Die Bundesregierung möchte eine „faire Lösung“ für die kommunalen Altschulden finden. Das kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer am heutigen Mittwoch bei der Vorstellung der Ergebnisse der Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse in Berlin an. Seehofer ist zugleich Vorsitzender der vor rund einem Jahr ins Leben gerufenen Kommission.
Der Bund sei sich darüber im Klaren, dass auch klamme Kommunen in die Lage versetzt werden müssen zu investieren, betonte Seehofer. „Der Bund ist bereit, mit den Ländern und den betroffenen Kommunen über dieses Problem zu reden“, sagte Seehofer. Dabei müsse allerdings klar sein, dass die Länder und nicht der Bund grundsätzlich für die „aufgabenadäquate Finanzausstattung“ der Kommunen verantwortlich seien. Nur unter dieser Bedingung sei der Bund zu Gesprächen bereit.
Als weitere Bedingung nannte Seehofer, dass im Fall einer wie auch immer gearteten Hilfe durch den Bund gewährleistet sein müsse, dass die Kommunen nicht wieder in die Schuldenfalle tappen. Insgesamt gehe es dem Bund bei diesem wichtigen Thema auch darum, ein „Signal des guten Willens“ zu senden – aber „unter klaren Bedingungen“, wie Seehofer mehrfach betonte.
Keine Schuldenübernahme durch den Bund
Zugleich dementierte der Minister, dass der Bund bereit sei, den Kommunen die Altschulden abzunehmen. Mehrere Medien hatten am gestrigen Dienstag von einem solchen angeblichen Vorstoß der Bundesregierung berichtet. Entsprechende Berichte seien falsch, sagte Seehofer. Der Bund wolle vielmehr auf Länder und Kommunen zugehen, „um eine von Herzen kommende Solidarität zu organisieren“. Nach der Sommerpause werde der Bund Gespräche mit dem Bundestag, den Ländern sowie den Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden aufnehmen, um „auszuloten, ob eine solche nationale Lösung möglich ist“. „Ich erwarte keine leichten Gespräche“, fügte Seehofer hinzu.
Zur Altschuldenproblematik äußerte sich auch Franziska Giffey (SPD), Bundesfamilienministerin und neben Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eine der beiden Co-Vorsitzenden der Kommission. Wichtig sei es hierbei wie auch bei den anderen Themen der Kommission deutlich zu machen, dass alle föderalen Ebenen die anstehenden Probleme nur gemeinsam lösen könnten. Aus ihrer Sicht müsse es auch darum gehen, eine gemeinsame Grundhaltung dafür zu entwickeln, „dass die, die viel haben, nicht noch mehr bekommen können, sondern dass sie solidarisch mit denen sein müssen, denen es schlechter geht“.
Städtetag: Viele offene Fragen
Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetages, fordert die Bundesregierung auf, dem heutigen Kabinettsbeschluss nun zügig Taten folgen zu lassen. Es sei ein Fortschritt, dass die Bundesregierung anerkenne, dass die von Altschulden betroffenen Kommunen absehbar ihre finanzielle Situation nicht aus eigener Kraft dauerhaft verbessern können, trotz aller Anstrengungen der betroffenen Länder. Allerdings lasse das Papier der Regierung mehrere Fragen offen. So knüpfe der Bund mögliche Hilfe bei Zins- und Tilgungslasten der Kommunen an Bedingungen, vor allem an einen nationalen Konsens. „Ob und wie ein solcher Konsens erreicht werden kann, muss daher intensiv besprochen werden. Dabei wird der Bund seine Überlegungen konkretisieren müssen: Denn welcher Beitrag in einem solchen nationalen Konsens auf Bund, Länder und Kommunen entfallen sollte und wie Art und Umfang der Bundeshilfen aussehen könnten, ist bisher nicht erkennbar. Die im Kabinettsbeschluss angekündigten Gespräche mit Bundestag, Ländern, betroffenen Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden müssen hier schnell Klarheit bringen“, sagt Jung. Zugleich erneuerte er den Vorschlag, dass der Bund sich stärker an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose beteiligen solle.
Kritisch merkt der Verbandschef an, dass es ursprünglich einen gemeinsamen Bericht der Kommission hätte geben sollen.„Der Bund hat diesen Plan eigenmächtig geändert und Länder und kommunale Spitzenverbände damit vor vollendete Tatsachen gestellt. Nachdem der Bund jetzt Position bezogen hat, erwarten wir, dass er die Kommunen jetzt wieder angemessen einbezieht und hoffen sehr, dass die offenen Fragen bald geklärt werden können“, mahnt er.
Landkreistag: Kein großer Wurf
Kritischer äußert sich der Deutsche Landkreistag. Präsident Landrat Reinhard Sager: "Das, was hier und heute auf dem Tisch liegt, ist leider nicht der große Wurf. Es handelt sich überwiegend um Programmsätze und Appelle. Eine finanzielle Unterlegung, konkrete Zeitschienen und Umsetzungsschritte werden so gut wie nicht aufgezeigt." Das sei angesichts der konkreten Handlungsnotwendigkeiten zu wenig.
Sager warnte auch davor, den Stadt-Land-Gegensatz noch weiter zu schüren: "Wenn über die Ablösung von Altschulden durch den Bund für wenige Gemeinden in drei Bundesländern, unter anderem im Ruhrgebiet, gesprochen werden soll, kann man nicht auf der anderen Seite vor einer Aufstockung der Förderung für kleine Betriebe auf dem Land allenfalls um niedrige Millionenbeträge zurückschrecken. Das ist den Menschen in den ländlichen Räumen nicht vermittelbar, die zu Recht entscheidende Fortschritte von der Kommission erwarten."
Deutschland modernisieren
Neben der Altschuldenproblematik thematisiert der vorliegende Bericht weitere wichtige Politikfelder wie den Breitbandausbau, die Städtebauförderung, die Kita-Betreuung sowie die Wirtschaftsförderung. Unter anderem hat das Bundeskabinett beschlossen, strukturschwache Regionen gezielter als in der Vergangenheit zu fördern und Bundeseinrichtungen auch außerhalb der Metropolen anzusiedeln. Bei der Versorgung mit schnellem Internet will sich der Bund nicht länger auf den Markt verlassen, sondern die Gründung einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft prüfen, um die letzten „weißen Flecken“ zu schließen. Insgesamt handele es sich bei den vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachten Maßnahmen um einen „großen Modernisierungsplan Deutschlands“ und einen „Paradigmenwechsel bei der Struktur- und Förderpolitik“, sagte Seehofer.