Kommunen, ist prädestiniert, um auf dem Gebiet voranzugehen? Wir wollen die Debatte über die Zukunft der Kommunalfinanzierung selbst mitgestalten. Jetzt ist es daher an der Zeit, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen.

Inwieweit spielen die wieder gestiegenen Zinsen eine Rolle bei Ihren Überlegungen für einen Green Bond?
Im derzeit veränderten Marktumfeld ist es wahrscheinlich leichter, Zinsvorteile, das sogenannte Greenium, zu erzielen. Besonders die Erstausgabe eines Green Bonds verursacht allerdings auch Anlaufkosten. Bei einer Abwägung der Risiken und Chancen überwiegen für uns klar die Vorteile. Auch das haben wir im Dezember in den politischen Gremien diskutiert. Wichtig ist auch das Timing der Platzierung, besonders bei der derzeitigen Marktsituation aufgrund des Ukraine-Kriegs, der dynamischen Zinsentwicklung und den volatilen Energiepreisen.

Können Sie noch etwas konkreter werden im Hinblick auf die Kosten?
Es fallen Platzierungskosten und Beraterkosten an und eine Anleihe zieht Prospektanforderungen nach sich. Und auch die Ratingagentur will ihre Arbeit bezahlt haben. Über den interkommunalen Austausch haben wir
erste Einschätzungen über die Kosten einer solchen Finanzierung bekommen. Beim Kommunalkredit gibt es diese Kostenstrukturen nicht. Doch die Anlaufkosten sehe ich als Investition in die Zukunft.

Wie ist Ihr Vorschlag im vergangenen Dezember im Finanzausschuss aufgenommen worden?
Das Konzeptpapier ist dort auf außerordentlich gute Resonanz gestoßen. Es gab parteiübergreifend viel Lob. Der Rat hat schließlich den Auftrag an die Verwaltung formuliert, einen Green Bond in Form eines Piloten aufzulegen. Das beinhaltet, geeignete grüne Projekte zu identifizieren und ein Bankenkonsortium zusammenzustellen. Außerdem müssen wir eine Agentur für die Second Party Opinion finden, also eine Nachhaltigkeitsagentur, die unser zu erstellendes Rahmenwerk beurteilt und dem Green Bond das nötige Qualitätssiegel hinsichtlich der ökologischen, nachhaltigen Verwendung erteilt. Wir haben durchaus noch einige Hausaufgaben zu machen. Für all diese Schritte haben wir Ende des Jahres erst mal die notwendige politische Rückendeckung bekommen.

Wie sieht derzeit der Umsetzungsstand aus, und wann wollen Sie an den Markt gehen?
Die Marktsondierung läuft im ersten Halbjahr 2023. Zielsetzung ist, den Piloten noch in diesem Jahr zu platzieren. Ich formuliere im derzeit extrem unsicheren Marktumfeld allerdings bewusst vorsichtig. Die Anforderungen an das Timing sind sehr groß. Mit Stand heute sind wir noch nicht festgelegt, ob es ein Schuldscheindarlehen oder eine Anleihe werden wird. Sicher ist jedoch bereits, dass sich das Volumen im dreistelligen Millionenbereich bewegen wird.

Was sind für Sie die Vorteile eines grünen Finanzierungsinstruments neben dem erhofften Greenium?
Wir können andere Akteure mit einbeziehen, die bereits erwähnte Versicherungsbranche oder im Falle einer Anleihe auch die Bürgerinnen und Bürger. Auf diese Weise diversifizieren wir unser Portfolio. Neben dem Zinsvorteil lenkt eine grüne Finanzierung eine andere Aufmerksamkeit auf die finanzierten Projekte. So können wir das Bewusstsein auch in der Bevölkerung dafür schärfen, was wir in Köln an grünen Projekten finanzieren. Ob wir uns letztendlich für eine grüne Anleihe oder einen Schuldschein entscheiden – klar ist, dass wir damit nicht den klassischen Kommunalkredit ersetzen wollen.

Was können Sie anderen Kommunen raten, die sich mit dem Gedanken tragen, ihre Finanzierung ebenfalls nachhaltig aufzustellen?
Eigentlich ist es noch viel zu früh für ein Resümee. Generell kann ich jeder Kommune empfehlen, die Vorteile des interkommunalen Austauschs zu suchen. Fest steht: Die Arbeit hört bei einem Green Bond nicht mit der Platzierung auf. Gründlichkeit geht hier in der Vorbereitungsphase vor Schnelligkeit, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Wir haben uns ein halbes Jahr Zeit genommen, um uns dann mit der Politik rückzukoppeln und die endgültigen Weichen zu stellen.

Haben Sie dafür zusätzliche Mitarbeiter mit speziellen Fachkenntnissen benötigt?
Die Vorbereitungen für das Konzeptpapier liefen ohne zusätzliches Personal in der Kämmerei. Sie waren insgesamt eine große Teamleistung, auch wenn eine Person das Projekt maßgeblich begleitet hat. Wir haben unseren Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben, sich das nötige Wissen zu erarbeiten. Auch hier haben wir uns Zeit genommen.

ak.meves@derneuekaemmerer.de

Info

Der Kölner „Green New Deal“
Kölns Stadtkämmerin Dörte Diemert hat dem Finanzausschuss am 5. Dezember 2022 das Grundsatzpapier vorgelegt. Es stellt die Untersuchungsergebnisse der Stadtverwaltung zu Green Bonds vor. Im Jahresarbeitsprogramm 2022 hatte die Verwaltung angekündigt, sich mit alternativen Finanzierungsinstrumenten auseinanderzusetzen. Diese sollen der Transformation der Stadt hin zu Klimaneutralität und Klimaanpassung dienen. Green Bonds sind laut Grundsatzpapier entweder grüne Anleihen oder Schuldscheindarlehen, die ausschließlich in nachhaltige und klimaschonende Projekte investieren dürfen.

Das Interview mit Kölns Stadtkämmerin Dörte Diemert ist zuerst in der aktuellen Zeitungsausgabe 1/2023 von Der Neue Kämmerer erschienen. Hier geht es zum Abo und hier zur Newsletter-Anmeldung.

Anne-Kathrin Meves

Anne-Kathrin Meves ist Redakteurin der Zeitung „Der Neue Kämmerer“. Nach dem Studium der Anglistik, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften (M.A.) hat sie ein Volontariat beim Deutschen Fachverlag in Frankfurt am Main absolviert. Danach wechselte sie 2011 als Redakteurin zu Frankfurt Business Media, dem FAZ Fachverlag. Zunächst schrieb sie dort für die Magazine „FINANCE“ und „Der Treasurer“. 2018 wechselte sie in das Redaktionsteam von „Der Neue Kämmerer“.