Blockchain: Fiktion oder Vision für kommunale Bonds?

Die Stadt Lugano hat im Januar mit einer 100 Millionen Franken schweren Anleihe auf Basis der Blockchaintechnologie für Aufsehen gesorgt. Für Lugano ist die Emission Teil einer großen Digitalisierungsoffensive, mit der sich die kleine Schweizer Kommune als Digitalhauptstadt Europas etablieren möchte.Wie aber sieht die kommunale Familie in Deutschland den Hype um die Blockchain? Klar ist: Vergleichbare Transaktionen hat es hierzulande bislang nicht gegeben. Einen ersten Testballon haben KfW, Commerzbank und die Munich Ergo Assetmanagement GmbH (MEAG) im Jahr 2017 gestartet: Die Banken haben ein Wertpapier mit einem Volumen von 100.000 Euro und einer Laufzeit von fünf Tagen aufgelegt und es an die MEAG verkauft. Bei der Simulation gelang anstelle der üblichen Abwicklungsdauer von zwei Tagen eine unmittelbare Wertstellung der Summe.Blockchain: erste Transaktionen von LBBW und VontobelEnde vergangenen Jahres konnte schließlich die neue Digitalplattform D7 der Deutsche-Börse-Tochter Clearstream die ersten Transaktionen vermelden – Emittenten waren die LBBW und Vontobel. Im Dezember 2022 folgte auch die KfW mit einer digitalen Anleihe über die Plattform D7, die auch die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), die Basis der Blockchain, nutzt.Der Distributed Ledger (das „verteilte Kontobuch“) ist die „technologische Grundlage virtueller Währungen und dient dazu, im digitalen Zahlungs- und Geschäftsverkehr Transaktionen von Nutzer zu Nutzer aufzuzeichnen, ohne dass es einer zentralen Stelle bedarf, die jede einzelne Transaktion legitimiert“, schreibt dazu etwa die Bafin. Im Februar dieses Jahres folgten dann blockchainbasierte Anleihen von Siemens und der Europäischen Investitionsbank.Der Bund beobachtet die aktuellen Entwicklungen aufmerksam, wie eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums (BMF) bestätigt. Die Finanzagentur des Bundes hat bereits vor gut zwei Jahren mit der Deutschen Börse und der Deutschen Bundesbank die Abwicklung von DLT-basierten Wertpapieren in Zentralbankgeld getestet und bei ihren Simulationen die Blockchaintechnologie genutzt.Bundesfinanzministerium: „Noch keine signifikanten Vorteile“Laut BMF könnten aktuell allerdings bei der Emission von Anleihen über DLT „weder prozessual noch ökonomisch signifikante Vorteile erzielt werden“. Außerdem gebe es auch bei den Investoren kein besonderes Interesse – der weiteren Entwicklung von DLT-Anwendungen sieht das Ministerium aber „positiv entgegen“.Die BMF-Position deckt sich mit den Einschätzungen, die Kommunalbanker im Gespräch mit dieser Redaktion abgeben. Während Kommunen mit der Blockchain im hochgradig standardisierten Kommunalkreditbereich ohnehin kaum Effizienzen heben könnten, könnten Blockchain oder DLT-Technologien – und nicht nur die Blockchain als spezielle Ausprägung davon – zumindest am Kapitalmarkt grundsätzlich Vorteile bringen bei der Dokumentation von Finanztransaktionen.Das sei aber noch Zukunftsmusik, meint Thomas Kull. „Durch die abrupte Änderung des Zinsumfelds wird es sicher wieder mehr Aktivitäten von Kommunen am Kapitalmarkt geben und damit auch mehr Ansatzpunkte für die Blockchaintechnologie“, sagt der Abteilungsleiter Öffentliche Kunden der NRW.Bank. „Im Moment würde das aber noch nicht zu entscheidenden Verbesserungen führen.“Nutzen bei der Abwicklung von TransaktionenAuch Christoph Wolff, stellvertretender Bankdirektor Öffentliche Kunden bei der Helaba, sieht unter den jetzigen Bedingungen noch keine Vorteile für die Emittenten: „Es könnte im eigentlichen Processing einer Transaktion durchaus spannend werden: bei der Abwicklung von Zahlungsströmen, der Verwaltung von Dokumenten und bei einer möglichen Abtretung. Das sind aber Dinge, die mehr die Sphäre der Investorenseite und der Zahlstelle betreffen – da sehe ich deshalb derzeit keinen Druckpunkt für die emittierende Kommune.“Den sehen die Kommunen offenbar zurzeit auch nicht, wie das Gespräch mit Münchens Kämmerer Christoph Frey zeigt – ganz zu schweigen von den praktischen Hürden, die davon abhalten, sich als Pioniere auf unerforschtes Terrain zu wagen, wie Frey betont: „Wir haben als Kommune nicht den Auftrag, Finanzdienstleister zu sein. Das überschreitet unsere Kompetenzen.“s.doebeling@derneuekaemmerer.deInfoDieser Artikel ist zuerst in der aktuellen DNK-Printausgabe erschienen. Hier geht es zum Zeitungsabo und hier zur Newsletter-Anmeldung.

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