Herr Napp, Sie waren rund 25 Jahre Bereichsleiter Öffentliche Kunden bei der Helaba und zuvor in der kommunalen Verwaltung sowie im Bundesministerium der Finanzen tätig. In dieser Zeit haben Sie also schon einige Krisenszenarien und daraus resultierende Herausforderungen für den öffentlichen Sektor miterlebt. Wie blicken Sie als Vertreter einer Landesbank auf die aktuellen Bewegungen im Bereich der Kommunalfinanzierung?
Die historisch beispiellose Niedrigzinsphase hatte natürlich dazu geführt, dass es im Bereich der Kommunalfinanzierung zuletzt fast ausschließlich um langfristige Zinsbindungen ging. Jetzt wird das Umfeld wieder herausfordernder. Vor allem aber auch, wenn es um Finanzierungen geht, die über den Kernhaushalt hinaus auch die kommunalen Unternehmen betreffen. Die Finanzierungserfordernisse werden immer vielschichtiger, gerade in den Bereichen ÖPNV und Energie.
In diese Bereiche fallen schwerpunktmäßig auch die sogenannten Zukunftsinvestitionen. Wie können Kommunen diese stemmen, wenn der Gürtel insgesamt enger geschnallt werden muss?
Das ist sicherlich eine Herausforderung. Und dies nicht nur aufgrund aktueller Krisenszenarien, sondern auch mittel- und langfristig, da die Energie- und Mobilitätswende investive Kraftanstrengungen mit sich bringen wird. Für die erforderlichen Investitionen in die Dekarbonisierung werden enorme Finanzierungsvolumina benötigt. Angesichts der Tatsache, dass diese Summen bilanziell schwer zu stemmen sind, könnte ich mir vorstellen, dass auch Kooperationen – entweder kommunaler Institutionen untereinander oder auch mit Privatunternehmen – wieder attraktiver werden.

Dr. Hans-Georg Napp verabschiedet sich in den Ruhestand. Er war Bereichsleiter Öffentliche Kunden bei der Helaba. Quelle: Helaba
Attraktivität ist das Stichwort. Über einige Jahre schienen die Kommunen als Kundengruppe für viele Banken nicht mehr als attraktiv zu gelten. Ändert sich das im aktuellen Marktumfeld wieder?
Die Aussage würde ich so nicht unterschreiben. Die Öffentliche Hand im Allgemeinen und die Kommunen im Besonderen haben als Kundengruppe immer eine entsprechende Attraktivität. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus und geringer Margen ging der Blick der Finanziers aber auch mal in Richtung anderer Branchen. Bei uns war das allerdings nicht so ausgeprägt. Wir haben einerseits als langfristiger und verlässlicher Finanzierungspartner unserem Gewicht in diesem Kundensegment Ausdruck verliehen, andererseits auch als Landesbank unseren öffentlichen Auftrag erfüllt und nachhaltig Verantwortung getragen. Mit Blick nach vorn möchte ich betonen, dass sich eine stabile, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung zwischen Kommunen und ihren Haus- bzw. Kernbanken am Ende für beide Seiten auszahlt
Wie sollten die Kommunen auf die steigenden Zinsen reagieren?
Ich denke, dass die Kommunen ihre Finanzierungsentscheidungen wieder vermehrt strukturell diversifizieren müssen. Vor allem in diesem Zusammenhang gewinnen die Kernbanken an Bedeutung, denn das Geschäft ist beratungsintensiv und die Finanzierungspartner sollten über das notwendige Knowhow verfügen. Da gibt es natürliche Markteintrittsschranken, wobei es sich aus Gläubigersicht immer rentiert, wenn (Markt-)Vielfalt und -volumen gegeben sind. Gleichzeitig behält aber natürlich auch der Plain-Vanilla-Kredit seine Relevanz.
Denken Sie, dass auch Kapitalmarkttransaktionen an Relevanz gewinnen, wenn die Zinsen weiter steigen?
Kapitalmarktprodukte sind immer dann notwendig, wenn im klassischen Bankensektor der Markt nicht hinreichend ergiebig ist. Wenn es statt zehn nur noch fünf oder noch weniger Angebote gibt, kann es sich lohnen, neue Gläubigergruppen zu erschließen und sich über Diversifikation oder Risikostreuung breiter aufzustellen. Wir haben aktuell sicher keine Kreditklemme, aber es ist vorteilhaft, wenn man sich für die Liquiditätsbeschaffung professionell orientiert. Insofern denke ich, dass auch Schuldscheine und Anleihen an Bedeutung gewinnen werden.
Beziehen Sie sich da auch auf Green Finance? Welche Rolle wird das Thema Nachhaltigkeit in Zukunft spielen?
Alle drei Felder der Taxonomie – Enviromental, Social und Governance – werden zunehmend relevant. Die Banken fungieren quasi als Katalysator für das Thema. Daran wird und darf kein Weg vorbeigehen. Darauf werden sich die Marktpartner einstellen – entsprechende strategische Aufstellungen und erste Erfahrungen verdeutlichen dies.
Was hat Ihnen im Laufe Ihrer Karriere am meisten Spaß bereitet?
Mir hat es immer besonders viel Spaß gemacht, wenn ich nicht nur klassischer Finanzierer (also Liquiditätsgeber) war, sondern im Dialog mit den Kunden individuelle Lösungen erarbeiten konnte – beispielsweise bei PPP-Projekten, Re-Kommunalisierungen, Zinssicherungen und Kapitalmarktprodukten.
Nach einer ausführlichen Einarbeitung und Übergabe an Jan Kastenschmidt als Ihren Nachfolger gehen Sie in diesen Tagen in den Ruhestand. Ziehen Sie sich gänzlich zurück, oder werden Sie der kommunalen Szene erhalten bleiben?
Ich werde beispielsweise noch weiter im wissenschaftlichen Bereich mit meinem Lehrauftrag an der TU Darmstadt tätig sein. Den Themen Energie und Infrastruktur möchte ich ebenfalls treu bleiben und mich in diesem Kontext weiter gesellschaftlich und politisch „einmischen“ – mit meiner Erfahrung und Unabhängigkeit kann ich als Sparringspartner zur Verfügung stehen. Zunächst geht es aber ins „Abklingbecken“. Gemeinsam mit meiner Frau möchte ich einige entspannte Wochen und die neu gewonnene Freiheit in mediterraner Umgebung genießen.