Zehn Jahre, nachdem der Zuschnitt der Kreise in Mecklenburg-Vorpommern neu festgelegt wurde, bleibt die Gebietsstrukturreform umstritten. Der Städte- und Gemeindetag zog diesbezüglich am vergangen Freitag in einer Pressemeldung ein vernichtendes Fazit. Auf Nachfrage der OBM-Zeitung weist die Landesregierung die Teile der Kritik zurück, räumt aber ebenfalls Defizite ein.
Städte- und Gemeindetag kritisiert „Ferne“ der Kreisverwaltungen
„Der einzig positive Effekt der Reform ist, dass unser Beispiel andere Bundesländer abgeschreckt hat“, sagt Thomas Beyer, Bürgermeister aus Wismar und Vorsitzender des kommunalen Spitzenverbands. Von Beginn an habe es „erheblichen Wiederstand“ in den Kommunen gegen die Reform gegeben. Die Kreisgebietsreform habe den Effekt, dass sich die Kreisverwaltungen „zu weit von ihren Gemeinden entfernt“ hätten.
In vielen Fällen fühlten sich die Städte und Gemeinden von den entfernten Kreisverwaltungen „alleine gelassen“. Die Reform habe einen Verlust an Gestaltungsmöglichkeiten der lokalen Entscheidungsträger und damit an Identifikationskraft der Kommunen zur Folge. Zudem leide die Rolle der Städte als zentralörtliche Motoren in der Regionalentwicklung. Dies gelte insbesondere für die einst kreisfreien Städte Neubrandenburg, Stralsund, Greifswald und Wismar. Ebenso habe sich die finanzielle Ausstattung der Kommunen nach der Reform nicht verbessert – im Gegenteil.
Land räumt Defizite bei Kreisgebietsreform ein
Das Land regiert durchaus mit Verständnis auf die Kritik. Etwa sei es „nicht gelungen, die Kreisgebietsreform mit einer wirkungsvollen Funktionsreform zu verbinden“. Eine deutliche Verlagerung von Vollzugsaufgaben von der Landes- auf die Kreisebene wäre fachlich geboten gewesen, teilt eine Sprecherin des Innenministeriums mit. Grundsätzlich sei die Gebietsreform allerdings „notwendig und bei aller Fachlichkeit und wissenschaftlicher Begleitung ein politischer Kompromiss“ gewesen.
Dies betreffe insbesondere auch die Finanzausstattung der Kommunen. Ohne die Reform und die damit verbundenen Änderungen des Finanzausgleichs wären „die Altkreise finanziell längst in die Knie gegangen oder die Kreisumlagen für die Gemeinden hätten so in die Höhe getrieben werden müssen, dass die Gemeinden ihre finanzielle Handlungsfähigkeit verloren hatten“.
Die größere geografische Distanz zwischen Kreisverwaltungen und manchen Gemeinden bedeute etwa für einige Kreistagsmitglieder durchaus einen größeren Aufwand, räumt die Ministeriumssprecherin ein. Dieser sei aber nicht unzumutbar. „Probleme mit der Qualität der Kreisverwaltungen bestehen aus Sicht des Innenministeriums grundsätzlich nicht. Die Qualität der Kreisverwaltungen hat eher zu- als abgenommen.“
Info
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Er arbeitet insbesondere an der Weiterentwicklung der Plattform #stadtvonmorgen und berichtet dabei vorwiegend über urbane Transformationsprozesse. Für die Redaktion von „Der Neue Kämmerer“ beleuchtet er diese Themen aus Perspektive der Kommunalfinanzen. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.